Anna Meredith - Fibs
Moshi Moshi / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 25.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Pink, shiny, ultra, blast
Auch eine Leistung, sich nach 20 Jahren quasi komplett neu zu positionieren: Anna Meredith war seit zwei Dekaden für ihre schrägen Arrangements und Kompositionen im Bereich der klassischen Musik bekannt und machte sich damit innerhalb der Hochkultur nicht nur Freunde. 2016 erschien dann "Varmints", das klassische Instrumentierung mit ultrakräftiger, grellbunter Elektronik kreuzte. Damit gewann sie den Award für das schottische Album des Jahres – und viele neue Freunde für ihre Musik, die diesen verrückten Mix begierig aufsaugten. Nachdem Meredith mit "Anno" ihre Stücke mal eben neben "Die vier Jahreszeiten" von Vivaldi stellte, kann man nun mit "Fibs" das zweite reguläre Album der Schottin genießen.
Meredith-Fans dürfte vor allem gefallen, dass auch "Fibs" nicht viel von einengenden Kompromissen hält. Da geht "Sawbones" zu Beginn direkt in die Vollen, kreuzt hochtourigen Kirmes-Techno mit ultramarinem Synthie-Geflatter, das Stück ist grell, quietschbunt und nichts für Freunde des Understatements. Die Melodien sind aus glanzvollem Plastik, senden wild wirbelnd Neon-Fanfaren in den Himmel, doch das Beste ist, welchen Drive die Beats entwickeln. Klasse auch, dass Meredith wieder Platz für ihre ganz speziellen Pop-Songs findet. Über perkussiv ratternden Synthies entfaltet "Inhale exhale" einen weich ausgelegten Melodien-Spaziergang, der sich nicht zwischen glücklich und traurig entscheiden will und auch textlich Raum für Widersprüche einräumt: "Say, you're turning on the tightrope / But to me it looks like falling." Aber auch dieses Stück steigert sich in eine wild lospreschende Ekstase hinein, bei der man Meredith fast auf einem pinken Einhorn in Richtung Himmel vorbei reiten sieht.
Und dennoch wirkt diese Glamour-Offensive nie billig, sondern mitreißend. Gut, dass zum Beispiel "Calion" mit Beats und Soundflächen in die tieferen Bereiche elektronischer Musik vordringt und in Form von wuchtig rotierender Rhythmik wieder so einen unglaublich mitreißenden Wow-Moment liefert. Immer wieder gibt es Stellen, in denen die Songs förmlich abheben: So ist man von dem Stop-Motion-Gesang von "Killjoy" zunächst gelinde irritiert, wenn aber die komplex treibenden Beats das Stück in Bewegung setzen, erfährt man einen kleinen, aber beglückenden Kick. "Bumb" verfremdet dann mit tiefergelegten Bläsersätzen den "Imperatoren-Marsch" aus Star Wars und reichert ihn mit fetzigen Gitarren und schwergewichtigen Beat-Brocken an.
Einen gewissen Tiefgang erhält "Fibs" dadurch, dass die zweite Hälfte etwas lockerer gefasst wird, Meredith weniger Wert auf Zuspitzung legt. "Moonmoons" lässt helle, zarte Klänge freimütig sprudeln, ohne dass der große Knall erfolgt und "Divining" kreuzt luftige Streicher mit mildem Gesang und prägnanten Synths. "Paramour" freilich bricht das wieder etwas auf: Nahe an 180 BPM wuselt dieser Song mit reingrätschenden Gitarren-Splittern noch einmal im Bereich des großen Spektakels agil dahin. Aufregend, bunt und gar nicht bescheiden ist dieses Album – Anna Meredith beherrscht die Übertreibung dabei jedoch so, dass es nie peinlich wird.
Highlights
- Inhale exhale
- Killjoy
- Paramour
Tracklist
- Sawbones
- Inhale exhale
- Calion
- Killjoy
- Bump
- Moonmoons
- Divining
- Limpet
- Ribbons
- Paramour
- Unfurl
Gesamtspielzeit: 44:12 min.
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