Peggy Luck - Mondhell
Ponyphone / recordJet / Edel
VÖ: 11.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Kunstliederabend
Kunstlieder sind so einer Sache. Sie sind zum einen nicht irgendeiner Tradition entsprungen, sondern schlichtweg zum Sinne des Vortrags komponiert. Normalerweise mit einem gewissen Anspruch in Text und Melodie versehen, sind sie nicht für den schnellen Genuss bestimmt, vielmehr entfalten sie von Strophe zu Strophe immer mehr Facetten. Häufig sind es Kleinigkeiten, bisweilen kaum merkliche Verschiebungen im Takt oder in der Instrumentierung, die dafür sorgen, dass der Inhalt nachdrücklicher oder bildhafter an den Hörenden transportiert wird. Peggy Luck hat sich auf ihrem Debüt "Mondhell" dieser ganz schön aufmerksamkeitsfordernden Gattung verschrieben, lässt dabei aber auch keinen Zweifel aufkommen, dass ihr trotz historisierenden Musikbezugs das Gegenwärtige nicht fremd ist.
Die Leipzigerin wählt die Themen ihrer teils auf Deutsch, teils auf Englisch gesungenen Songs aus dem Alltäglichen. Kaffee, Herbstnächte, Stadtansichten. Doch kaum hat man die Tracklist hinter sich gelassen, beginnt die Abstraktion und die Musikerin flicht ganze Heerscharen von Klängen in ihre Lieder. Mittelalterliche Melodiefolgen treffen auf Spieldosenmusik, die Gitarre ist mal zärtlicher Begleiter, mal Taktgeber. Luck hat sich als Kind nicht vom Klavier ihrer Großeltern vertreiben lassen, später wurde die Gitarre zum Begleiter und als ob das noch nicht reichen würde, kam noch eine Viola da gamba dazu. Mit zahlreichen Mitmusikern verführt sie auf "Mondhell" zum Liederabend und lässt ihre metaphernreichen Texte einem Bewusstseinsstrom gleichkommend ins Publikum fließen. Sie streift gemeinsam mit ihm durch die Jahreszeiten, beginnt dabei im Herbst und lädt ihre Zuhörer im Titelsong zum Innehalten ein. Man setzt sich dazu, wiegt sich ein wenig im Takt und sieht den Blütentau auf den heißen Asphalt tropfen. Doch plötzlich ändert sich die Szenerie, Gitarre und Mandoline wirbeln, das Schlagwerk marschiert frisch voran. Im sympathischen "Kaffeelied", dass wie ein sparsamer, linkischer Tango daherkommt wird aus alltäglichen Aufstehen eine Sehnsucht nach der morgendliche Ruhe: "So lange ich noch Kaffee trink, ist Morgen / So lang noch Morgen ist wird nichts getan." Peggy Luck erklärt ihren Mikrokosmos mit ihrer warmen Stimme mit angemessener Melancholie, vergisst aber, wie im beschwingten "Prodigy" auch den Groove nicht.
Der Titel des Albums wird merklich zum übergeordneten Thema, fließen viele ihrer Arrangements trotz zahlreicher überraschender Wendungen wie Mondlicht durch die abgelaubten Bäume. "Mondhell" sind aber auch die silbrigen Schlieren, die ihre begleitenden Instrumentalisten zwischen die Melodien flechten. Das erzeugt eine wärmende, einnehmende Atmosphäre, wenn Peggy Luck hingegen nur zu fantasievollen Klavierfolgen bei "Cliffs"ihre Zuhörer dazu bringt, hinter ihre Maske zu schauen und sich ganz in ihre Gedankenwelt zu vertiefen, wird es verletzlich und intim. Der Multiinstrumentalistin gelingt das ohne Kitsch, dafür mit viel Kunst. "Stadt aus Wind" und "Kreide" stehen dabei beispielhaft für ihre Experimentierfreude, die gerade in diesen letzten beiden Stücken expressionistische Züge annimmt. Mutig und mit viel Nachdruck stellt sie auf einmal nahezu existenzielle Fragen und die anfängliche Lieblichkeit weicht dem schroffen Ton des Jetzts. Das Idyll der nächtlichen Grundstimmung ist bei Peggy Luck somit nicht alles. Wer "Mondhell" in vollen Zügen genießen will, muss sich eben auch dem zuweilen grauen Alltag der Gegenwart stellen.
Highlights
- Kaffeelied
- Cliffs
- Stadt aus Wind
Tracklist
- Mondhell
- Aus jedem Traum aus jedem Wahn
- Kaffeelied
- Your song
- Hey now I know what I want I want to run till my head is spinning
- Little burden
- Prodigy
- The rain that is mine
- Cliffs
- Stadt aus Wind
- Kreide
Gesamtspielzeit: 35:29 min.
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2019-11-14 21:23:55 Uhr - Newsbeitrag
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- Peggy Luck - Mondhell (1 Beiträge / Letzter am 14.11.2019 - 21:23 Uhr)