Tindersticks - No treasure but hope

Lucky Dog / City Slang / Rough Trade
VÖ: 15.11.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bridge over troubled water
Egal, was los ist: Tindersticks sind für Dich da. Schon fast drei Jahrzehnte lang weigern sich die Mannen um Frontmann Stuart A. Staples konstant, auch nur eine ansatzweise schwache Platte zu veröffentlichen. Stattdessen kann man darauf bauen, dass die erlesene, immer exquisite Melange aus Introspektion, Pathos und Zerbrechlichkeit wieder über die gelegentliche Sinnkrise und Lebensenttäuschung hinweg trösten kann. "Trees fall with no one to hear", singt Staples mit brüchiger Stimme. Und wenn auch Du gefallen bist, ohne dass es jemand mitbekommt, streicheln Dich die klagenden Bläser und zittrigen Violinen gesund. Du leidest nicht alleine. Das ist auch mit "No treasure but hope" so, welches seine Mission implizit im Titel verrät. Die Hoffnung stirbt zuletzt und davon zeugen diese zehn zerrissenen Stücke. Geradliniger kommen sie zwar daher als noch auf dem extrem dynamischen "The waiting room" und auf den zahlreichen Zwischenprojekten seitdem. In manchen Momenten wie dem ungewohnt positiv gestimmten Walzer "Pinky in the daylight", der sich ein direktes "I love you" im Refrain traut, ist es sogar Kitsch. Wunderschöner Kitsch, versteht sich.
Trotz der beschworenen Zugänglichkeit bietet "No treasure but hope" ebenfalls dieses unvergleichliche Tindersticks-Gefühl in Reinform. Lediglich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit schleichen sich die Songs ins Herz, bis sie allesamt dort angekommen sind. "For the beauty / It's got its gloves on me", heißt es im Opener, Staples haucht seine Vocals fragil heraus, das Klavier spielt zögerlich. Das Crescendo wird nur kurz angespielt, bevor sich der Sound ins Schneckenhaus zurückzieht. "Carousel" schlägt in eine ähnliche Kerbe, potenziert jedoch noch die Trauer und trifft unglaublich souverän einen emotionalen Nerv. Der "dream of returning to this beautiful island" aus "See my girls" driftet mit seiner Repetition derweil recht unerwartet in eine paranoide Grundstimmung. Es fasziniert, was Tindersticks auch nach so langer Zeit aus ihrem Kammerpop herausholen können. Sei es das vergleichsweise beschwingte "The amputees" im Dreivierteltakt oder "Take care in your dreams", das mit seiner außerweltlichen Atmosphäre in den titelgebenden Traum hineinzusprechen scheint.
Es gibt keinen Moment auf "No treaure but hope", der einfach so vorbeizieht – Beliebigkeit ist nicht die Sache von Tindersticks. Der emotionale Griff festigt sich vielmehr noch mit den letzten beiden, wirklich brillanten Stücken. "Tough love" ist einer der unmittelbar herausstechenden Songs, da er nicht nur ein einprägsames zentrales Motiv bietet, sondern sich in der hinteren Hälfte famos instrumental in einen Rausch spielt. "Tell me what he said / Show me what he did", fordert Staples und es ist ihm Ernst. Der Titeltrack bietet als reines, sentimentales Piano-Stück den Kontrast dazu, melodisch ist das ein weiteres Mal Weltklasse. Mit den Worten "The trick is the escaping" schleicht sich die Platte von dannen. Das heißt nicht, dass sie einen verlässt. Sie zeigt nur den Weg wieder nach draußen, wenn es einen niedergestreckt hat. Nachdem sie mitgelitten, mitgeweint und mitgegrübelt hat. Tindersticks sind immer noch für Dich da.
Highlights
- Carousel
- Tough love
- No treasure but hope
Tracklist
- For the beauty
- The amputees
- Trees fall
- Pinky in the daylight
- Carousel
- Take care in your dreams
- See my girls
- The old man's gait
- Tough love
- No treasure but hope
Gesamtspielzeit: 46:14 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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ijb Postings: 5475 Registriert seit 30.12.2018 |
2021-02-20 23:16:51 Uhr
Trotz einiger Höhepunkte für mich mit "The Waiting Room" leider eines der beiden schwächsten (Studio-)Alben der Band. Selbst einige der Filmmusik-Alben sind spannender (Les Salauds, 35 Rhums, Trouble Every Day). |
carpi Postings: 1370 Registriert seit 26.06.2013 |
2019-11-23 16:09:05 Uhr
Finde es auch gelungen, die Highlights sind für mich der Opener und der längste Track "See my girls". Bei einigen Tracks kann man in der Tat gut wegdösen, die Tindersticks waren halt schon immer auch die Meister der Langsamkeit. Passt wie schon erwähnt perfekt zur Jahreszeit. |
muckipup Postings: 84 Registriert seit 13.06.2013 |
2019-11-20 20:39:42 Uhr
Tolle Band nach wie vor, und ein weiteres erstklassiges Album. Hat bei mir ein bisschen gebraucht, aber mittlerweile mag ich es sehr. In der Diskographie würde ich es (gleichauf mit Waiting for the moon) auf Platz 4 oder 5 einsortieren. Die ersten drei bleiben unangetastet. |
Cayit Postings: 204 Registriert seit 05.05.2014 |
2019-11-17 11:12:08 Uhr
Hab mal ins Album reigehört...Boa ist das zum einschlafen... ELBOW für Arme. |
carpi Postings: 1370 Registriert seit 26.06.2013 |
2019-11-09 18:37:35 Uhr
Mag schon sein, da möchte ich aber "The Something Rain" von 2012 ausnehmen - sehr gutes Album, welches fast an die Großtaten der ersten drei Alben heranreicht. Mal sehen, was das hier kann. |
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Referenzen
Stuart A. Staples; Cousteau; Robert Forster; Chris & Carla; John Grant; The Magnetic Fields; Rufus Wainwright; Get Well Soon; Sparklehorse; Arab Strap; Aidan Moffat; Bill Callahan; Dakota Suite; Lee Hazlewood; Bonnie 'Prince' Billy; Eric Bachmann; The Divine Comedy; Lambchop; I Am Kloot; Spain; Mick Harvey; The Walkabouts; Giant Sand; Nick Drake; The High Llamas; Jarvis Cocker; Pulp; Calexico; The Black Herat Procession; Smog; Eels; Guy Garvey; Elbow; Destroyer; Dirty Three; Low; Wilco; The National; Vic Chesnutt; Matt Elliott; Scott Walker; The Walker Brothers; Vincent Gallo; Lucinda Williams; Devastations; Brian Eno; Howe Gelb; Richard Hawley; Bauhaus; Madrugada
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- https://www.allmusic.com/artist/tindersticks-mn0000600640
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