Lightning Bolt - Sonic citadel
Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 11.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Die Ohrkrepierer
"Ab muss das Ohr!" Irgendwie schmerzte es schon beim Lesen, was Rezensent Beeke zu Lightning Bolts "Fantasy empire" postulierte. Nüchtern betrachtet handelte es sich aber bloß um die logische Konsequenz aus dem freidrehenden Irrsinn, den das Duo aus Providence auf seinem letzten Album entfesselte – Noise-Rock nahm sich dagegen beinahe wie ein Kaffeekränzchen verkrachter Enthaarungsartisten auf Diazepam aus. Um den amputierten Lauscher sollte man sich indes keine Sorgen machen: Brian Chippendale und Brian Gibson stehen sicher bereits mit Elektrotacker und Heißklebepistole parat, um die Sache wieder hinzubiegen. Und sich anschließend mit trümmernden Absichten über das restliche Knöchelverzeichnis herzumachen. Lightning Bolt haben einiges aufzuholen – und das wird jetzt nicht nur ein bisschen wehtun.
Chippendale ist inzwischen nämlich Vater geworden und legte eine Graphic Novel vor, Gibson entwickelte mit seiner Software-Schmiede das rhythmisch-rasante Game "Thumper" inklusive perkussivem elektronischem Soundtrack. Genau in diesem Sinne muss man sich "Sonic citadel" vorstellen: wie einen grellbunten Comic-Strip, in dem man viel rennen und ballern muss, um eine Chance zu haben. Dass die jedoch allenfalls theoretischer Natur ist, liegt auf der Hand, denn der Opener "Blow to the head" funktioniert wie ein ebensolcher. Mit Presslufthammer-Drums und durch sämtliche Effekt-Mangeln gedrehten Stahlsaiten geht es so lange mit dem Kopf gegen die Wand, bis man in all dem Getöse eine Body-Music-Sequenz muskulöser DAF-Prägung auszumachen glaubt. Stimmt so zwar nicht – körperlich spürbar ist dieser Monster-Track trotzdem in jeder Sekunde.
Lediglich der Auftakt zu einem weiteren physisch wie psychisch unfassbaren Longplayer, der nicht viel mehr als Gibsons maximal zweckentfremdeten Bass und Chippendales aus allen Ritzen pumpendes und rollendes Schlagwerk benötigt, um das Lattenmessen des Rock'n'Roll mutwillig zu entstellen. Da platzen Spandexhosen und zerbröseln zur Pommesgabel gereckte Wurstfinger gleich reihenweise, wenn "Air conditioning" in strammem Uptempo eine faulige Brise extremes Riffing in den Raum schickt und "Hüsker dön't" die glühenden Leads von Gibsons Griffbrett Richtung Zombie-Apokalpyse schubst. Oder zumindest in die Spätvorstellung von "Halloween 3", wo Chippendale ähnlich blechern in sein Kehlenmikro japst wie bei seinem Soloprojekt Black Pus. Der äußerste Rand der Musik? Wo denken Sie hin – Speed-Metal ist im Grunde ja auch nur Jazz-Rock.
Es gehört zum perfiden Genius dieser prächtigen Schlachtplatte, dass Chippendale und Gibson ihre Pappenheimer nicht nur kennen, sondern auch referenzieren: "Don Henley in the park" und "Van Halen 2049" nennen einerseits Rock-Götter und fahren andererseits gehörig mit ihnen Schlitten. Was der Eagles-Mann getan haben mag, um zu einem geloopten Psych-Mantra im Schweinsgalopp durch die Grünanlage gehetzt zu werden und warum die AOR-Veteranen um David Lee Roth in einem neunminütigen Gewaltmarsch mit atonalem Gegonge versinken? Tut nichts zur Sache, solange "USA is a psycho" und das bizarr eingängige "All insane" unmissverständlich klarstellen, dass es gewichtigere Probleme auf der Welt gibt als die Dekonstruktion musikalischer Denkmäler. Aurale Verluste? Zahlen wir aus der Distorto-Kasse. Und jetzt das andere Ohr!
Highlights
- Blow to the head
- Air conditioning
- Hüsker dön't
- Don Henley in the park
Tracklist
- Blow to the head
- USA is a psycho
- Air conditioning
- Hüsker dön't
- Big banger
- Halloween 3
- Don Henley in the park
- Tom Thump
- Bouncy house
- All insane
- Van Halen 2049
Gesamtspielzeit: 52:37 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
MasterOfDisaster69 Postings: 978 Registriert seit 19.05.2014 |
2020-01-14 13:21:08 Uhr
gerade erst entdeckt. die Platte ist gut !Danke. 8/10 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27326 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-11-08 11:30:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Underground Postings: 1614 Registriert seit 11.03.2015 |
2019-10-08 13:22:49 Uhr
06.11. im gebäude9, köln |
Juhu |
2019-08-15 19:10:03 Uhr
Juhu |
Underground Postings: 1614 Registriert seit 11.03.2015 |
2019-08-15 19:07:17 Uhr
der vorabsong klingt schon einmal spannend... |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Black Pus; Mindflayer; Upper Wilds; Dan Friel; Black Midi; Hella; Don Caballero; Battles; Zach Hill; Mr. Bungle; Fantômas; Tomahawk; Daughters; Melvins; Marnie Stern; Philm; Boredoms; Melt-Banana; Zeni Geva; Merzbow; Brainiac; HEALTH; The Skull Defekts; These Are Powers; Arab On Radar; Doomsday Student; Zulus; Converge; Botch; The Dismemberment Plan; Destruction Unit; Dope Body; Black Dice; Mi Ami; Liars; Oneida; People Of The North; Black Eyes; Staer; Metz; Ex Models; Part Chimp; Shit And Shine; Genghis Tron; The Locust; The Dillinger Escape Plan; Rolo Tomassi; Iwrestledabearonce; Fuck Buttons; Blanck Mass; Enon; OOIOO; Nisennenmondai; Arsonists Get All The Girls; Fear Before The March Of Flames; Slayer; Machine Head; Optimum Wound Profile; Hüsker Dü; Van Halen; Don Henley; Eagles
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Pearl Jam - Lightning bolt (215 Beiträge / Letzter am 19.04.2021 - 10:02 Uhr)
- Lightning Bolt - Sonic citadel (6 Beiträge / Letzter am 14.01.2020 - 13:21 Uhr)
- Lightning Bolt (83 Beiträge / Letzter am 08.11.2019 - 10:45 Uhr)
- Lightning Bolt - Fantasy empire (8 Beiträge / Letzter am 16.10.2015 - 19:54 Uhr)
- The Flaming Lips With Lightning Bolt (3 Beiträge / Letzter am 31.07.2011 - 11:56 Uhr)
- Lightning Bolt - Earthly Delights (9 Beiträge / Letzter am 06.04.2010 - 10:38 Uhr)