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The Düsseldorf Düsterboys - Nenn mich Musik

The Düsseldorf Düsterboys- Nenn mich Musik

Staatsakt / Bertus
VÖ: 25.10.2019

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

The circle of life

Dass The Düsseldorf Düsterboys in Wirklichkeit aus Essen kommen, ist der erste Gag, den man kennen muss, wenn man verstehen will, wer Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti wirklich sind. Zwei Mittzwanziger, beide die personifizierte Verschmitztheit, erwachsenwerdende Buben, die auch immer dann ein wenig bierselig wirken, wenn sie gar nicht getrunken haben. Gute Jungs. Richtig gute Jungs, die einem nach dem Konzert doch noch eine Kaltschale auftreiben und breit grinsend von der Bar zurückkommen, um erstaunt zu erkennen: "Ich glaube, der würde mir echt noch alles geben." Wer letztes Jahr nicht durchgängig Ohropax trug, der kam an International Music kaum vorbei: Nicht wenige kürten deren Debüt "Die besten Jahre" 2018 zum Album des Jahres. The Düsseldorf Düsterboys gibt es dabei schon länger als die andere Gruppe, in der Joel Roters als trommelnder Antreiber fungiert. Nun hat auch die Erst-Band von Peter und Pedro endlich ihr erstes Album veröffentlicht. Und, so darf orakelt werden, auch "Nenn mich Musik" wird die Jahreslisten stürmen.

Wenn der Rezensent seinem Opa – R.I.P. old friend – eine Band hätte zeigen sollen, die er mag, hätte er sich für The Düsseldorf Düsterboys entschieden. Das Quartett – neben Rubel und Goncalves Crescenti gehören mittlerweile auch Schlagzeuger Edis Ludwig und Fabian Neubauer an den Tasten dazu – vereint die Schmacht eines Udo Jürgens mit dem Witz eines Olli Schulz ohne dessen Rampensauigkeit. Opa wäre vor Lachen vom Stuhl geflogen, wenn die Truppe dem Priester im Boogie den "Messwein" wegsäuft und hätte gemeinsam mit seinem Enkel von "Teneriffa" geträumt. Der gleichnamige Song trägt dabei genauso viel von "Ich war noch niemals in New York" im Blut wie von der "America-Ibiza Connection". Man kennt den Titel schon seit 2016, für das Album wurde er neu aufgenommen und wie die anderen Songs der Platte von Olaf O.P.A.L. produziert. Die neue Version kommt mit weniger Hall auf der Stimme an. Das steht dem Stück großartig und macht die Darbietung noch herzlicher, das Flötensolo zur Songmitte trägt ebenso dazu bei wie die luftig klimpernden Tasten im Hintergrund.

Fernweh ist ortsgebundene Sehnsucht. Und jene Sehnsucht ist generell ein Thema, das auf "Nenn mich Musik" immer wieder aufkeimt. Etwa in "Wie ein Henker", dem wohl besten Track der Platte, der zu sanften Gitarrenklängen liebevoll davon sinniert, eine Frau zu küssen und sich gleichzeitig in nervöser Sorge verfängt, die Geliebte wieder zu verlieren. Wenn Rubel die zweite Strophe auf Französisch intoniert, erzeugt er damit einen Gänsehautmoment, der verdeutlicht, dass dieser Song so nah am echten Leben ist, so nah an wirklicher Romantik, wie es Musik nur sein kann. Ein Kuss ist auch das Thema in "Meine Muse". In zweistimmigen Gesang sehnen sich The Düsseldorf Düsterboys Inspiration herbei: "Küss mich, meine Muse", erklingt es da wiederholt, bis der Titel nach eineinhalb Minuten scheinbar zu Ende geht, um dann doch neu aufzukeimen. "Fick mich, meine Muse", lautet die bittende Zeile dann und verläuft in ihrer lyrischen Derbheit auf einmal orthogonal zum Songaufbau, ohne jedoch dabei das Chanson zu missbrauchen oder zu persiflieren. Stattdessen überträgt die Band den Song einfach ins Jahr 2019. Nach Vögeln ist in "Wand" keinem zumute, sollte man meinen. "Mein Schatz, ich habe all Deine Gedanken satt", zeigt der Protagonist die kalte Schulter, doch die Intimität der Beziehung ist in Wahrheit noch nicht verflogen: "Nur der eine Weg ist nah, von der Brust in den BH", singt Rubel, während die Gitarren sich rhythmisch hochschaukeln und zwischendurch munter solieren.

Einen weiteren Ausflug ins Fremdsprachige wagen The Düsseldorf Düsterboys in "Parties". Die Jungs schwärmen in die Nacht aus, es gibt gleich mehrere Einladungen. Rubel erzählt, schwelgt, zählt bis neun, spricht als wäre er der weiseste Mann der Welt, wenn er die vielleicht beste je gesungene deutschsprachige Liedzeile der Welt einstreut: "Wie Männer sich küssen / Auf Kamelhaarkissen." Doch der Song hat seine Großartigkeit da noch nicht komplett entfaltet. Auf einmal fällt der Rhythmus ab, die Gitarren klimpern und der Gesang kommt zweistimmig auf Portugiesisch zurück, damit Rubel das Ausgedrückte schließlich noch mal auf Deutsch zusammenfasst: "Ohh, ich will nicht mehr verlieren, Schalke 04, ich will nicht mehr verlieren." Kein Wunder, wenn dann getrunken wird: Das schon länger bekannte "Alkoholgedanken" wird nicht etwa vordergründig melancholisch, wie man denken könnte, sondern freut sich über das Vergessen, lacht, hüpft über Bänke, ohne musikalisch mitzuspringen. Am Ende folgt der Kater: "Help me I am blind, 'Alkohol' on my mind", klagt die Gruppe lapidar. Und auch geraucht wird: "Heiße Kippe" beschreibt die Gefahren des Tabakkonsums und meint damit nur die Verbrennungsgefahr an der Glut des Glimmstengels. Gegen Ende steigert sich der Track, wenn die Orgel wunderschön die Stimmung potenziert.

Die zweite Single "Kaffee aus der Küche" nimmt weiter Fahrt auf und stellt die Gitarren fast deftig genug in den Vordergrund, dass der Blues auch als International-Music-Stück durchgehen könnte, was wohl auch an der Unterstützung von DC Schneider liegt. Wenn Rubel zur Hälfte des Songs ausrastet und die Drums dann einmalig auf "Nenn mich Musik" richtig aufdrehen, ist das noch einer der ganz, ganz großen Momente dieses Albums, das mit der Erstauskopplung "Oh, Mama" schon so großartig begonnen hatte: Die Klavierballade verknüpft auf das Beste jugendlich-verträumte Hoffnung mit dem Wunsch nach vertrauter Heimligkeit, welche die ganze Platte immer wieder aufgreift. "Oh, Mama, halt mich aus, halt mich aus dem Trouble raus", heißt es da hoffend, bis eine sakrale Orgel einkehrt und Geborgenheit musikalisch auf den Punkt bringt. "Zimmer Deiner Wahl" schlägt in die gleiche Kerbe, ist ein song-gewordener, mütterlicher Kopfstreichler. Erst werden die Hausaufgaben erledigt und morgen heißt es dann "Hauptsache Ausschlafen."

Zwischen all diesen wunderbaren, heimlichen Ohrwürmern darf man den Titelsong jedoch nicht vergessen, der mit "Dada-dada-dada-daaa"-Chören zum Engtanz auffordert, nicht aber zum Zwecke des Arschgrapschens, sondern zum wirklich echten Liebhaben. Bei The Düsseldorf Düsterboys gibt es keine bösen Hintergedanken, alles ist ganz ehrlich und mithin ganz einfach. Die Welt ist ein überschaubares Ökosystem, ein angenehmer Platz zum Leben, dessen Tücken zwar schmerzen, was aber noch lange nichts ist, das man mit einem Liedchen auf den Lippen nicht weggeträllert bekäme. "Es geht mir gut" ist da das beste Beispiel: Rubel durchwandert ein Wechselbad der Gefühle, manchmal geht es ihm richtig gut, manchmal geht es ihm ganz und gar schlecht und dann wird's doch wieder besser. Der ewige Kreis, ganz "König der Löwen"-like. Für das Kind in uns, das keiner wegleugnen kann und das nie zu kurz kommen darf. Unschuld ist es, wonach man sich sehnen sollte. Näher am Herzen wird kein Album 2019 mehr sein.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Oh, Mama
  • Teneriffa
  • Parties
  • Wie ein Henker
  • Meine Muse

Tracklist

  1. Oh, Mama
  2. Heiße Kippe
  3. Kaffee aus der Küche
  4. Parties
  5. Federleichte Tage
  6. Teneriffa
  7. Alkoholgedanken
  8. Nenn mich Musik
  9. Messwein
  10. Wand
  11. Wie ein Henker
  12. Kneipe
  13. Es geht mir gut
  14. Meine Muse
  15. Zimmer Deiner Wahl
  16. Mittendrin

Gesamtspielzeit: 48:33 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

maxlivno

Postings: 2927

Registriert seit 25.05.2017

2024-09-26 12:32:03 Uhr
10/10 Album, die deutsche gute Freunde Version von Simon&Garfunkel

Lateralis84skleinerBruder

Postings: 967

Registriert seit 03.03.2019

2024-09-26 10:58:14 Uhr
Finde es auch deutlich stärker als Duo Duo.
Hab es damals bei einem Spaziergang durch hohen frisch gefallenen Schnee gehört. Besonderer Moment

AliBlaBla

Postings: 7473

Registriert seit 28.06.2020

2024-09-25 23:10:08 Uhr
Saustarke Liedsammlung, mir das Liebste im INTERNATIONAL MUSIC/THE DÜSSELDORF DÜSTERBOYS Kosmos, nich so..ausufernd,nich so...quatschig, mehr auf den Punkt. Klare 9/10

VelvetCell

Postings: 7871

Registriert seit 14.06.2013

2020-11-09 07:20:51 Uhr
Bin bis dato etwas enttäuscht von der EP. Seltsam aufgenommen und irgendwie bleibt nichts hängen.

novemberfliehen

Postings: 114

Registriert seit 13.06.2013

2020-11-08 18:41:32 Uhr
Hat jemand eine Meinung zur aktuelle EP "Im Winter"? Ich weiß noch nicht, was ich vom ersten Song halten soll, da mir dann doch ein bisschen zu albern, auch wenn es zum Song hinten raus Sinn zu machen scheint. Der Rest ist okay bis gefällt.
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