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Komplizen Der Spielregeln - Komplizen Der Spielregeln

Komplizen Der Spielregeln- Komplizen Der Spielregeln

Offshore Tabernakel
VÖ: 18.10.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Hirn statt Herz

Öffnet man das neueste Release von Komplizen Der Spielregeln in Apple Music, so prangt unter dem selbstbetitelten Album das Genre Dance. Dance, really? Nun ja, nicht ganz. Dennoch sind die Zeiten vorbei, da man den Sound der Kölner mit den jungen Blumfeld oder Sonic Youth vergleichen konnte. Tatsächlich ist die Platte relativ elektronisch geraten, allerdings sind die Wurzeln der Truppe weiterhin zu spüren, weil die Drums oft unverändert – obgleich gesampelt – relativ organisch daherkommen und die Gitarre meist stilprägend bleibt. Trotzdem kann man festhalten: Der Indie-Noise-Rock des 2009er Longplayers "Es wird nur noch geatmet" und des 2011er Nachfolgers "Lieder vom Rio d'Oro" hat Platz gemacht für ein technikaffineres Intrumentarium.

Was sich bei aller Veränderung jedoch nicht gewandelt hat, ist die Attitüde der Truppe um Sänger Tobias Ortmanns, der sich in neun Songs den Seltsamkeiten der Welt widmet und ähnlich wie auf den beiden Vorgängern sowie auf der 2016er Doppel-EP "Amerika, hol mich hier raus!" vor allem anprangert, was es anzuprangern gilt. So gibt es schon im Opener "Top: Content" eingehend auf die Mütze für Labersäcke jeglicher Couleur, für Versprechenmacher und Rattenfänger. Danke dem Internet an dieser Stelle. Die wabernde Geräuschkulisse lässt den Gesang marschieren und gibt ihm hier und da Raum für wichtige Erkenntnisse, die dann doch immer wieder ein wenig ironisch klingen. Auch im starken "Galore", das mit funkiger Gitarre und groovigem Schlagzeug auf den Plan tritt, hat Ortmanns Bock auf Ärger und bringt dies auf den Punkt, wenn er im melodiösen, von dronigen Signalklängen eingeleiteten Chorus erklärt: "Passgenauer Kopfhörer, bitte mache den Unterschied." Konsumkritik also.

"Neu" hat die Hoffnung längst schon aufgegeben, dass einen jemals noch mal etwas wirklich vom Hocker haut. "Es gibt nichts Neues, ich scheitere so gern", lautet dabei die zentrale Zeile des Stücks, das sich durch eine dschungelige Kulisse zwischen hell gezupften Saiten und windschiefen Chören messert. Fluffiger unterwegs ist "Unsere Form", das augenzwinkernderweise versucht, sich in gesellschaftliche Konventionen einzuordnen und dem zum Zwecke jeden eigenen Standpunkt aufgibt, während der Rhythmus sich irgendwo zwischen NDW-Beat und "Lorem ipsum" bewegt, dem Quasi-Opener des ersten Komplizen-Der-Spielregeln-Albums. Am ehesten Dance ist dann das halbe Liebeslied "Oh, Lucy!", Gleiches gilt thematisch irgendwie auch für "Reichlich", das musikalisch wie ein etwas in die Jahre gekommener DJ-Koze-Mix wirkt und Ortmanns im Stakkato mehr oder weniger randomisierte Signalwörter rausprusten lässt: "Flüsternder Zusatzstoff, Herzschmerz, Frischzellenkur, Nahtod, Fußgängerzone, voller Samstag, Stimmen übertragen, Stimmen verteilt." Okay.

Saftig wie der der obere Teil des Speck-Stein-Goldständer-Motivs im Artwork stampft der Beat dann in "Dazwischen". Da könnte man ruhig mal genrefremd an Deichkind denken, würden nicht drumherum mehrstimmige Gitarren und eine Sitar das Spielfeld dominieren. Apropos Deichkind: Auch die Hamburger bestücken ihre Musik ja mit gesellschaftskritischer Lyrik. Doch die Methode ist eine andere, plakativere. Das möchten Komplizen Der Spielregeln offenkundig keinesfalls sein und so wirkt ihr Schaffen hier und da durchaus ein wenig zu klugscheißerisch oder anders gesagt: schlichtweg elitär. Und das schreibt hier einer, der die beiden ersten Alben der Gruppe, die sich inhaltlich durchaus mit dem aktuellen Output vergleichen lassen, wirklich gefeiert hat. Nur eben mit Mitte 20 statt mit Mitte 30 – als Student, der noch dachte, man ist dann klug, wenn man sich möglichst kompliziert ausdrücken kann. Wenn Tocotronic plötzlich von Knutschi-Knutschi singen, statt immer und immer wieder alles zu verklausulieren, dann könnte das doch auch der Kölner Dreier tun, ohne Diskursfreiheit zu riskieren. Vielleicht ist ja das Herz heimlich längst zum neuen Hirn avanciert.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Dazwischen
  • Galore

Tracklist

  1. Top: Content
  2. Oh, Lucy!
  3. Reichlich
  4. Dazwischen
  5. Wenn Du Dich auskennst
  6. Unsere Form
  7. Neu
  8. Galore
  9. Am Silberberg 0

Gesamtspielzeit: 32:56 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Pascal

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 651

Registriert seit 13.02.2013

2019-10-31 08:04:35 Uhr
Hahaha, eigtl. sogar 11/10. Ich werfe ja immer ne Münze, welcher Band ich eine viel zu hohe Wertungen geben soll und welcher eine normale. Hier leider das Glück nicht auf deren Seite. ;)

Das große D mag ich auch nicht. Aber so schreiben wir es halt.

Gordon Fraser

Postings: 2779

Registriert seit 14.06.2013

2019-10-31 00:51:00 Uhr
Keine Ahnung, was das für 'ne Band ist, aber das großgeschriebene "D" tut mir beim Betrachten fast schon körperlich weh.

Zu faul zum einloggen

Postings: 114

Registriert seit 13.07.2017

2019-10-31 00:42:47 Uhr
Ach komm, Pascal, das ist mindestens eine 8/10. Allein der kuhle Bandname!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28493

Registriert seit 08.01.2012

2019-10-30 20:26:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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