Bodega - Shiny new model
What's Your Rupture? / Rough Trade
VÖ: 11.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Konsum und Geschichte
Was ist es denn nun? Bei dem neuesten Output des New Yorker Fünfers Bodega stellt sich die Definitionsfrage. Sieben Songs, ein bisschen mehr als 20 Minuten Laufzeit, da mag so mancher "Das ist eine EP!" schreien. Doch die Band selbst betrachtet "Shiny new model" als Mini-LP, und da schließt sich der Rezensent gerne an. Übrigens, mit dem ungleich längeren Vorgänger "Endless scroll" haben sich Bodega mal eben zum Talk of the town in der unüberschaubaren Indie-Szene New Yorks gemacht. Da traf eine gewisse Avant-Garde-Künstlichkeit auf handfeste Lakonie, mitreißende Songs waren das Endprodukt. Ein bisschen spleenig sind sie ja doch, die fünf Musiker, und wenn sie ein Bandmitglied verlieren, liegt das nicht daran, dass jenes in die Immobilien-Branche eintritt, sondern, wie im Fall der scheidenden Drummerin Montana Simone, weil diese sich ihren Gemälden und Skulpturen widmen will. Zum Glück stand mit Tai Lee gebührender Ersatz parat, sodass "Shiny new model" in Angriff genommen werden konnte.
Und scheinbar war die Band richtig gut im Fluss, der titelgebende Opener rollt lässig voran, kräftige Drums, schlingernde Gitarren und ein Gesang von Ben Hozie, der sich trotz Dringlichkeit seinen Slacker-Gestus bewahrt. Bodega achten dabei auf unaufdringliche Hooks, die sich ganz zielsicher beim Hörer einnisten. Und wenn man schon mal die Melodien lieb gewinnt, achtet man auch gleich viel genauer auf die Inhalte. Konsum-Terror, Wegwerf-Gesellschaft und die Sucht nach ständig neuen Sensationen werden aufgegriffen und auch noch im Spiegel eines abnehmenden Geschichtsbewusstseins betrachtet. Dass dabei viel verloren geht, liegt auf der Hand: "In the treasures of the ancient world / I sense it for the scent of a secret." Der zugehörige Song schafft es, über Groove und ruhige Gitarrenarbeit eine entspannte Atmosphäre zu erzeugen, doch Hozie reibt und schmirgelt wieder gesanglich mit fast klaustrophobischer Alarmbereitschaft an der eingängigen Hook entlang und animiert die Instrumente in seinem Sog zu zivilem Ungehorsam. Wucht und Schmiss hat dann das kurze "No vanguard revival" von Anfang an, ein kleiner Zwischenspurt mit Körperkontakt.
Das in Eigenregie produzierte Album erzeugt zumeist eine unheilvolle Spannung zwischen Gerichtetheit und unterschwelliger Panik. "Knife on the platter" sitzt fest in seinem Rhythmus, die Gitarrenfiguren sind klar abgegrenzt wie autonome Körper, doch durch den männlich / weiblichen Wechselgesang schwappt eine dystopische Unberechenbarkeit in das Stück. Das "Domesticated animal" verwendet dann auf ähnlich enervierende Weise die Percussion, wie man es von Tropical Fuck Storm lieben gelernt hat, bereitet aber nur unzureichend auf den Surf 'n'Roll-Überschall von "Truth is not punishment" vor. Über zehn Minuten wird zwar wieder der rhythmische und melodische Kurs gehalten, so mancher Moment atmet jedoch den Kitzel eines Beinahe-Unfalls. Wenn sich die Gitarren in Trance gniedeln, der Gesang verstohlen nach einem Sauerstoffzelt Ausschau hält und dabei dennoch wieder eine unglaublich eingängige Hook das Licht der Welt erblickt, weiß man: Hier sind Könner am Werk, auch wenn sie so tun, als ob sie das mal eben rausgehauen haben.
Highlights
- Treasures of the ancient world
- Truth is not punishment
Tracklist
- Shiny new model
- Treasures of the ancient world
- No vanguard revival
- Knife on the platter
- Domesticated animal
- Realism
- Truth is not punishment (Long)
Gesamtspielzeit: 22:43 min.
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