Gruff Rhys - Pang!

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 13.09.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Sommerfell
Gruff Rhys ist in der Gegenwart angekommen. Betrachtet man ein genreverachtendes, 20 Jahre altes Werk wie "Guerilla" vor dem Spiegel der heutigen Popmusik, lässt sich eigentlich nur zu einer Konklusion kommen: Super Furry Animals waren ihrer Zeit voraus. Nun befindet sich die Band seit 2009 im Winterschlaf, doch ihr Frontmann Rhys macht unbeirrt weiter, versucht auch ohne die ganz großen Pop-Visionen, relevant zu bleiben. Mit Aufnahmen wie dem orchestralen "Babelsberg" gelang ihm das bisher ziemlich gut, doch "Pang!" löst zunächst nur Schulterzucken aus – ein komplett auf Walisisch gesungenes Album ist weder für ihn selbst etwas Neues, noch in einer Welt, in der K-Pop-Acts wie BTS auch ohne englischsprachige Songs Welterfolge feiern, ein bemerkenswertes Exotikum. Auf ihre Sprache reduzieren sollte man die sechste Solo-Platte des 49-Jährigen aber keinesfalls. Im Zuge des von Damon Albarns mitgegründeten Kollektivs Africa Express traf dieser nämlich auf den südafrikanischen Produzenten Muzi, mit dessen Ideen "Pang!" überhaupt erst zustande kam. Das Resultat, ein Kontinente überschreitendes Aufeinandertreffen von Akustik-Kleinoden mit schillernden Beats und Arrangements, klingt tatsächlich erstaunlich einzigartig.
Im titelgebenden Opener zupft und singt Rhys zurückhaltend, während um ihn herum instrumentaler Hochbetrieb herrscht. Drums vom Ex-Flaming-Lips-Trommler Kliph Scurlock verschachteln sich mit Muzis Beats zu einer Radiohead'schen Polyrhythmik, dazu gesellen sich Bläser, Synthies und Balafon – eine westafrikanische Variante des Xylophons, an welcher der Rezensent schon auf "Ladilikan" von Trio Da Kali und dem Kronos Quartet großen Gefallen fand. Die assoziative Weltreise führt auf "Pang!" aber noch weiter: An manchen Stellen wird mit Bossa Nova und anderen brasilianischen Einflüssen gespielt, "Bae bae bae" klingt mit entspannten Gitarren-Licks und Steel Drums nach Karibikurlaub. Das späte Highlight "Taranau mai", ein vernebeltes Stück jazziger Psychedelic-Pop, deutet mit indischen Tabla-Trommeln auf die andere Seite des Meridians. All die globalen Ambitionen kanalisieren Rhys' Stimme und Melodien auf zugänglichste Weise. Das perlende "Ara deg (Ddaw'r awen)" überträgt einen Virus purer Lebensfreude, obwohl man weder vom Walisischen, noch von den Zulu-Versen am Ende auch nur ein Wort versteht. Dass emotionale Bezugsfähigkeit nicht immer Kenntnisse der jeweiligen Sprache voraussetzt, wissen vor allem die Fans gewisser isländischer Post-Rocker nur zu gut.
Zwar ist es ein bisschen schade um seinen Wortwitz, aber da auch Rhys' englische Texte nicht immer die greifbarsten waren, lässt sich ihre Verschlüsselung verschmerzen. Ein Blick in die Übersetzungen sei dennoch empfohlen, weil sie so mache Erkenntnis zu Tage fördern – dass melancholische Songs wie "Digidigol" oder "Eli haul" Obskuritäten wie eine alberne Abwandlung des walisischen Worts für "digital" oder eine Sonnenschutzanleitung verbergen, etwa. In "Niwl o anwiredd" laufen textliche und musikalische Ernsthaftigkeit zusammen, Rhys sinniert über Fake News und lässt sich von einer einsamen Trompete begleiten. "Pang!" muss sich als Mini-Kritik ein mit der extrem kurzen Laufzeit verbundenes Gefühl von Unfertigkeit gefallen lassen, bleibt aber trotzdem bis zum Ende spannend. Auch der Schlussspurt enthält noch neue Facetten wie Muzis komplett elektronische Produktion in "Ol bys / Nodau clust" oder die Mariachi-Bläser in "Annedd im danedd" – Mexiko hatten wir ja noch nicht als Station. Dem Alphatier der Super Furry Animals gelingt somit wieder ein nach vorne denkender Pop-Entwurf, dem sich gar eine Sonderstellung in der Musikhistorie zuschreiben lässt: Gruff Rhys hat das musikalisch weltoffenste walisischsprachige Album aller Zeiten gemacht.
Highlights
- Pang!
- Niwl o anwiredd
- Taranau mai
Tracklist
- Pang!
- Bae bae bae
- Digidigol
- Ara deg (Ddaw'r awen)
- Eli haul
- Niwl o anwiredd
- Taranau mai
- Ol bys / Nodau clust
- Annedd im danedd
Gesamtspielzeit: 29:46 min.
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Referenzen
Super Furry Animals; Neon Neon; Panda Bear; Animal Collective; Avey Tare; Vampire Weekend; Alt-j; Ariel Pink's Haunted Grafitti; Yeasayer; Dirty Projectors; Hot Chip; Múm; CocoRosie; Of Montreal; The Fiery Furnaces; The Beta Band; The Flaming Lips; The High Llamas; Gorky's Zygotic Mynci; The John Steel Singers; Misty's Big Adventure; Trembling Bells; Sinkane; Africa Express; Muzi; Trio Da Kali; Grimes; Jonathan Bree; Cate Le Bon; Sweet Baboo; Meilyr Jones; TV On The Radio; Dead Can Dance; Radiohead; Weird Al Yankovic
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- https://genius.com/artists/Gruff-rhys
- https://www.songkick.com/artists/210110-gruff-rhys
- https://www.theguardian.com/music/2019/sep/15/on-my-radar-gr uff-rhys-interview
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