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Mike Patton & Jean-Claude Vannier - Corpse flower

Mike Patton & Jean-Claude Vannier- Corpse flower

Ipecac / Rough Trade
VÖ: 13.09.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Das Genie und der Wahnsinn

"Patton halt." Fast ein Stoßseufzer, mit dem der Plattentests.de-Chef dieses Album in der redaktionsinternen "Wer will was?"-Mail ankündigte. Doch was sagen die beiden Wörter schon aus, wenn Mike Patton nicht gerade mit Faith No More oder seinen Schocktherapie-Bands Fantômas und Tomahawk unterwegs ist? Sie könnten genauso verstrahlte Pseudo-Disney-Soundtracks oder entstellte Italo-Schlager bedeuten wie HipHop-Extremfälle oder Hardcore-Gewüte – für weitere Infos siehe untenstehende Referenzenliste. All das ist nämlich keine Option, wenn der Partner Jean-Claude Vannier heißt, anerkanntes französisches Soundtrack-Komponistengenie und einst musikalischer Leiter von Serge Gainsbourgs Klassiker "L'histoire de Melody Nelson". Und siehe da: "Corpse flower" ist die gediegenste Patton-Platte seit langer Zeit.

Oder doch nicht? Die zwölf Songs, für die Vannier in Paris ein Streicher-Ensemble und Patton in Los Angeles eine Band zusammentrommelte, nehmen sich zwar zunächst beinahe künstlerisch aus – dann aber handelt es sich um eine bis über beide Ohren diabolisch grinsende Sammlung von Rachedramen, Mörderballaden und aus dem Ruder laufenden Romanzen. Und trägt Patton diese wie ein sardonischer Seelenschlürfer vor, erinnert er mehr an einen zum Französeln neigenden Mark Lanegan oder an Jim Foetus in dessen zerstörtesten Blues-Momenten denn an den robusten bis wahnsinnigen Rocker, als der er bekannt wurde. Nicht umsonst vertont der Opener "Ballad C 3.3" Oscar Wildes "The ballad of Reading gaol" als knurrige Western-Moritat – manchmal ist es eben doch schön zu hören, dass jeder Mensch das tötet, was er liebt.

Morbid ohne Zucker also? Weit gefehlt – dafür, dass es nicht so weit kommt, sorgt Vannier mit meisterhaften orchestralen Arrangements und perlenden Piano-Etüden, sodass vor allem "Chansons d'amour" und "Insolubles" den gefühlten Leichengeruch beinahe vergessen machen. Geigen seufzen, die Akustische addiert einen Hauch von Ständchen, das Xylophon klöppelt versonnen – und Patton gibt so formvollendet den samtenden, wiewohl mitunter auch grantelnden Crooner, dass man meinen könnte, alles stünde zum Besten. Abgesehen von Ärgernissen wie "Cold sun warm beer", über die sich der Kalifornier in einem hämischen Lounge-Boogie beschwert – nicht ohne zuvor scheinbar einen schwer angetüterten "Tadah tadah"-Backgroundchor aus Peter Thomas' abbruchreifem Schwitzstudio entführt zu haben. Heavy Listening deluxe.

Doch auch wenn "Corpse flower" mit dem Popo wackelt, ist Vorsicht geboten: In der vollmundig groovenden Single "Browning" spricht die gleichnamige Knarre höchstselbst, und der Titelsong lässt eine deliziöse Speisenfolge mit dem Reim "Carnivorous hell / Coco Chanel" ins Abgründige kippen – inszeniert als flockiger Kammer-Pop, für den Vannier ein Stück seines Longplayers "Salades de filles" beleiht. Nach dem schräg durchpfiffenen Swamp-Rocker "On top of the world" hat dann selbst Patton die Nase voll von allen Bitches auf Erden und wendet sich in "A schoolgirl's day" lieber der Unschuld zu – vorsorglich verschweigend, warum die Besungene zur Bettzeit aus dem Fenster steigt. Es gibt nun mal Dinge, die man weder wissen muss noch will. Fürs Erste reicht dieses köstlich detailfreudige Album, auf dem das Böse im Detail steckt. Patton halt.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Ballad C 3.3
  • Browning
  • Corpse flower
  • On top of the world

Tracklist

  1. Ballad C 3.3
  2. Camion
  3. Chansons d'amour
  4. Cold sun warm beer
  5. Browning
  6. Hungry ghost
  7. Corpse flower
  8. Insolubles
  9. On top of the world
  10. Yard bull
  11. A schoolgirl's day
  12. Pink and bleue

Gesamtspielzeit: 44:46 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

fuzzmyass

Postings: 17464

Registriert seit 21.08.2019

2020-02-07 21:58:26 Uhr
Super schönes und entspanntes Album mit Dreck unter den Fingernägeln.. Patton ist irgendwie immer zumindest interessant und nie schwach, egal welche Richtung er einschlägt.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33687

Registriert seit 07.06.2013

2020-02-07 21:13:01 Uhr
Ich musste irgendwie auch an Nick Cave denken. Aber ja, dEUS passt auch. Sehr interessantes Album.

Klaus

Postings: 9918

Registriert seit 22.08.2019

2019-10-04 18:45:00 Uhr
Ziemlich cool, erinnert streckenweise an dEUS.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2019-10-02 23:22:03 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2019-08-23 19:18:15 Uhr - Newsbeitrag
Mike Patton and Jean-Claude Vannier
Corpse Flower
Ipecac Recordings
13 September 2019
Mike Patton (Faith No More, Mondo Cane) and renowned French composer Jean-Claude Vannier, who is perhaps best known for his work with Serge Gainsbourg, release Corpse Flower, a 12-song album featuring the song “On Top Of The World”

“Jean-Claude and I met while working together on a Gainsbourg retrospective at the Hollywood Bowl in 2011,” explains Patton. “We bonded immediately. I could see he had a dedication and attention to detail that was relentless so the respect I had for him in my mind was magnified in person. We spoke loosely about working together in the future… and it took some time, but after a few years I contacted him and we began to ignite some sparks.”
“I would send Mike rough versions of the songs to get his thoughts, then I’d wait impatiently, staring at the clock, until I received his response,” offers Vannier about the process the duo used to create Corpse Flower. “He made my music awaken with his unique perspective and interpretations of my songs. A formidable vocalist, with a sense of humor, Mike and I created a strong, beautiful and sincere collection of music, as well as a friendship.”

A variety of musicians, both in Los Angeles and Paris, took part in the recording of Corpse Flower with the Los Angeles team including Smokey Hormel (Beck, Johnny Cash), Justin Meldal-Johnsen (Beck, Air, Nine Inch Nails) and James Gadson (Beck, Jamie Lidell). The Parisian players are Denys Lable, Bernard Paganotti (Magma), Daniel Ciampolini, Didier Malherbe, Léonard Le Cloarec and the Bécon Palace String Ensemble. The lyrics for “Ballad C.3.3.” are drawn from Oscar Wilde’s “The Ballad of Reading Gaol” poem, which was initially published using the name C.3.3.

Corpse Flower includes special embossed versions featuring Kenro Izu’s stunning cover photo. The album will be available on 180gram coloured vinyl, as well as a CD digipak and digitally.

Mike Patton’s resume is virtually limitless, having kicked off his musical career as a teenager in the band Mr. Bungle, joining Faith No More in 1989 and going on to create a smorgasbord of bands and solo releases including Fantômas, Tomahawk, Mondo Cane, Dead Cross, Lovage and Peeping Tom.

Jean-Claude Vannier, born in Paris during World War II, The Guardian dubbed him “the sound sculptor in Serge Gainsbourg’s shadow,” referencing his extensive work with the French musician including Histoire de Melody Nelson. His career has spanned nine solo records, countless contributions to film and TV scores, and his influence has been cited by numerous musicians including Beck, Pulse, Portishead, Massive Attack, Air and Tricky.
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