Girl Band - The talkies

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Tetanus mit Lachsfisch
Hypnose gefällig? Na schönen Dank. Was da alles passieren kann. Gruselige Beichtstühle. Abscheuliches Gebräu schlürfen. Ein Springteufel mit dem eigenen abgetrennten Kopf. Da kampierte Dara Kiely, Frontmann des maximal irreführend benannten Dubliner Quartetts Girl Band, im Zuge einer psychisch schwierigen Episode nach einer Trennung lieber wochenlang im Garten, statt sich einer solchen Prozedur zu unterziehen. Am Ende begab sich der Ire doch in Behandlung – und schmirgelte anschließend mit seinen Kollegen das ruinöse Noise-Rock-Debüt "Holding hands with Jamie" ein. Und wer auch immer Jamie sein mag – die 45 Minuten dürften sich für sie oder ihn wie ein einziger Elektroschock angefühlt haben. Sei also nicht wie Jamie, sondern hoffe stattdessen, dass "The talkies" es nicht ganz so markerschütternd treibt. Auch wenn's vergeblich ist.
Denn Girl Band haben sich keine Mäßigung verordnet und führen den Hörer ähnlich in die Irre wie auf dem Vorgänger, wo sich "Pears for lunch" nur kurz als halbwegs handelsüblicher Rocksong tarnte. "Going Norway", das Stück mit den eingangs skizzierten Video-Szenarien, macht es nicht anders und zerhackt sich selbst und die scharfen Gitarren derart effektiv, dass es nur so splittert. Das schnappatmende Wobbel-Intro sollte zuvor schon Warnung genug gewesen sein: Hier wird es unwägbar, manisch und nervtötend. Genauso wie im Vorabtrack "Shoulderblades", einem fragmentierten Industrial-Stampfer samt metallischer Percussion-Keule. Kiely klingt dazu natürlich wie Mark E. Smith, der heiser von seiner Wolke herunter pöbelt, weil es ihm erwartungsgemäß ganz und gar nicht passt, was man da gerade mit seinem Erbe anstellt.
Obwohl er stolz sein könnte. Wie der Vierer in "Couch combover" erst die schabenden Riffs aus Bloc Partys "Helicopter" antäuscht und den Song dann in ein beißendes Stahlbad taucht, in dem man viel rennen muss, erweist sich schnell als doppelt so schwer wie Monty Pythons 16-Tonnen-Gewicht. Drunter liegt Kiely – dessen stoischer Singsang sich dabei jedoch fast launig ausnimmt. Es spricht für Girl Band, dass sie solche Grobheiten nicht unbedingt auswalzen müssen, wie man seit der 2014er-Single "The cha cha cha" mit der stolzen Spielzeit von 25 Sekunden weiß: "Amygdala" reicht eine eineinhalbminütige, kreuzmonotone Gitarre-Drum-Figur, damit alles gebrüllt ist. Und der Titel, der das für Angstreaktionen zuständige Hirnareal bezeichnet, erklärt nebenbei das unartikulierte Geschrei des Vokalisten. Wie gesagt: Es wird nervtötend.
Noch wüster gebärden sich "Salmon of knowledge" und "Prefab castle", die mit Andeutungen von Kraut-Jazz und bösen Lärm-Einschüben alle tröstlichen Assoziationen zunichtemachen: Statt allwissendem gibt es an Plastikmüll krepierenden Lachsfisch und statt Traumschloss einen Spukbau mit maschinellem Folterkeller. Sowie das eruptive "Laggard", das besonders gnadenlos zuhackt. Rockmusik? Von wegen: Dieser beeindruckende klanggewordene Wundstarrkrampf ist mindestens so dekonstruktionswütig wie My Discos "Severe" und "They were wrong, so we drowned" von Liars. Oder auch wie These New Puritans' "Field of reeds" – nur mit anderen Mitteln. Bange Frage: Was will dieses Album von uns? Welcher Begriff wird ihm gerecht? Girl Band haben das letzte Wort – und den letzten Track: "Ereignis". Darunter macht es "The talkies" in der Tat nicht.
Highlights
- Going Norway
- Shoulderblades
- Amygdala
- Laggard
Tracklist
- Prolix
- Going Norway
- Shoulderblades
- Couch combover
- Aibohphobia
- Salmon of knowledge
- Akineton
- Amygdala
- Caveat
- Laggard
- Prefab castle
- Ereignis
Gesamtspielzeit: 45:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Deaf Postings: 3135 Registriert seit 14.06.2013 |
2022-03-09 10:56:42 Uhr
Sind nun mit neuem Bandnamen unterwegs:In November 2021, the band announced they were changing their name from Girl Band to Gilla Band. The band stated that they changed their name because it was a "misgendered name" and that their former name could have been "propagating a culture of non-inclusivity." |
Eurodance Commando Postings: 1731 Registriert seit 26.07.2019 |
2021-03-07 21:03:07 Uhr
Auch ein eher neuerer Name und den Sound finde ich auch total interessant. Das Live-Album ist schon krass. |
wilson Postings: 236 Registriert seit 10.08.2015 |
2019-11-17 08:55:07 Uhr
@Dorsch schmeckt besser: bist du dir sicher das du die richtige band meinst? |
Dorsch schmeckt besser Postings: 1 Registriert seit 16.11.2019 |
2019-11-16 22:31:41 Uhr
Großartige Band. Erinnert mich irgendwie an die Wives mit etwas weniger Stress |
saihttam Postings: 2582 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-09-28 01:24:00 Uhr
Abgefahrenes Ding! Bin erst mal etwas überfordert. |
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Referenzen
My Disco; Disappears; FACS; Liars; The Pop Group; Shellac; Big Black; Rapeman; Arsenal; Swans; Daughters; Black Dice; Mi Ami; These Are Powers; Doomsday Student; Shit And Shine; Black Midi; A Place To Bury Strangers; HEALTH; Pop. 1280; His Electro Blue Voice; Battles; Oneida; Kid Millions; Man Forever; People Of The North; Traams; Staer; Xiu Xiu; Sal Mineo; Suicide; Clinic; Suuns; Beak>; Preoccupations; Joy Division; The Fall; These New Puritans; In The Nursery; Pere Ubu; Einstürzende Neubauten; This Heat; Camberwell Now; Swell Maps; Ought; Metz; Pissed Jeans; Show Me The Body; Zulus; Dead Moon; Nirvana; Pixies; The Jesus Lizard; Escape-Ism; 31Knots; White Wine; Bloc Party; Can; Silver Apples; Appliance; Buke And Gase; Plastikman; Underworld; Orphx; Perc
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- Girl Band - The talkies (6 Beiträge / Letzter am 09.03.2022 - 10:56 Uhr)