Alex Cameron - Miami memory
Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 13.09.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Political errectness
Wir schreiben das Jahr 2019. Themen wie Misogynie, Gaslighting, toxische Maskulinität und Co. bringen nicht nur die Kommentarspalten in den sozialen Medien zum Kochen. Doch es ist wichtig und richtig, dass jene Sachverhalte mittlerweile mit der gebotenen Offenheit verhandelt werden, auch wenn der Prozess nicht immer schön und schmerzfrei ist. Alex Cameron hat sich schon immer für diese Dinge interessiert, allerdings stets mit einer gewissen, ironisch gebrochenen Distanz. Sein drittes Album "Miami memory" handelt nun zu einem nicht unwesentlichen Teil von all diesen Irrungen und Wirrungen, von Sex-Arbeit und Ausgrenzung, von Kerlen, die meinen, sich alles nehmen zu können. Dass der Australier dabei nicht moralinsauer herüberkommt, ist eine seiner größten Leistungen. Nein, im Gegenteil: Er wirkt wie der Klassenclown, der im Ernstfall doch die richtigen Sachen sagt, sich seinen regelmäßigen Pimmelwitz aber dennoch nicht nehmen lassen möchte.
Musikalisch baut Cameron selbstverständlich auch weiterhin auf die große Geste: Seine Stimme steht oft und gerne im Fokus, begleitet wird sie von schluffigem Indierock, euphorisiertem Wave-Pop und einer modernen Spielart des Altherren-Genres Yacht-Rock. Nur dass die Yacht in diesem Fall eher ein klappriger Oldtimer ist, dessen Auspuff permanent gegen den Asphalt der Straße bollert. Sein Songwriting ist bei aller Lust am Quatsch nicht selten sensationell: Melodien für Melonen und Hooks, die man allenfalls mit dem Vorschlaghammer an der Schädeldecke aus dem Kopf bekommt. Oftmals versieht er seine gelenkigen Songs mit aberwitzigen Sollbruchstellen. Und seine Lyrics sind ja ohnehin dem gepflegten Wahnsinn verpflichtet. Geschmackssicher sind sie dabei jedoch nur selten.
Eh klar: Zu seinen engsten Buddys zählt Cameron schließlich die beiden anderen bekannten Indie-Schlawiner Mac DeMarco und Kirin J Callinan, da ist die Marschrichtung klar. Seine Stücke handeln also bevorzugt von Themen jenseits der Gürtellinie, in einem Song doowopt Cameron dann auch einigermaßen vergnügt: "Far from born again / She's doing porn again." Aber auch wenn das zunächst witzig, wenn nicht gar albern klingt, so geht es Cameron hier doch vor allem darum, bestimmte Themen aufs Tableau zu bringen, Menschengruppen sichtbar zu machen, ihnen ein Forum, eine Stimme zu geben. Im Musikvideo zu "Far from born again" kommen auch drei Erotikarbeiterinnen zu Wort, in kurzen Interviewschnipseln berichten sie von ihren Erfahrungen und ihrem Alltag.
Im womöglich besten Song der Platte, dem schunkeligen "Bad for the boys", beschreibt Cameron, wie sich das Leben der einschlägigen Boys eben so geändert hat in den letzten Jahren: Man darf nicht mehr alles antatschen, was einem gefällt, nicht mehr alles sagen, was man so denkt, und das breitbeinige Platznehmen in Bus und Bahn ist auch nicht mehr gern gesehen. Damn! Dazu klingt er wie ein leicht angetrunkener Neffe von Billy Joel. Im schrägen Titelsong erklingen dumpfe, sich stoisch wiederholende Beats, während der Australier eine seltsame, aber irgendwie rührende Liebeserklärung an sein Gegenüber abgibt. Und gleichzeitig auch an Miami, eine Stadt, die es dem Künstler wohl angetan hat. Politisch oder gesellschaftlich bedeutsam ist hier dann mal gar nichts, aber ein Klassenclown will manchmal eben auch nur unterhalten: "Making love in your momma's bed / Making love on the floor / Making love in the hotel room / We forgot to shut the door." Und wir waschen uns jetzt lieber man ganz schnell die Augen aus.
Highlights
- Stepdad
- Miami memory
- Bad for the boys
Tracklist
- Stepdad
- Miami memory
- Far from born again
- Gaslight
- Bad for the boys
- End is nigh
- PC with me
- Divorce
- Other ladies
- Too far
Gesamtspielzeit: 38:39 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MasterOfDisaster69 Postings: 972 Registriert seit 19.05.2014 |
2019-11-14 12:32:09 Uhr
singt der bei End is Nigh wirklich:"gonna miss my daughter growing into a man" nehme alles zurueck, 8.5/10, mindestens :-) |
MasterOfDisaster69 Postings: 972 Registriert seit 19.05.2014 |
2019-11-14 12:24:35 Uhr
wirklich keine 8/10. niemals. |
dronevil Postings: 141 Registriert seit 14.08.2019 |
2019-09-13 19:33:17 Uhr
Auf Albumlänge bleibt relativ wenig hängen. Schade, da hätte man sich mehr erhofft. 6/10. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27219 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-09-08 19:42:00 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
dronevil Postings: 141 Registriert seit 14.08.2019 |
2019-08-15 20:07:03 Uhr
Die ersten beiden klingen okay bis gut, das neue muss irgendwie noch aus den Sessions zum Vorgänger stammen. Klingt ja schon sehr, sehr ähnlich. |
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Referenzen
Kirin J Callinan; Mac DeMarco; Father John Misty; Elton John; Tom Petty; Steely Dan; Billy Joel; Seekae; The Killers; Brandon Flowers; Angel Olsen; Gabriel Bruce; Bruce Springsteen; Tom Petty; Pet Shop Boys; Fred Abbott; Suicide; The The; The Chameleons; XTC; Gary Numan; Joy Divison; The Cure; New Order; The Sisters Of Mercy; Echo & The Bunnymen; Nick Cave & The Bad Seeds; The Beatles; Tears For Fears; Talking Heads; Editors; Interpol; The Last Shadow Puppets; EL VY; Fat White Family; Kevin Morby; Angels Of Light; Bauhaus; Peter Murphy; Ariel Pink; Ty Segall; Cass McCombs; Jenny Hval; Arcade Fire; Alexander Marcus
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