Knocked Loose - A different shade of blue

Pure Noise / Soulfood
VÖ: 23.08.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Haudraufwienix
Mal im Ernst: Über harte Musik zu schreiben, ist eine teilweise echt lästige Angelegenheit. Weil einem, wie erst kürzlich im Forum während der Listening-Session zum aktuellen Converge-Album treffend festgestellt wurde, einfach oft nicht viel mehr einfällt als: Ballert gut. Und weil man ständig Gefahr läuft, sich ohne Aussicht auf Wiederkehr in peinlichen Platittüden zu verlieren und was von verteilten musikalischen Schlägen, blutigen Nasen, zertrümmerten Gegenständen und wahlweise bretternden, meternden, rasenden oder sich sonst mehr oder weniger irgendwie fortbewegender Songs stammelt. Selbstverständlich meistens, ohne dabei einen der beschriebenen Tracks wirklich greifen zu können. Die Faszination von Stücken zu erklären, die in vielen Ohren nichts anderes als Krach sind, ist eine fiese Aufgabe.
Die sich selbstredend auch im Falle von Knocked Loose stellt. Und zwar ganz weit im Vordergrund. Schließlich kommt man schon bei der Beschreibung des Quintetts aus Kentucky nicht um die Worte Hardcore, Breakdown und Metal herum. Zumal die Band auf ihrem zweiten Album "A different shade of blue" trotz einer im Vergleich zum Debüt etwas strukturierterer und melodischerer Herangehensweise weit davon entfernt ist, irgendwelche Kompromisse zu machen. Im Gegenteil, Knocked Loose vereinen auf dem Papier alles, was auf den ersten Blick eine stumpfsinnige Brüllaffen-Hardcoreband vermuten lässt: eine meterdicke Produktion, halsbrecherische Hardcore-Abfahrten, Breakdowns, die einen gerne mal – nun ja – mit blutiger Nase zurücklassen könnten, Bryan Garris' stets an der Schmerzgrenze operierendes Geschrei und auch immer wieder ein paar Growls, wenn es denn gerade nötig ist. Beeindruckend ist allerdings die Art und Weise, wie diese Merkmale auf "A different shade of blue" zueinander finden.
Vom ersten Moment an, wenn der Opener "Belleville" das Klangbild vorstellt, das die nächsten 38 Minuten – Plattitüde im Anflug – keine Gefangenen machen wird, spürt man nämlich, dass es eine Folgerichtigkeit im Schaffen dieser Band gibt. Dass hier nicht blinde Wut um ihrer selbst Willen vertont wird, sondern ein Rädchen trotz der martialischen Sounds geradezu spielerisch ins andere greift. So braucht man dann auch ob der zahlreichen Intensitäts- und Richtungsänderungen des Songs fast schon eine detaillierte Wegbeschreibung, um den Überblick nicht zu verlieren. Breakdowns, die schon gestern in der Zeitung standen? Dusseliges Doublebass-Gekloppe ins Nirgendwo? Affektiertes Posergeschrei? Sucht man hier alles vergebens. Dafür bekommt man Songs, die Bryan Garris' Ängste und Traumata verhandeln, die außerdem keine Lust haben, allzu lange auf der selben Idee herumzureiten und stattdessen immer auf der Suche nach der nächsten Abfahrt zu neuen Überraschungen sind. Songs wie "A serpent's touch", dessen erste Takte live sicherlich für viel Freude und Bewegung im Moshpit sorgen werden und das nebst eines Gastauftritts von Dying Wishs Emma Boster voll ist von Tempowechseln und unverhersehbaren Wendungen.
Überhaupt kann man über die volle Spielzeit kaum vorausahnen, wo genau die zwölf Songs als nächstes hin wollen werden. "By the grave" etwa wird mit viel Hall vorstellig und könnte von dort an so ziemlich in jede Spielart harter Musik abbiegen, entscheidet sich aber erstmal für eine Runde Hardcore in Höchstgeschwindigkeit und spuckt seine Hörer zum Schluss doch irgendwo bei Sludge aus. "...And still I wander south" ist kurz vor Schluss sogar so nett, seinen Hörern wenigstens für ein paar Sekunden eine Verschnaufpause zu gönnen. Man kann es Knocked Loose dabei nicht hoch genug anrechnen, dass man während der 38 Minuten eben diese Pausen nicht herbeisehnt. Wo man bei so vielen Knüppelkapellen nach einigen Songs einigermaßen abgestumpft reagiert, ist man auch nach wiederholtem Genuss von "A different shade of blue" noch immer beeindruckt, wie gewitzt und präzise hier vorgegangen wird. Wer will, kann behaupten, Knocked Loose würden Hardcore auf ein neues Level heben. Oder einfach sagen: Ballert gut!
Highlights
- A serpent's touch (feat. Emma Boster)
- By the grave
- ...And still I wander south
- Misguided son
Tracklist
- Belleville
- Trapped in the grasp of a memory
- A serpent's touch (feat. Emma Boster)
- By the grave
- In the walls
- Guided by the moon
- Mistakes like fractures
- Forget your name (feat. Keith Buckley)
- Road 23
- ...And still I wander south
- Denied by fate
- Misguided son
Gesamtspielzeit: 38:08 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fakeboy Postings: 5887 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-02-03 19:12:28 Uhr
Geht sich jemand das Paket Knocked Loose/Deafheaven anschauen? Das einzige Schweizer Datum passt mir leider nicht. Kann mir nicht vorstellen, dass das für Deafheaven eine befriedigende Tour wird. Ausser sie lassen konsequent das Material des letzten Albums weg. |
Klaus Postings: 10754 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-01-17 21:32:47 Uhr
Versteh das Package auch nicht so ganz und Deafheaven waren live absolut furchtbar. Nunja, zweite Chance und so. |
boneless Postings: 6253 Registriert seit 13.05.2014 |
2024-01-17 21:30:27 Uhr
No offense, aber das ist die letzte Gruppe, die ich als Vorband von Knocked Loose haben möchte. |
Klaus Postings: 10754 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-01-17 17:27:53 Uhr
Oh, okay, gibt eine offizielle Meldung: "Nach vier restlos ausverkauften Headline Shows im Sommer 2023 kommen Knocked Loose mit ihrem brachialen Sound für fünf Konzerte zurück nach Deutschland. Mit der Blackgaze Band Deafheaven haben sie zudem einen spannenden Support im Gepäck, der mit seinem vielseitigen Sound eine weitere spannende Facette mit sich bringen wird." via Veranstalter |
Klaus Postings: 10754 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-01-17 17:24:35 Uhr
Nehmt das bitte nicht als fixe Zusage oder so, also Gerücht: Angeblich sind Deafhaven der Toursupport. Auf reddit gibt es Posts dazu, eine Show haben Deafhaven selbst bestätigt, eine andere findet sich im Cache einer Ticketbude... :) |
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Referenzen
Varials; Kublai Khan; Counterparts; Incendiary; Jesus Piece; Sanction; Vein; Code Orange; Harm's Way; Stray From The Path; Desolated; Year Of The Knife; Gideon; The Aciaca Strain; Left Behind; Malevolence; Stick To Your Guns; Every Time I Die; Hatebreed; Pantera; Obituary; Nasty; The Ghost Inside; Sworn In; Judiciary; Currents; Suburban Scum; Xibalba; The Plot In You; Wage War; No Zodiac; Cursed Earth; Grate American Ghost; Terror; Converge; Botch; Killing Joke; Nails; Kreator; Slayer; Pantera; Crowbar; Danyl Jesu; Breach; Full Of Hell; Baptists; Homewrecker; Weekend Nachos; Birds In Row; United Nations; Between The Buried And Me; The Dillinger Escape Plan; Haste; Curl Up And Die; Meshuggah; Wolf Down; Nailbomb; Ministry; Norma Jean; Neurosis; Shai Hulud; Comeback Kid; The Bronx; Centuries; All Pigs Must Die; Gaza; Himsa; Presagers
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