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Gross Net - Gross net means gross net

Gross Net- Gross net means gross net

Felte / Cargo
VÖ: 30.08.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Theresa hat's gewusst

In Kürze ist er geschafft: der Brexit. Oder doch nicht? Vielleicht verfasst Donald Trump ja bald einen Fake-News-Tweet mit dem Inhalt "England voted IN, you moron", taggt seinen neuen Freund Boris Johnson, und schon ist der Spuk vorbei. Doch damit ist nach menschlichem Ermessen nicht zu rechnen, und so wird beim EU-Austritt besonders Nordirland in die Röhre gucken: Die Teilrepublik, die mehrheitlich für einen Verbleib in der EU stimmte, befürchtet vor allem eine Verschlimmerung ihrer ohnehin misslichen ökonomischen Lage sowie das Wiederaufflammen des Bürgerkrieges. Was das alles mit "Gross net means gross net" zu tun hat? Der Titel beleiht deutlich Theresa Mays zweckoptimistischen Satz "Brexit means Brexit", und in allen zehn Stücken schwingt das Unbehagen mit, das den Nordiren Philip Quinn bei diesem Thema beschleicht.

Nicht umsonst benennt der frühere Gitarrist der aufgelösten Belfaster Art-Post-Punks Girls Names ein Interlude nach der ehemaligen Premierministerin – der Frau, die Gegner und scheinbare Verbündete im Parlament so lange vor den Briefkasten laufen ließen, bis sie sich schießlich selbst evakuierte. Doch zurück zu Quinn: Den plagen nicht nur die unguten politischen Entwicklungen, wie 2016 schon sein Gross-Net-Debüt "Quantitative easing" mit Titeln wie "Citalopram" oder "Dead industry" belegte. Immerhin: Ganz so eisig und von sämtlichen Indie-Merkmalen entkernt wie Ex-Bandkollege Cathal Cully mit seinem neuen Standbein Group Zero gibt sich Quinn auf "Gross net means gross net" nicht. Doch was einmal mit Lo-Fi-Gitarren begann, ist längst in ein brütendes elektronisches Etwas umgeschlagen, bei dem betrübtes Croonertum auf Cold-Wave-Tristesse trifft.

Missmutige Knatter-Bässe, Spinnweben-Keyboards, entleibte Shoegaze-Riffs – so trostlos klingt die "World of confusion", die sich immer wieder in unscharfen Schlieren aus Dark Ambient und kokelnden Torch-Songs verliert. In "Shedding skin" oder "Dust to dust" gibt Quinn zu einsamen Piano-Tropfen und abgewetzten Synthie-Teppichen den verhinderten Dandy, wobei Drone- und Noise-Einschübe eher wie kurze Verzweiflungstaten denn wie zielgerichtete Attacken wirken. Schneller auf den Punkt kommt die Single "Gentrification", in der Quinn den Strukturwandel der Seele erstmals komplett auf die Tanzfläche zieht – circa im gleichen Sinne, wie es Troy Pierce mit seinem songorientierten Projekt Louderbach 2007 auf "Autumn" vormachte. Moral: Egal, ob Belfast, London, Berlin oder Paris – scheiße fühlen kann man sich überall.

Entsprechend hat Quinn nach der Hälfte dieses tollen Albums allmählich die Faxen dicke: "Of late capitalism" ruft zu schroffen Analog-Beats und Klagechor das Ende einer pervertierten Marktwirtschaft aus, das dieser zweifelsohne recht geschieht. Dass man die Moritat "The indignity of Labour" im letzten Wort groß schreiben sollte, wird spätestens dann klar, wenn Quinn die Äußerungen der gleichnamigen Partei mit einem hämischen "Bla bla bla" parodiert. Und einen hat er noch – nämlich die EBM-Grobheit "Social nationalists", die dem Hörer einen knackigen Tritt Richtung düstere Zukunft verpasst. Wie in dieser wohl die Interludes heißen werden? "Not now Johnson"? "Boris the spider"? Und was würden Roger Waters und John Entwistle dazu sagen? Doch so ist er nun mal, der Brexit: Man weiß nie, ob und was als nächstes kommt.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Gentrification
  • Of late capitalism
  • Social nationalists

Tracklist

  1. Light introduction (for Will)
  2. World of confusion
  3. Shedding skin
  4. Theresa May
  5. Gentrification
  6. Of late capitalism
  7. Dust to dust
  8. Damascene conversion
  9. The indignity of Labour
  10. Social nationalists

Gesamtspielzeit: 43:24 min.

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Armin

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2019-08-31 20:47:09 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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