Obstler - Demonji

Martin Hossbach
VÖ: 12.07.2019
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Jeder hasst es
Ausflüge populärer deutscher Musiker in fremde Gefilde haben eine lange Tradition. Angefangen bei den Toten Hosen, die sich unter dem Namen Die Roten Rosen Schlagerliedern und Chansons annahmen, über das Genre-Chamäleon Jan Delay, dessen Rock-Versuche auf "Hammer & Michel" eher mit dem Prädikat "stets bemüht" beurteilt wurden, bis hin zu Schlager-Star Heino, dessen Cover-Album "Mit freundlichen Grüßen" dem in die Jahre gekommenen Sänger zu einem zweiten Karriere-Frühling verhelfen konnte. Max Rieger mag im Mainstream deutlich weniger präsent sein als die besagten Künstler, der Stuttgarter ist in der deutschen Indie-Szene jedoch längst eine Koryphäe: Sänger bei Die Nerven, Produzent von Drangsal, Ilgen-Nur oder Jungstötter und lebende Twitter-Legende inklusive oftmaliger Erwähnung beim Podcast "Mit Verachtung" von Casper und dem bereits erwähnten Drangsal. Bereits hier war Riegers lange angekündigtes Black-Metal-Album ein Thema, und nachdem es in zwei Jahren zum Szene-Running-Gag avancierte, erschien unter dem Pseudonym Obstler nun unverhoffterweise eine acht Songs starke Kassette: "Demonji".
Die Namen dürften schon Anlass zur Vermutung geben, Rieger könnte es mit seinem Projekt nicht zu einhundert Prozent ernst meinen – das Artwork mit dem Teufels-Emoji sollte jeden Zweifel daran beseitigen. Und tatsächlich zeichnet sich "Demonji" weniger durch Innovation innerhalb des gewählten Genres als durch bewusste Reproduktion der stilistischen Charakteristika aus, wegen der sich Black Metal nach wie vor großer Beliebtheit erfreut: Nach dem geräuschhaften Intro "Inferno" bestätigt das erste Musikstück mit dem klischeebehafteten Titel "Welcome back, Satan!" jegliche Vorurteile über die dunkelste aller Metal-Spielarten, wenn es ein viel zu repetitives Gitarrenriff, ein stumpf ballerndes Schlagzeug sowie wort- und somit inhaltsloses Gekrächze unterbringt.
Wer nun behauptet, Rieger würde sich über die bierernste Musikrichtung lustig machen, greift zu kurz. "Demonji" ist gleichzeitig Hommage und Parodie, kürzt den Black Metal auf seine wesentlichsten, minimalistischsten Bestandteile herunter. Das unübersehbare Augenzwinkern muss dabei unweigerlich mit betrachtet werden, ein großes Faible für die schwarze Soundästhetik der Musik kann Rieger aber nicht abgesprochen werden. In "Divine divide" kündigt er mithilfe eines konservativ klingenden Nachrichten-Samples den Verstörungsfaktor der Musik an ("What you are about to hear is very disturbing indeed") und fackelt mit Riff-Minimalismus und Halftime tatsächlich ein kleines Black-Metal-Feuerwerk ab, nur um auf dem Titeltrack wieder ironisch die unverständlich-geröchelten Lyrics der aus Skandinavien stammenden Musik zu persiflieren. Nach dem pompösen Intro von "Hell awaits" lässt die Verwendung cleanen Gesangs dann zum ersten Mal tatsächlich so etwas wie Songwriting erahnen.
Ungewöhnlicherweise entspricht "Demonji" in vielerlei Hinsicht zwar den Mechanismen des Black Metals, in puncto Songlängen könnte es aber nicht gegenteiliger sein: Die acht Songs von "Demonji" fackelt Obstler in gerade einmal knapp 13 Minuten ab. Wie gesagt, man sollte Riegers Ansatz, ein Black-Metal-Album zu produzieren, nicht zu ernst nehmen – selbstverständlich können das viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Genre selbst besser. Als postmodernes, popkulturelles Crossover-Produkt bleibt es dennoch hochinteressant, und das nicht zuletzt wegen der oft unweigerlich gelungenen Arrangements. In Zukunft freut sich der Rezensent aber wieder auf Noise-getränkten Post-Punk samt lyrischem Nihilismus aus Stuttgart. Mit vielen Erwartungen ist Rieger diese Veröffentlichung anscheinend ohnehin nicht angegangen – um einen Post seines mittlerweile gelöschten Twitter-Accounts zu rezitieren: "Wie ich einfach seit zwei Jahren an meinem Black-Metal-Album arbeite und ausnahmslos jeder, dem ich es vorspiele, es hasst."
Highlights
- Divine divide
- Hell awaits
Tracklist
- Inferno
- Welcome back, Satan!
- 9th circle
- Demonji
- Divine divide
- Lucifer's tomb
- Three faces
- Hell awaits
Gesamtspielzeit: 12:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Peacetrail Postings: 4129 Registriert seit 21.07.2019 |
2020-06-05 22:59:08 Uhr
Rainer, bitte kurz wegsehen, ich schreibe was von Sufjan, der den Unterschied zwischen Album und EP auch nicht kennt. Laufzeit der All delighted people EP: 59 min 15 sec |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34611 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-06-05 21:43:24 Uhr
Lustig, dass die EP doppelt so lang ist wie das Album. :D |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11384 Registriert seit 23.07.2014 |
2020-06-05 21:38:39 Uhr
:D Hör mal den Nachfolger, wirklich tausend Mal besser. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34611 Registriert seit 07.06.2013 |
2020-06-05 21:26:57 Uhr
Die zwei grumpy grandfathers des Forum.Mir persönlich ist das Album leider etwas zu lang. |
Xavier Postings: 448 Registriert seit 25.04.2020 |
2020-06-05 19:44:41 Uhr
Schlimm. |
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Referenzen
All Diese Gewalt; Die Nerven; Venom; Darkthrone; Immortal; Emperor; Sarke; Isengard; Bathory; Celtic Frost; Hellhammer; Mercyful Fate; Triptykon; Borknagar; Ihsahn; Abbath; Mayhem; Carpathian Forest; Satyricon; Watain; Enslaved; Mantar; Schammasch; Belphegor; Impaled Nazarene; Kampfar; Nifelheim; Darkened Nocturn Slaughtercult; Possessed; Deströyer 666; Wolves In The Throne Room
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