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Die Höchste Eisenbahn - Ich glaub Dir alles

Die Höchste Eisenbahn- Ich glaub Dir alles

Tapete / Indigo
VÖ: 16.08.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Aus high wird low

"Aufregend und neu" heißt der Opener des dritten Albums der kleinsten Supergroup der Welt, Die Höchste Eisenbahn. Nimmt man den Titel wörtlich, steigert sich bereits beim Lesen der Tracklist von "Ich glaub Dir alles" die Vorfreude auf den neuen Output der Truppe um die beiden Sänger Francesco Wilking und Moritz Krämer. Einzig, so aufregend ist die Platte gar nicht und so neu ist das, was Die Höchste Eisenbahn da auffahren, nun auch nicht. Den Hörer erwartet abermals flott-beschwingter Gitarren-Orgel-Pop, der diesmal aber weitestgehend die herzzerreißenden Momente vermissen lässt, wie man sie zum Beispiel von "Isi" von "Schau in den Lauf, Hase" oder "Gute Leute" von "Wer bringt mich jetzt du den Anderen" kennt.

Das hört man schon im erwähnten Einstiegssong heraus, der nicht nur eins zu eins die "Uh-uh-uh"-Chöre von Thees Uhlmanns "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf" klaut, sondern dessen Musik spätestens dann einen Hauch zu fröhlich für die Lyrik ist, wenn Krämer und Wilking abwechselnd den Optimisten und den Pessimisten mimen: "Alles ist verloren / Quatsch, alles ist in Ordnung." In "Kinder der Angst" geht es zwar zunächst etwas ernster zu, doch das Uptempo übernimmt recht schnell und verschiebt die Stimmung abermals ins Knallbonbonartige. Das ist trotzdem ein super Popsong, bei dem einerseits die Gitarre hervorsticht und andererseits die Textzeile "Ich sing solange, bis Ihr mich alle liebt." Gekuschelt wird in "Zieh mich an", aber "Sex in der Umkleide von H&M" war damals spannender. Bock macht dafür der Rhythmus und mithin das Schlagzeug von "Job". Vielleicht aber ist er ein bisschen zu flott für die Erkenntnis "Du machst Dir nichts aus mir"? Völlig losgelöst von jeglicher Bodenhaftung erscheint schließlich "Rote Luftballons", das, nun ja, von roten Luftballons handelt, hunderte sind es sogar. Den Ohrwurm wird man allerdings so schnell nicht mehr los. Vielleicht ist es das "Ob-La-Di, Ob-La-Da" von Die Höchste Eisenbahn: Sinn fraglich, aber trotzdem ein großer Hit. Auch "37,5°" naht mit diskotauglichem Schwung: Wenn man ein Stück der Platte im Club spielen wollte, es wäre dieses hier.

Nur einmal auf "Ich glaub Dir alles" widmen sich Die Höchste Eisenbahn ihrem Spezialgebiet der direkten Ansprache einer Person, wie man es von "Isi", "Lisbeth", "Tilmann", "Mira", "Timmy" und wie sie alle heißen schon kennt. "Louise" ist gleichermaßen überall wie nirgendwo. Man findet sie im "Fernsehen in der Werbung für das beste Netz" und man gewinnt den Eindruck, dass "Alexa" vielleicht der passendere Name für das besungene Geschöpf sein könnte. Zwischenmenschliches spielt auch in "Derjenige" die Hauptrolle: Die Höchste Eisenbahn bekennen sich zum Beziehungs- und Familienleben, was schließlich in einem hübschen Orgel-Solo gipfelt. Wenn die Platte doch einmal etwas nachdenklicher wird, wie etwa in "Überall", kehrt dennoch keine Stimmung ein. In diesem Fall wird sie von fast ein wenig zu progressiv eingesetzten Synthies zerklüftet, die hier und da auf "Ich glaub Dir alles" mal wieder Einzug halten. Einzig im Closer "Umsonst" gelingt es der Band mal eine Spannung aufrecht zu erhalten, ohne dass die Musik sich im Schabernack entladen muss. Der Song kritisiert die Kostenloskultur und setzt künstlerischen Wert und Geld mit weinendem Auge in Bezug.

Die Höchste Eisenbahn können kein schlechtes Album machen. Wie auch, mit einer solchen Besetzung – nicht zu vergessen, dass mit Max Schröder ein weiteres Musik-Genie Mitglied der Band ist und auch den Beitrag von Felix Weigt sollte man nicht schmälern. "Ich glaub Dir alles" hat starke Momente, ist weitestgehend unterhaltsam, aber es ist mit Sicherheit auch das Album der Berliner, das am wenigsten Durchschlagskraft besitzt, weil ihre Geschichten hier größtenteils weniger tiefgreifend erscheinen, als man es von der Gruppe gewöhnt ist. Zu viel Zuckerwatte ist nicht gut, sie bleibt im Bart kleben und macht Diabetes, oder anders: Wenn die Dramaturgie nur high kennt, wird daraus auf Dauer irgendwann low. Ein wenig mehr Spannungsbogen hätte "Ich glaub Dir alles" gut getan.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Rote Luftballons
  • Umsonst

Tracklist

  1. Aufregend und neu
  2. Kinder der Angst
  3. So siehst Du nicht aus
  4. Zieh mich an
  5. Job
  6. Enttäuscht
  7. Rote Luftballons
  8. Louise
  9. Derjenige
  10. Überall
  11. 37,5°
  12. Umsonst

Gesamtspielzeit: 47:12 min.

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User Beitrag

hesmovedon

Postings: 76

Registriert seit 20.10.2019

2019-10-22 21:48:19 Uhr
Mal schauen ob es beim jahrespoll wieder in die top 10 kommt.
Es ist leider nicht so gut wie die Vorgänger Alben. Nicht so viel Abwechslung und die Texte sind auch schwächer. Trotzdem höre ich es gerne, diese Band gehört einfach unterstützt.
Von mir gibt es 7 von 10

Grizzly Adams

Postings: 4585

Registriert seit 22.08.2019

2019-08-24 09:43:07 Uhr
Moin. Muss leider auch sagen, dass mich das neue Album nicht umhaut. Hinten raus wird es stärker, entwickelt sich der eine oder andere Song möglicherweise noch Playlist-tauglich, aber insgesamt bin ich, ja muss ich so klar sagen, arg enttäuscht.
Ist wahrscheinlich einfacher, so zu fühlen, wenn die ersten beiden Alben so absolut stark waren. „Schau in den Lauf Hase“ dabei sogar eines der deutschsprachigen Lieblingsalben bis heute!
Ich drücke der sympathischen Band die Daumen, dass es beim nächsten Mal wieder besser gelingt, Musik und Texte in Einklang zu bringen. Diesmal versprüht leider auch das stimmliche Zusammenwirken von Moritz Krämer und Francesco Wilking keinen nachhaltigen Charme.

Pascal

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 651

Registriert seit 13.02.2013

2019-08-20 21:33:44 Uhr
VG Ihr Kundensupport
Söööören
2019-08-20 20:52:28 Uhr
Stimmt, ich glaube das ist es :)

Pascal

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 651

Registriert seit 13.02.2013

2019-08-20 20:18:20 Uhr
Mich erinnert er ein bisschen an "Boys don't cry" von The Cure, sobald die Melodie einsetzt.
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