Jambinai - ONDA

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 07.06.2019
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Musik für eine Welt
Wir haben 100 Leute gefragt, was ihnen als erstes zu südkoreanischer Musik einfällt. Für 98 von ihnen war die Antwort klar: "K-Pop natürlich." Einer verwechselte den Norden mit dem Süden und nannte The Morabong Band, die Lieblingsgruppe Kim Jong-Uns. Und einer, wahrscheinlich Wintersportfan, lächelte wissend und sagte: "Jambinai." Durch einen Auftritt bei der Schlussfeier der Winterspiele von Pyeongchang wurden erstmals Menschen außerhalb eingeweihter Kreise auf die Band aufmerksam. Die Musiker stammen aus Seoul und kombinieren auf ihren Alben traditionelle koreanische Instrumente und Kompositionstechniken mit westlichem Post-Rock. Derlei Mashups sind sicherlich keine neue Idee, doch der Reiz von Jambinai wurzelt tiefer. Ihr Sound ist nicht nur eigenständig, sondern einzigartig. Und ihre Musik berührt.
Schon ihre ersten beiden Alben "A hermitage" und "Differance" waren großes Kino, mit dem dritten Alben "ONDA" dürfte der Band nun endgültig der große Sprung gelingen. Weiterhin nehmen die Haegeum, ein Streichinstrument mit nur zwei Saiten, und die Geomungo, eine koreanische Form der Zither, eine prominente Rolle im Sound ein. Diese fernöstlichen Klänge treffen auf eine klassische Rock-Besetzung, wobei Jambinai ein Faible für simple, aber effektive Motive haben. Oftmals steht eine Idee minutenlang im Raum und wird nun minimal variiert, bis schließlich der große Knall erfolgt. Der Opener "Sawtooth" folgt diesem Muster eindrucksvoll. Im Gegensatz zu früheren Werken nehmen diesmal Gesangselemente eine wichtigere Position ein. Diese können mal wehmütig, mal manisch ausfallen. So wütend wie in "Event horizon" klangen die Koreaner beispielsweise nie. Im Gegensatz dazu begeistert "Square wave" mit einer schwebenden Gesangsmelodie, die einen herrlichen Kontrast zum Tosen der Instrumente bildet.
Am besten sind Jambinai allerdings immer dann, wenn sie sich Zeit lassen. So dauert "In the woods" 13 Minuten, wobei zu keiner Sekunde Langweile aufkommt. Behutsam, fast vorsichtig tasten sich die Musiker voran, ehe die verschiedenen Fäden in einem furiosen Finale zusammenlaufen. Überhaupt gibt es auf "ONDA" kein Füllmaterial. Mehr denn je gehen die Songs fließend ineinander über, wobei manche Motive und Stimmungen in mehreren Tracks auftauchen. Auf diese Weise gewinnt das Album nicht nur an Kohärenz, sondern auch an Eindringlichkeit. So verbreitet das Intro von "Sun. Tears. Red." zunächst Ruhe und Frieden. Was folgt, ist eine Eskalation erster Güte. Der Song schlägt Haken, steigert sich unaufhaltsam, bevor sich die Widersprüche in Katharsis verwandeln. In einer Welt, die um den Verstand ringt, ist es manchmal geboten, Ballast abzuwerfen.
Jambinai wissen um die Vorteile des Reisens mit leichtem Gepäck. Bei aller instrumentalen Komplexität sind ihre Songs erstaunlich eingängig. Immer wieder gibt es Melodien, die sich tagelang im Gehör festbeißen. Will man den Reiz von "ONDA" begreifen, empfiehlt sich der Konsum des Titelsongs. Auch hier geht die Band weit über die Crescendo-Formel hinaus. Der Song beginnt mit einem rastlosen Groove, der das Fundament für die gleichzeitig simpelste und betörendste Gesangslinie des Albums bildet. Diese verliert sich zunächst im Gebrüll der Verstärker, taucht dann jedoch, von einem Chor gesungen, imposanter denn je wieder auf. Das ist so verdammt groß, dass Vergleiche unsinnig werden. Musik ist die Sprache, die alle Menschen verstehen. Prädikat für Jambinai: verhandlungssicher.
Highlights
- Square wave
- Event horizon
- In the woods
- ONDA
Tracklist
- Sawtooth
- Square wave
- Event horizon
- Sun. Tears. Red.
- In the woods
- Small consolation
- ONDA prelude
- ONDA
Gesamtspielzeit: 50:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Klaus Postings: 10332 Registriert seit 22.08.2019 |
2023-04-24 14:28:38 Uhr
Gibt übrigens von Ende 2022 noch eine schöne EP der Band, die sich hier gut einfügt. "Apparition" |
Gomes21 Postings: 5342 Registriert seit 20.06.2013 |
2023-04-09 14:36:39 Uhr
Find's auch immer noch richtig gut! |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20158 Registriert seit 10.09.2013 |
2023-04-09 10:17:55 Uhr
Liebe das Album, vor allem "Event horizon" und "In the woods". |
Speedy Postings: 292 Registriert seit 10.02.2021 |
2023-04-09 07:56:53 Uhr
War mal ganz nett für zwischendurch. Richtig und vor allem auf Dauer hat das Ding bei mir nie gezündet. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34223 Registriert seit 07.06.2013 |
2023-04-08 15:39:16 Uhr
Oh ja, tolles Album. |
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Referenzen
Swans; Grails; Lost In Kiev; Eloise; Nell; Cult Of Luna; Lite; Russian Circles; Rosetta; Mono; Huckleberry Finn; Blosi; Wang Wen; The Evpatoria Report; A Silver Mt. Zion; Godspeed You! Black Emperor; Toundra; Amenra; Tangled Thoughts Of Leaving; World's End Girlfriend; We Lost The Sea; Achime; Sannhet; Heaven In Her Arms; Meniscus; Crippled Black Phoenix; Bossk; Caspian; And So I Watch You From Afar; Sleepmakeswaves; Planning For Burial; East Of The Wall; Kokomo; Mouth Of The Architect; Intronaut; Merkabah; Palms; MAAN; Donawhale
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