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Sinkane - Dépaysé

Sinkane- Dépaysé

City Slang / Rough Trade
VÖ: 31.05.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

All around the world

Heute mal Französischkurs: Das Adjektiv "dépaysé" lässt sich wortwörtlich etwa als "entlandet" übersetzen und bezeichnet ein Gefühl der Fremdheit und Verwirrung, das man losgerissen von seiner heimatlichen Umgebung empfindet. Ahmed Gallab wurde als Kind sudanesischer Eltern in London geboren, verbrachte Teile seiner Kindheit im Sudan und lebt seit dem Alter von fünf Jahren als Immigrant in den USA. Vom oben beschriebenen Gefühl kann er also nicht nur eins, sondern gleich neun Lieder singen, weswegen der Titel für sein bereits sechstes Album sich vermutlich aufdrängte. Gallab, der sich mit seiner aus unterschiedlichsten Ecken der Welt stammenden Band Sinkane nennt, hat sich den bisher persönlichsten Zugang zu seiner Mischung aus Afro-Pop und psychedelischem Retro-Funk gelegt, was aber nichts am ausschweifenden, bunten Charakter der Musik ändert. Nun hat sich in all seinen Heimatländern in den letzten Jahren so einiges getan – von Trump über den Brexit bis zur jüngsten Absetzung des sudanesischen Diktators Umar al-Baschir –, weswegen "Dépaysé" neben Reflexionen über die eigene Identität auch nicht ohne politische Andeutungen auskommt. Doch der Ton bleibt durchweg ein optimistischer und fröhlicher, frei von Wut oder Hass.

Es ist sicher kein Zufall, dass die ersten beiden Songs "Everybody" und "Everyone" heißen. Ersterer bringt alle Charakteristika von Sinkanes Sound in einer grandiosen kleinen Suite unter und reicht in seiner Zelebration des ultimativen Gemeinschaftsgefühls sogar Trump die Hand: "Mercy to the ones who keep sayin' 'Make America Great Again' / Don't you know we're all on the same team?" Das kürzere, näher an moderneren Pop angelehnte "Everyone" schlägt wenig überraschenderweise in die gleiche Kerbe, preist eine universelle Liebe, die von keiner Religion oder Staatsgewalt eingeschränkt werden kann. Gallabs Gedanken mögen naiv sein, er zeichnet damit aber wohltuende Utopien, die er immer in die passende musikalische Form bringt. Doch er kann auch ernstere Töne anschlagen: "On being" thematisiert die Macht von Lügen und Halbwahrheiten als Unterdrückungsapparat, verpackt in ein dringliches Stück mit wirkungsvollem Hintergrundgesang und einem sich intensivierenden Sog in der zweiten Hälfte. Im fröhlichen, mitsingbaren Reggae-Vibe von "Stranger" übt Gallab Kritik am Islam: "So I get down on my knees / I bow down facing East / Starve myself to know you better / Hoping that I would find my peace / But still I felt incomplete."

Der kulturelle Brückenschlag von "Dépaysé" umfasst den Inhalt ebenso wie die globale Einflüsse umspannende Ästhetik. Gallabs Vortrag klingt die meiste Zeit über auffallend amerikanisch, huldigt im mächtigen Titeltrack aber seiner Herkunft, indem er inspiriert von einem Traum mit seinem Vater auf Englisch und Arabisch singt – passenderweise auch musikalisch das Highlight mit seiner Fusion von Gitarren-lastigem Siebziger-Blues und äthiopischem Jazz, der auch schon das erwähnte "On being" geprägt hat. Auch "Ya Sudan" bildet seine Ehrung einer gefächerten Identität gekonnt ab, verbindet traditionell afrikanische Ansätze mit europäischem Synthie-Pop. Zwar versammeln sich die größten Höhepunkte des Albums allesamt in der ersten Hälfte, doch auch dem Schlussdrittel geht nie die Luft aus. Da kommt das subtil orgelnde "Be here now" (kein Oasis-Cover) inklusive passioniertem Refrain noch einer Ballade am nächsten, während sich "The searching" über fast sechs Minuten die Seele aus dem Leib groovt. Mit luftigen Reggae-Rhythmen landet "Mango" schließlich auf einer sonnengeküssten Urlaubsinsel, Gallab findet nach all dem Hochbetrieb zur Ruhe und weiß nur noch: "You put the sunshine in my day." Natürlich konnte "Dépaysé" nur mit einem waschechten Liebeslied enden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Everybody
  • On being
  • Dépaysé

Tracklist

  1. Everybody
  2. Everyone
  3. On being
  4. Dépaysé
  5. Ya Sudan
  6. Stranger
  7. Be here now
  8. The searching
  9. Mango

Gesamtspielzeit: 40:45 min.

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User Beitrag

Loketrourak

Postings: 2636

Registriert seit 26.06.2013

2019-07-02 12:55:17 Uhr
Finde ich musikalisch leider etwas belanglos. Momentan so 6 bei mir. Aber vielleicht wirds noch.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27853

Registriert seit 08.01.2012

2019-06-29 20:26:31 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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