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Cate Le Bon - Reward

Cate Le Bon- Reward

Mexican Summer / Al!ve
VÖ: 31.05.2019

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zwischen den Stühlen

Cate Le Bon ist über die Jahre und Alben hinweg immer lauter und rockiger geworden, womit es für "Reward" eigentlich nur zwei Optionen gab: die absolute Hingabe zum Krach oder die totale Abkehr davon. Es spricht für die Waliserin, dass sie sich für keine von beiden entschied. Dabei zog sie sich durchaus zurück, schrieb ihre fünfte Platte isoliert in der Abgelegenheit Cumbrias, wo sie neben der Musik noch Erfüllung im Schreinern von Holzstühlen fand. Doch das Ergebnis ist trotz all seiner Exzentrik kein naturverbundenes Akustik-Album geworden, sondern die wohl fülligste Ausstaffierung von Le Bons speziellem Stil zwischen Art-Pop und Post-Punk. So beginnt sie mit einem Song, der "Miami" heißt, im Nordwesten Englands geschrieben, in Los Angeles aufgenommen wurde und nach David Bowies Berlin-Ära klingt. Auf solche umweltschonenden Weltreisen entführt einen der klassische Singer-Songwriter-Waldschrat normalerweise nicht.

Natürlich ist der genannte Referenzpunkt stark vereinfacht, doch der Geist des Blackstars schwebt unverkennbar durch "Reward" – nicht nur im besagten Opener, der sich mit Saxofon und hellen Gitarren wellenförmig aufbaut, bis Le Bon nach einer guten Minute schließlich zu Wort kommt. Wie Bowie hat sie perfekt verstanden, dass präzise bearbeitete Pop-Plastiken nicht zwingend mit einer Künstlichkeit auf der emotionalen Ebene einhergehen müssen. "Holding the door for my own tragedy / Take blame for the hurt / But my hurt belongs to me", heißt es im beeindruckend kunstvollen "The light", bis der Song zu einer niederschlagenden Erkenntnis gelangt: "You must die a little / You must hate yourself." Auch der leicht jazzige, von einem nostalgischen Schleier umhüllte Soft-Rock-Hit "Daylight matters" beklagt in seinem eingängigen Refrain Verlust und Einsamkeit: "I love you, but you're not here […] / I love you, but you've gone."

Warme, zuweilen gar sonnige Arrangements und Melodien verbergen auf "Reward" oft einen harten, dunklen Kern, der sich manchmal auch bis zur Oberfläche Bahn bricht. Die Ballade "Sad nudes" steht mit einem fast schon manisch repetitiven Piano-Motiv und nervösen Gitarren durchweg kurz vorm Kollaps, während im Hintergrund lauernde Dissonanzen die von Bläsern getragene Eleganz von "You don't love me" bedrohen. Le Bons Musik trägt einen surrealistischen Charakter, der seine Faszination ganz aus dem Reiz des Nicht-Greifbaren bezieht. Vor allem das als Ruhepol in der Albummitte platzierte "Here it comes again" ist kaum zu fassen: Will einen diese diffuse Wolke aus entrückten Harmonien und sich überlagernden Instrumenten umarmen oder abstoßen? Le Bons Vortrag zwischen Fragilität und steinharter Kälte tut sein wenig hilfreiches Übriges – so nah war sie ihrer oft genannten Referenz Nico wohl noch nie.

Es ist vielleicht diese ständige Balance zwischen Abgründigkeit und Anmut, die namhafte Künstler wie Kurt Vile oder Deerhunter an der Zusammenarbeit mit der 36-Jährigen reizt. Die Variabilität ihrer Kunstfertigkeit begeistert: Der Art-Punk von "Mother's mother's magazines" keucht eine knochige Basslinie entlang, um bei einer nervenaufreibenden Coda von zerhackten Saxofonen anzukommen, während sich "Magnificent gestures" als einziger Uptempo-Track perfekt für den nächsten Disco-Besuch im Albtraum eignet. Diesen an vergangene Alben und ihr Post-Punk-Nebenprojekt Drinks erinnernden Stücken stellt Le Bon das wundervolle "Home to you" entgegen, das seine mäandernde Melodie ausnahmsweise mal völlig unbeschwert lässt. Schließlich gibt "Reward" dann auch ein vielsagendes Statement ab, wenn es mit einem solchen Moment purer Schönheit endet, den nicht einmal die Synthie-Spitzen von "Meet the man" unterwandern können: "Love is beautiful to me / Love is you."

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Daylight matters
  • Home to you
  • Here it comes again
  • Magnificent gestures

Tracklist

  1. Miami
  2. Daylight matters
  3. Home to you
  4. Mother's mother's magazines
  5. Here it comes again
  6. Sad nudes
  7. The light
  8. Magnificent gestures
  9. You don't love me
  10. Meet the man

Gesamtspielzeit: 42:54 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kojiro

Postings: 2967

Registriert seit 26.12.2018

2023-01-23 19:00:55 Uhr
Hach, wie schön "Here It Comes Again" einfach ist. Und der Rest natürlich ebenso...

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2021-10-12 17:24:36 Uhr
Am 4. Februar nächsten Jahres kommt das neue Album Pompeii. Eine neue Single gibts auch schon.

Running Away

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2019-11-05 02:20:42 Uhr
Bei mir auch. Oder Top 15 zumindest.

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2019-11-05 01:27:53 Uhr
Dieses Album wird zu wenig beachtet. Top 10 in der Jahresendabrechnung ist auf jeden Fall drin.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-06-20 20:57:09 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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