Tullycraft - The Railway Prince Hotel

Happy Happy Birthday To Me / Cargo
VÖ: 08.02.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zuckerwatte vom Zimmerservice
"W-A-R-U-M hypet da eigentlich keiner mit?" Es hatte schon eine verzweifelte Note, wie der Plattentests.de-Chef anno 2013 im Forum die Massen für die amerikanischen Twee-Pop-Urgesteine Tullycraft zu begeistern suchte, die gerade das zauberhafte Genre-Kleinod "Lost in light rotation" vom Stapel gelassen hatten. Inklusive scharwenzelnden Nerd-Gitarren, quietschbunten Background-Chören, turboniedlichem Rhythmusgebimmel und allem, was dazugehört, wenn man Stuart Murdoch von Belle & Sebastian gerne mal Aufputschmittel in die Brause kippen würde, Spearmint nicht nur für ein klebriges Genussmittel hält und Sätze wie "I don't like you ('cos you don't like The Pastels)" ganz normal findet. Zu wollen war wenig bis nichts: Trotz seiner Altgedientheit fliegt das Quartett aus Seattle weiterhin dermaßen unter dem Radar, dass wir Album Nummer sieben beinahe selbst verpasst hätten. Es wäre ein Jammer gewesen angesichts all der knuffigen Klöpferchen und drolligen Mini-Dramen, die "The Railway Prince Hotel" bevölkern.
Und ja doch: "Drama" ist hier ein angemessener Begriff. Vorausgesetzt, popmusikalisches Nerdtum und schöne Katastrophen in der Disco bilden auch in nicht mehr ganz jungen Jahren noch eine zentrale Existenzgrundlage. "Lost our friends to Heavy Metal"? Tragisch! "We couldn't dance to Billy Joel"? Nicht einmal zu "We didn't start the fire"? Skandal! Und auch der von Donnie Lonegan gemopste und zum Beziehungs-Gradmesser abgewandelte Satz "Has your boyfriend lost his flavor on the bedpost overnight?" ist zweifelsohne einer von höchster zwischenmenschlicher Bedeutung. Damit die kleinen Fährnisse des Alltags dabei nicht zu arg werden, polstern Tullycraft diese so lange mit geschwindem Fingerpicking, Indie-Schrummelei aus dem Süßwarenladen sowie Sean Tollefsons und Jenny Mears' Wechselgesang aus, bis dem Zimmerservice die Zuckerwatte ausgeht. Er näselt, sie säuselt, alle freuen sich – vor allem über "Passing observations" samt Britpop-Zitaten und angedeuteten "Stepping stone"-Harmonien.
Es ist nicht zuletzt diese permanente Schnitzeljagd nach listig versteckten Melodiefetzen und Textfragmenten, aus der die zwölf immer wieder Haken schlagenden Songs ihren Reiz beziehen – vom trockenen, mit zickigen Leads aufgebohrten Country-Swinger "It's not explained, it's Delaware" über das Mundharmonika-Gemaunze von "The cat's miaow in a spacesuit" bis hin zum Rocker "Hearts at the sound", unter dem beständig eine Hammondorgel schmort. Keck angezählt und im Stakkato-Schweinsgalopp geht es zur Endstation "Vacaville", wo die Riffs besonders angestochen aufjaulen – immerhin hat es Tollefson und Mears auf ihrer Suche nach dem nicht nur musikalisch kompatiblen Gegenstück bis nach Kalifornien verschlagen. Ehrensache, dass sich Tullycraft die entscheidendste Frage bis zum Schluss aufheben: "What's your favorite band and who taught you to kiss that way?" Denn im Ernst: "Kommt bei Ihnen noch was aus der Minibar dazu?" wäre nach diesem hinreißenden Album entschieden zu viel des Gelangweilten.
Highlights
- Passing observations
- We couldn't dance to Billy Joel
- Has your boyfriend lost his flavor on the bedpost overnight?
- Vacaville
Tracklist
- Midi midinette
- Passing observations
- We couldn't dance to Billy Joel
- Goldie and the Gingerbreads
- Has your boyfriend lost his flavor on the bedpost overnight?
- Beginners at best
- It's not explained, it's Delaware
- Lost our friends to Heavy Metal
- Hearts at the sound
- The cat's miaow in a spacesuit
- The Railway Prince Hotel
- Vacaville
Gesamtspielzeit: 36:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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MartinS Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 1395 Registriert seit 31.10.2013 |
2019-06-15 14:20:49 Uhr
Super Band, super Album! |
dogs on tape Postings: 189 Registriert seit 14.06.2013 |
2019-06-14 00:17:03 Uhr
Das Warum kann ich beantworten. Allein schon durch das Ignorieren sämtlicher Allo Darlin' Alben hat sich PT als Twee-Hype-Plattform disqualifiziert. "well you can keep the punk rock ska rap beats and house fuck me i'm twee" Geh jetzt die Nachofolgeband Elva hypen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27970 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-06-13 20:38:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
This Many Boyfriends; Spearmint; The Pastels; Allo Darlin'; Evans The Death; Ballboy; Loveninjas; Bearsuit; Los Campesinos!; All Girl Summer Fun Band; Tender Trap; Boyracer; Denim; The Vaselines; Hefner; Alphabeat; Saturday Looks Good To Me; Someone Still Loves You Boris Yeltsin; Belle & Sebastian; Camera Obscura; Aberfeldy; Girlfrendo; Helen Love; Shop Assistants; Talulah Gosh; The Darling Buds; Math And Physics Club; Black Kids; Lucky Soul; The Indelicates; Hospitality; The History Of Apple Pie; The Primitives; Joanna Gruesome; The Ladybug Transistor; Trembling Blue Stars; The Lucksmiths; The Trouble With Templeton; BMX Bandits; The Sea Urchins; Hillman Minx; Everybody Was In The French Resistance ... Now!; Jesus Couldn't Drum; Biff Bang Pow!; Shirley Lee; The Field Mice; The Pains Of Being Pure At Heart; The Depreciation Guild; Architecture In Helsinki; Dressy Bessy; Chastity Belt; Diet Cig; Frankie Cosmos; Girlpool; Speedy Ortiz; Adult Mom; Comet Gain; Another Sunny Day; Yeah Yeah Noh; Always August; Lonnie Donegan; Billy Joel
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