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Silversun Pickups - Widow's weeds

Silversun Pickups- Widow's weeds

New Machine / ADA / Warner
VÖ: 07.06.2019

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wenn die Saiten Trauer tragen

Die sogenannten "Widow's weeds" haben nichts mit Kiffen zu tun, ganz weit gefehlt. Sie bezeichnen die schwarze Trauerbekleidung, die Witwen laut Viktorianischer Etikette in den Tagen nach dem Tod ihres Gatten tragen mussten. Silversun Pickups hatten noch nie ein sonderlich positives Verhältnis zur Welt, und von der Betitelung ihres fünften Albums ausgehend scheint sich das sogar noch weiter verschlechtert zu haben. Tatsächlich schrieb Frontmann Brian Aubert die Platte aus einem dunklen emotionalen Zustand heraus, wegen dessen er sich sogar in Behandlung begeben musste. Man braucht der Band also nicht die alten Vorwürfe eines ewigen Suhlens in Teenie-Befindlichkeiten runterzuleiern – dass negative Gefühlswelten nicht nur der Adoleszenz vorbehalten sind, ist ebenso klar, wie es verständlich ist, die Musik als kathartischen Filter dafür zu nutzen. Das Hauptproblem liegt wieder einmal außerhalb der Texte.

Dabei fängt "Widow's weeds" durchaus vielversprechend an. Der eröffnende Synth-Rock-Brocken "Neon wound" baut sich stark auf und gewinnt immer mehr an Zugkraft, vermeidet mit dem subtilen Refrain aber das Abkippen in überzogenen Pathos. Dazu gibt es kurz vor Schluss einen grandiosen Instrumentalpart mit brutzelnder Gitarre, der Sehnsucht nach den Anfangstagen des Quartetts weckt. Songs wie "Bag of bones", "Simpatico" oder "Freakazoid" fokussieren dahingegen den neuen Sound von Silversun Pickups: gefällige, aber auch irgendwie blutleere und überlange Poprock-Nummern, geprägt von Akustikklampfe, Bass und schnell vergessenen Melodien. Da hilft es auch nichts, dass die zum Ende abdrehenden Streicher in letztgenanntem Track für circa drei Sekunden nach Radioheads "Burn the witch" klingen. Immerhin das Titelstück weiß die Versatzstücke hübsch luftig zusammenzusetzen, ein leicht folkiges Duett von Aubert mit Bassistin Nikki Monninger.

Es gibt auch weitere Lichtblicke, allen voran die erste Single "It doesn't matter why". "Will it help you sleep at night?", fragt Aubert da, doch als Schlafmittel taugt dieser musikgewordene Dynamo sicher nicht. Im Gegenteil kommt bei all dem pulsierenden Treiben um sich gegenseitig umschlingende Gitarren und Streicher die Frage auf, wie viele Stimulanzien sich die vier vorher geschmissen haben müssen, aber das spielt ja auch keine Rolle, denn "we've finally made it out alive." Ein paar davon hatten sie jedenfalls noch übrig, etwa für "Don't know yet", das nach obskurem Drumcomputer-Beginn in eine kleine Indie-Hymne kippt, die man sich so auch von Ben Gibbard intoniert hätte vorstellen können. Auch "Songbirds" betont in "Trauerfeier" eher das zweite Teilwort, und man fragt sich ernsthaft, warum die Band diese Dringlichkeit nicht auf der ganzen Albumlänge durchziehen konnte.

Ein bisschen haben sich Silversun Pickups in ein Dilemma hinein entwickelt. Die ihrem Alter entsprechende Reife übersetzen sie zu oft in musikalische Langeweile, während sie andersrum auch nicht einfach wieder in ihre Jugend zurückkehren können. Wenn der ungewohnt aggressive Closer "We are chameleons" auf den Sound von "Carnavas" zu schielen versucht, wirkt das eher befremdlich als nostalgisch. Und auch wenn es thematisch nichts an den Texten auszusetzen gibt, bleibt das "wie" durchaus kritikwürdig: "I believe you're trying / To keep us all from dying […] I believe you're crying / To keep this whole thing flying […] I'll keep on fighting / As long as you keep trying." Verpackt man eigentlich ernste Inhalte in so nichtssagende Haus-Maus-Reime wie hier in "Freakazoid", fehlt dem empathischen Hörer jede Bezugsfähigkeit. Vielleicht war diese aber auch nicht zwingend angedacht – wenn Aubert dieses Album genauso, wie es ist, zur eigenen Trauerbewältigung gebraucht hat, dann war es allemal wichtig. Alles Gute!

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Neon wound
  • It doesn't matter why

Tracklist

  1. Neon wound
  2. It doesn't matter why
  3. Freakazoid
  4. Don't know yet
  5. Straw man
  6. Bag of bones
  7. Widow's weeds
  8. Songbirds
  9. Simpatico
  10. We are chameleons

Gesamtspielzeit: 48:00 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

hubschrauberpilot

Postings: 6755

Registriert seit 13.06.2013

2019-07-12 16:50:25 Uhr
Irgendwie viel zu seicht und dazu mit der Stimme des Sängers nicht ausdrucksstark genug. Höre grade alte Sachen, das Schlagzeug klingt immer wie von einem billigen Drumcomputer. Schade, da kommt wohl nichts gutes mehr....
MyWilhelmScream
2019-06-18 16:17:37 Uhr
Ich mag das Album und die Band. Das Vorgängeralbum war IMHO deutlich schwächer. Aber SP sind für mich auch keine Band, an die ich große Ansprüche stelle. Es ist guter/eingängiger Alternative Rock mit 90er-Schlagseite. Da passt dann halt auch Butch Vig irgendwie.
Horsti
2019-06-18 09:19:35 Uhr
naja, nicht soooo der Bringer, aber auch nicht schlechter als die letzten beiden Alben. 3-4 gute Songs und der Rest Durchschnitt. Schade eigentlich

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-06-13 20:38:08 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
Pickupartist
2019-06-13 20:36:56 Uhr
2009
There's no secreets this year

2019
There's no highlights this year
...
wobei, it doesn't matter why is ganz nett.
Zum kompletten Thread

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