Mannequin Pussy - Patience
Epitaph / Indigo
VÖ: 21.06.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Balance and composure
Bei der Band Mannequin Pussy aus Philadelphia hätte man sicher nicht gedacht, dass Geduld mal einer Platte als Leitstern und Motto vorstehen würde. Doch das Quartett um Frontfrau Marisa Dabice hat nicht nur ihr neues Werk "Patience" genannt, sondern auch danach gehandelt. Und so kann der Vierer jetzt auch behaubten, dass er mit seinem Sound endlich da angekommen ist, wo er immer hinwollte. So was steht natürlich unter dem Verdacht des Promo-Gewäschs, bewahrheitet sich hier aber nachdrücklich. Nur kurz zur Einordnung: Auf ihren bisherigen zwei Alben waren Mannequin Pussy immer diejenigen, die ihrer Gitarrenmusik ein chaotisches Maß an Haltlosigkeit und Ausbruch beschert haben. Unter brechenden Riffs und gehörigem Schlagzeug-Wahnsinn waren zwar auch feine Melodien auszumachen, das Umkippen in den Kontrollverlust war aber das ausschlaggebende Qualitätsmerkmal. Jetzt auf einmal gibt es Ordnung, Maß und Mitte – aber keinen Deut weniger Intensität.
Der Gesang des Titelsongs ist mit süßlichem Unterton wund gescheuert, die Gitarren schaben an schrundigen Häuserwänden entlang und der Refrain kanalisiert seine Verzweiflung in Kraft bei gleichzeitiger Weichzeichnung der Melodieränder. So etwas entsteht bei genauer Wirkungskenntnis der eigenen handwerklichen Mittel – ambivalent, aber nicht kompromissbehaftet. "Drunk II" schafft sogar das Kunststück, in der Strophe willentlich kraftvoller zu klingen als im Refrain. Doch hat letzterer eine melancholische Zerrissenheit, die runtergeht wie bitter-süße Medizin. Übrigens, die halsbrecherischen Kraftausbrüche, welche man an dieser Band schätzen gelernt hat, gibt es auch auf "Patience". Das heisere Bellen Dabices in "Cream", das hyperventilierende Schlagzeug von "Drunk I" oder auch der Riff-Tornado "Clams" mit rhythmischen Sturz ins Bodenlose: Maulschellen und Kieferbrüche kann man sich bei Mannequin Pussy weiterhin zuhauf abholen. Doch sind diese nunmehr dramaturgisch akzentuiert in gewisse Nahtstellen eingefügt, die Verletzliches und melodisch Weichgezeichnetes verbinden.
Da treten in "Fear/+/desire" zutrauliche Akustikgitarren auf, die sich gegen das tiefe Tönen der elektrischen Verwandtschaft tapfer behaupten. Die Gesangsmelodie Dabices hat sich hingegen noch nicht zwischen Licht und Schatten entschieden, arrangiert sich aber damit, ihren anschmiegsamen Herzschmerz eine triste Straße hinab zu schicken. Mannequin Pussy wissen jetzt ganz genau, wo akribische Ausformulierung angeraten ist aber auch, bei welchen Stücken emotionale Schräglagen nur rauschhaft anzuschneiden sind. "High horse" ist ein kurzer Steigerungslauf in die Untiefen von Angst und Verzweiflung, mit der eindringlichen Textstelle "Pushing me up aganinst the kitchen sink / I feel your breath on me / I can taste it in my teeth." Doch entschwindet dieser Song nach kurzem Aufbranden wie ein flüchtiger und dennoch intensiver Alptraum in die Hinterbänke des Bewusstseins. Aber auch zu solch beängstigenden Ausschlägen gibt es auf "Patience" ein Gegenmittel, welches die Bedrängnis und die Angst wieder aufwiegt. "In love again" gönnt sich zum Ende in Form von frühlingshaften Gitarren und munterem Anschlag des Pianos einen optimistischen Ausblick in die Zukunft jenseits dieses Albums. Krachender Furor, zarte Melodieführung, Verzweiflung – aber eben auch das notwendige bisschen Hoffnung. In geduldiger Arbeit haben Mannequin Pussy eine Ausgewogenheit erreicht, die nie nach fadem Kompromiss klingt, sondern in gerade mal 25 Minuten eine beeindruckende Vielschichtigkeit aufweist, die spontan und ungezwungen wirkt.
Highlights
- Drunk II
- High horse
- In love again
Tracklist
- Patience
- Drunk II
- Cream
- Fear/+/desire
- Drunk I
- High horse
- Who are you
- Clams
- F.U.C.A.W
- In love again
Gesamtspielzeit: 25:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MasterOfDisaster69 Postings: 971 Registriert seit 19.05.2014 |
2019-09-30 18:15:48 Uhr
correct, "Drunk II" is really cool.thanks. |
saihttam Postings: 2459 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-07-09 23:31:16 Uhr
Macht Spaß, das Album. Ich mag den Wechsel zwischen flotten Punk/Hardcore-Nummern und den melancholischen Rock-Songs. Das Vorgängeralbum war schon sehr stark. Das hier weitet den Sound noch weiter aus. Drunk II ist grandios. |
Kevin, 15 Jahre |
2019-06-14 00:51:53 Uhr
behaubten?hä? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27217 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-06-13 20:37:08 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Potty Mouth; Cherry Glazerr; Bully; Swearin'; Remeber Sports; The Spirit Of The Beehive; Great Grandpa; Daddy Issues; Charly Bliss; Stef Chura; Adult Mom; Dilly Dally; War On Women; Chastity Belt; Ex Hex; The Courtneys; Dude York; Bleached; The Prettiots; Illuminati Hotties; Forth Wanderers; Weakened Friends; Kississippi; Snail Mail; Soccer Mommy; The Distillers; Bikini Kill; Sleater-Kinney; Hole; The Breeders; Brody Dalle; Throwing Muses; Pixies; Meat Puppets; Veruca Salt; The Vaselines; A Giant Dog; Potty Mouth
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