Sans Parade - Fugue state

Stargazer / Broken Silence
VÖ: 24.05.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Umarmung am Abgrund
Nahbare Kälte, kann es so etwas geben? Sans Parade aus Finnland arbeiten jedenfalls daran. Etwas eingedämmt hat das Trio dabei den orchestralen Anteil, der auf dem Debüt "Sans Parade" 2013 noch recht flächendeckend eingesetzt wurde. Auf "Fugue state" sind es eher kühl die Oberfläche abtastende Synthies, die immer wieder in künstlichen Blautönen aufflammen. Die Dystopie war dabei immer schon das bevorzugte Format dieser Band, welche sich jedoch nicht die nahbaren und eingängigen Gesangsmelodien ausreden lässt. Neben artifiziellem Pluckern setzt es markante Gitarren-Schroffheiten im eröffnenden "We're the ones", Frontmann Markus Perttula schießt seine Vocals in eine geisterhafte Schwärze, Zivilisation, gesellschaftliche Errungenschaften, alles steht auf dem Spiel, auf der Kippe. Dass in einem der Welt abgewandten Setting eine leidenschaftliche Flamme lodert, ist nur eine der bemerkenswerten Erkenntnisse zu dieser Platte. "My name is Red" wirkt mit seinem pumpenden Beat wie ein dezent beschleunigter Ritt auf einem Roboter-Pferd. Die blutige Sonnenröte einer weiten Prärie wird jedoch durch einen auf ausrangierten Schrott niederscheinenden Mond ersetzt. Doch auch hier: anschmiegsame Melodien, die sich vor der Unterkühlung schützen müssen.
Die Strophe von "Final fugue" gefällt sich als ein tröpfelndes Tänzeln, die Synthies schimmern durch Eisblöcke, doch dann sorgen archaische Percussion und eine erdige Wandergitarre für einen robusten Kontrast, das Künstliche und das Urige in inniger Umarmung. Perttula schwebt mit Gesang und Texten immer am Abgrund, durch Verweis auf die Sintflut wird nebenbei gezeigt, dass der Weltuntergang keine Erscheinung der Moderne ist. Und trotzdem findet diese Band die Schönheit im Angesicht der Apokalypse. "Hooray for the fall" ist ein fast lieblicher Taumel, und "A survivor" streicht mit sanfter Sehnsucht über all das Klöppeln und Knarzen hinweg, als gelte es, das Ende der Menschheit mit gutem Zureden abzumildern.
Die Stücke der zweiten Albumhälfte nehmen sich dann jeweils noch etwas mehr Zeit, das Tableau in Szene zu setzen, die fünf Minuten werden verlässlich überschritten. Das wird für verträumten Pop wie in "Patience" genutzt. Ein pastellenes Idyll quellt wie eine Farbwolke im Wasserglas auf, alles ist auf einmal leicht, nichts drückt. Einen ähnlichen Weg geht "So say we all", doch hat man es hier eher mit einem künstlich herbeigeführten Morphin-Rausch zu tun, während "Utö" letzte Zuckungen aus der Erschöpfung heraus sendet. Die Tracks der zweiten Hälfte verweigern sich eher dem melodischen Furor, geben sich friedlich, doch steht dies auch für eine gewisse Kapitulation. Nur "1989" verbreitet mit aufgekratzten Synthie-Gewummer eine dem nahenden Untergang geschuldete Hektik und Nervosität., die durch den Gesang jedoch einigermaßen besänftigt wird. Sans Parade weisen den Weg in Richtung Endstation, feiern dabei das Menschsein noch mal mit melodischem Triumph, lassen jedoch auch eine instrumentale Kälte aufscheinen, die unmissverständlich klar macht: Das war's wohl.
Highlights
- My name is Red
- Hooray for the fall
- 1989
Tracklist
- We're the ones
- My name is Red
- Final fugue
- Hooray for the fall
- A survivor
- Patience
- So say we all
- Utö
- 1989
- Laws of the sea
Gesamtspielzeit: 48:41 min.
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Referenzen
Foals; Markus Perttula; Soulsavers; Perfume Genius; Patrick Wolf; Wild Beasts; Final Fantasy; John Grant; Teleman; The Horrors; Swan Lake; Dirty Projectors; Teitur; Soap & Skin; Bon Iver; Phosphorescent; Local Natives; James Vincent McMorrow; Arcade Fire; James Blake; Get Well Soon; BirdPen; Sophia; Gravenhurst; Piano Magic; Low; Spiritualized; Talk Talk; David Sylvian
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