The Mystery Lights - Too much tension!

Wick / Groove Attack
VÖ: 10.05.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Unter der Großstadtglocke
Um als Künstler in einer gigantischen Metropole wie New York überhaupt noch groß aufzufallen, muss man wohl zum abwegigsten oder hippesten Scheiß überhaupt erklärt werden. The Mystery Lights haben es mit ihrem unwirklich überholten Sound immerhin zu einer Randnotiz gebracht – einer wohlbehüteten. 2014 haben sich die Mannen aus Kaliformien im Big Apple niedergelassen. Zuvor frönten sie hingabevoll ihrer Liebe zu psychedelischem Garagenrock, tingelten jahrelang im Barmusiker-Style durch die Wildnis Amerikas und hielten sich mit hunderten kleineren Gigs über Wasser. Dennoch blieb ihr Tun nicht im Verborgenen, denn kaum eine Band trug den aus der Zeit gefallenen Retro-Sound und den entrückten Geist der späten Sechzigerjahre so authentisch durch die Lande wie die fünfköpfige Truppe auf ihrem selbstbetitelten Debüt.
Dass nun auf dem Zweitling "Too much tension!" lediglich gut 30 Minuten neue Musik zu Buche stehen – was rückblickend in der Summe gerade mal zehn Minuten pro Jahr macht – wollen wir den Jungs nicht übelnehmen. Denn schon zum Quasi-Auftakt frohlockt das knackig-knarzige "Im so tired (of living in the city)" mit Treble-Gitarren, Tamburin und Hammondorgel, jener konsequent altbackenen wie großartigen Instrumentierung samt Lo-Fi-Produktion, die man bereits auf dem Erstling liebgewonnen hatte. Die knödelige, manchmal auch hektische Stimme von Michael Brandon fungiert komplementär genauso gut wie als Gegenpol und dominiert das ebenfalls sofort Beine und Po aktivierende "Can't get through my head".
"Moment!", hebt der aufmerksame Tracklisten-Leser und Titel-Interpretierer längst den Zeigefinger. Deuten Song- und Albumtitel vielleicht auf eine mittelschwere Sinnkrise hin? Haben sich die Wanderjungs The Mystery Lights im Großstadtdschungel der unbegrenzten Möglichkeiten etwa schon verloren? Das psychedelische "Goin' down" jedenfalls lebt vom bewussten Streben nach einer zwischenzeitlichen Oase der Ruhe, dem notwendigen Herunterkommen. Fernab von Verkehr und Hektik lässt es sich schließlich besser in Erinnerungen eintauchen. An eine Verflossene zum Beispiel, wie es "Wish that she'd come back" tut – und sich dabei ab der Hälfte regelrecht verliert.
Trotz vordergründig einheitlicher Retro-Glocke ist tatsächlich die Variation eine Stärke von "Too much tension!". "It's alright" schwelgt zwischen The Beach Boys und The Doors, während das rumpelige "Traces" den Seventies-Punk wunderbar reanimiert. "Someone else is in control" benötigt kaum 100 Sekunden, um dem Album einen spacigen Touch zu verpassen. Dass The Mystery Lights sich auch dort wohlfühlen, belegt spätestens der Titelsong mit seinem penetranten Gitarrenriff, das sich unbeirrt im Nacken festkrallt. Das so stoische wie hypnotische "Thick skin" baut Druck auf und tönt trotzdem nach einer besseren Welt. Und weil diese damals wohl nicht so unsicher, nicht so kompliziert schien, dringen The Mystery Lights nur selten bis in die harsche Gegenwart vor. Doch es beschleicht einen das Gefühl, dass die Wahl-New-Yorker ob der politischen Entgleisungen unserer Zeit leicht verunsichert in die Zukunft blicken. Oder, wie Sänger Brandon selbst es hält: "Watching the news gives me the blues." Wie gut, dass auch der zu New York gehört.
Highlights
- I'm so tired (of living in the city)
- Can't get through my head
- Too much tension
- Traces
Tracklist
- Synthro
- I'm so tired (of living in the city)
- Can't get through my head
- Someone else is in control
- Goin' down
- Wish that she'd come back
- Thick skin
- Too much tension
- Watching the news gives me the blues
- It's alright
- Traces
Gesamtspielzeit: 30:58 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 19827 Registriert seit 10.09.2013 |
2019-08-13 19:54:00 Uhr
Bin ich mehr oder weniger zufällig drauf gestoßen, macht viel Spaß. Sollte bei Gelegenheit wohl mal ins Debüt reinhören. |
retro |
2019-06-06 11:59:27 Uhr
Gute Rezi. "Thick skin" hätte ich auch noch zu den Highlights gezählt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 25628 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-06-06 11:42:47 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
retro |
2019-05-15 08:15:52 Uhr
Ist wieder toll geworden, wenn auch mit 30 Minute etwas zu kurz. Das Debut gefällt mir aber wohl noch etwas besser. |
Deaf Postings: 2559 Registriert seit 14.06.2013 |
2019-03-05 16:46:55 Uhr
Neues Album kommt am 10. Mai 2019.Tracklist: 1. Synthtro 2. I'm So Tired (of Living in the City) 3. Can't Get Through to My Head 4. Someone Else is in Control 5. Goin' Down 6. Wish That She'd Come Back 7. Thick Skin 8. Too Much Tension 9. Watching the News Gives Me the Blues 10. It's Alright 11. Traces |
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Referenzen
Jefferson Airplane; The Charlatans; Grateful Dead; The Warlocks; The Yardbirds; The Byrds; The Monks; The Velvet Underground; Big Brother And The Holding Company; Janis Joplin; Teddy And His Patches; The Mourning Reign; Radio Moscow; Dead Moon; The Fall; Television; Country Joe & The Fish; Quicksilver Messenger Service; Strawberry Alarm Clock; Moby Grape; 13th Floor Elevators; Roky Erickson; Frumious Bandersnatch; The Great Society; Blue Cheer; The Oxford Circle; The Frantics; The Doors; The Sheepdogs; The Zombies; David Bowie; The Moody Blues; Dr. Dog; Blues Pills; Odd Couple; The Wave Pictures; Mad River; The Scenes; The Beach Boys; The Beatles
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