Calexico and Iron & Wine - Years to burn
City Slang / Rough Trade
VÖ: 14.06.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
In der Glut des Südens
Würde man es nicht besser wissen, man könnte meinen, es hätte eine Verwechslung bei den jüngsten Albumcovern von Calexico gegeben. Auf "The thread that keeps us" aus 2018 frönten sie dem Eklektizismus wie noch nie, brachten Funk-Rhythmen und harsche Gitarren in Einklang mit ihrem charakteristischen Wüsten-Folk. Die vielen bunten Gesichter, die "Years to burn", Calexicos zweite Kollaboration mit Sam Beam alias Iron & Wine, schmücken, wären wie gemalt für diese musikalische Farbenpracht gewesen. Andersrum hätte das stimmungsvolle Landschaftsbild von Calexicos letzter Platte perfekt zu "Years to burn" gepasst. Was Beam, John Convertino und Joey Burns hier gemeinsam zelebrieren, ist nämlich hingebungsvolle Americana, die ihre Natürlichkeit nie zugunsten formaler Virtuosität opfert – bis auf eine große Ausnahme, dazu später mehr.
Diese Ehrfurcht vor uramerikanischer Musiktradition lässt sich sicherlich auch auf den Aufnahmeort zurückführen, denn die Künstler hat es ins geschichtsträchtige Nashville verschlagen – in übrigens genau das Studio, in dem auch R.E.M.s "Document" seinen Weg aufs Tonband fand. Beseelt von vergangenen Geistern erweisen sich Calexico und Iron & Wine wie schon auf "In the reins" wieder als perfekt zusammenpassende Kollaborationspartner, was schon der Opener "What heaven's left" wunderbar vorführt. Beams samtene Stimme und Melodieführung ergänzen sich in diesem getragenen Piano-Stück stark mit Burns' Hintergrundgesang und einer leise schluchzenden Lap-Steel, bis am Ende die für Calexico typischen Bläser das Ruder übernehmen. Zarte Folk-Verästelungen wachsen nicht nur hier symbiotisch mit üppig bewucherten Arrangements zusammen, ohne dass diese sie je ersticken.
"Years to burn" ist ein ambiger Titel, sagt Beam, kann sowohl für Inspiration als auch für ein von Brandnarben gezeichnetes Leben stehen. "Let's not talk like teenagers about love, desire, pain, 'cause we're not teenagers." So hat das rumpelnde "Midnight sun" durchaus Feuer in Form von zwei grandios aufbrausenden E-Gitarren, doch strahlt es auch eine Reife aus, die allen beteiligten Künstlern zu diesem Zeitpunkt ihrer Karrieren sehr gut zu Gesicht steht. Da sei es Beam auch mal vergönnt, so leidenschaftlich in Jugenderinnerungen mit seiner Theresa zu schwelgen, wie er es im Power-Country-Pop von "Father mountain" tut. Sehnsucht war ohnehin schon immer ein Motiv im Œuvre beider Interpreten, gerade Calexico verstehen es wie kaum eine andere Band mit akustischen Pinselstrichen die Prärie zu malen. In "Outside El Paso" brauchen sie keine zwei Minuten, um den Hörer gedanklich auf die andere Seite des Atlantiks zu versetzen, egal, ob er selbst schon mal dort war oder nur "Red dead redemption" gespielt hat.
Nach dem tollen "Follow the water" mit der besten Melodie des Albums folgt die bereits erwähnte Ausnahme – jener Song, in dem "Years to burn" vollständig seine Komfortzone verlässt. "The bitter suite" ist eine achtminütige Berg- und Talfahrt: Beginnend als spanisches Klagelied türmt sich unter Dissonanzen ein hypnotischer, von einer freien Trompete bestimmter Mittelteil auf, der kollabiert und Beam am Ende alleine die Bühne überlässt. Phänomenal, etwas Vergleichbares haben weder Calexico noch Iron & Wine bisher komponiert. Da ist es durchaus ein Segen, wenn das Closer-Doppel bestehend aus dem Titelstück und "In your own time" wieder deutlich bekömmlicher daherkommt. So bleibt als einziger Mini-Kritikpunkt höchstens der geringe Umfang – bei diesem so inspirierten Zusammenspiel wird man das Gefühl nicht los, es hätte auch für mehr als wieder nur eine halbe Stunde Spielzeit und sieben richtige Songs gereicht. Ein Feuer schnell zu löschen, anstatt es langsam selbst ausbrennen zu lassen, ist manchmal aber nicht die schlechteste Idee.
Highlights
- Midnight sun
- Follow the water
- The bitter suite
Tracklist
- What heaven's left
- Midnight sun
- Father mountain
- Outside El Paso
- Follow the water
- The bitter suite
- Years to burn
- In your own time
Gesamtspielzeit: 32:14 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MasterOfDisaster69 Postings: 996 Registriert seit 19.05.2014 |
2019-09-25 19:50:00 Uhr
Fuer "The bitter suite" gibts ne 9/10 |
hallogallo Postings: 197 Registriert seit 03.09.2018 |
2019-06-15 16:05:51 Uhr
Ja, sehr schön und ausbalanciert. Ich muss zugeben, dass mich Calexico mit der Qualität ihrer Arbeiten in den letzten Jahren überrascht haben. |
Deedee |
2019-06-14 13:20:10 Uhr
Ziemlich gutes Album |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27850 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-06-06 11:37:42 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27850 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-05-02 18:54:13 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Calexico; Iron & Wine; Wilco; Okkervil River; Jonathan Wilson; Timesbold; M. Ward; Bonnie 'Prince' Billy; Damien Rice; José González; Great Lake Swimmers; Fleet Foxes; Elliott Smith; William Elliott Whitmore; Son Volt; Holopaw; Lambchop; Sparklehorse; Isolation Years; Turin Brakes; Kings Of Convenience; Rocky Votolato; Damien Jurado; Andrew Bird; Sufjan Stevens; Bon Iver; Devendra Banhart; Bright Eyes; Songs:Ohia; Magnolia Electric Co.; The Walkabouts; Smog; Bill Callahan; Vic Chesnutt; R.E.M.; Emily Jane White; Jenny Lewis
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- Calexico And Iron & Wine - Years to burn (6 Beiträge / Letzter am 25.09.2019 - 19:50 Uhr)