Samana - Ascension

Fat Cat / H'Art
VÖ: 31.05.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Mountain goats
Es ist irgendwie beruhigend, dass der menschliche Geist beim Erstkontakt direkt Bezüge herstellt, ein- und verortet. Man wäre ja sonst ständig sprachlos. Also: Rebecca Rose Harris, ihrerseits mehrfach ausgezeichnete Fotografin und ein Teil des Duos Samana, hat eine Stimme, die Assoziationen und Bilder erweckt. Man stelle sich zum Beispiel vor, Hope Sandoval würde nur noch mit von tiefschwarzem Kajal umrandeten Augen auftreten. Oder Nico hätte man ihres städtischen Kontextes beraubt, und sie würde jetzt durch Berglandschaften und Prärien umherirren. Nun besteht Musik in der Regel ja nicht nur aus Gesang, was Franklin Mockett, das Duo kompletierend, die Möglichkeit gibt, die Songs von Samana instrumental auszugestalten. Dabei landet der Hörer mitten in der Natur, nicht nur ein behutsam eingesetztes Banjo an mancher Stelle, auch eine dem bluesigen Americana verpflichtete Gitarrenarbeit tragen dafür Sorge. Samana stammen aus Großbritannien, verstehen sich aber als Nomadenduo. Entstanden sind die Songs des Debütalbums "Ascension" an einem Bergsee in Österreich, aufgenommen wurden sie im Gebirge von Wales, analoge Technik, versteht sich.
Man muss sich die Musik von Samana folglich auch in etwa so vorstellen wie den Effekt einer Wolkenformation, die an einem Gebirgsmassiv steht, gleichzeitig Schweben und Schwere. Da klimpert und schwelgt es in "The art of revolution" ganz friedlich zunächst, die Akustikgitarre hat trotz latenter Melancholie einen zutraulichen Charakter, doch setzt Harris mit dem Paradox der theatralischen Nüchternheit die Segel in Richtung gravitätischer Hymnik. "I'll keep you with me" lässt die Gitarre genüsslich winseln, der Bass ist als gutmütiger Trostonkel unterwegs, und doch scheint hier die Sonne durch, ganz sachte mit ein paar hellen Akkorden und einem lieblich-milchigen Gesang. Man fühlt sich betäubt von den Songs, macht aber immer wieder die Konturen berührender Melodien im Nebel aus, so in "De profundis". Die Gitarren knarzen schon mal rustikal, und das Schlagzeug hat einigen Wumms, doch ist die Jahrhunderte alte Schwere der Stücke nicht negativ beladen. Das wuchtige Gitarrensolo in besagtem "De profundis" bricht dann auch eher die Wolken auf, als dass alles zusammenstürzen würde.
Das weiche Tändeln von "Harvest", Harris verarztet hier mit ihrem weichen Gesang förmlich die angekratzten Licks, mündet in einen Refrain, der gar nicht richtig auf den Putz haut, sondern eher die Elemente des Songs zu einer moderaten Steigerung führt. Und dennoch hat sich etwas markant verändert, statt orientierungslosem Dahingleiten haben die melodischen Figuren nun eine Bestimmung und Bedeutung. Es sind minimale Verschiebungen, die diese Songs so reizvoll machen, da wirft ein einzelner tiefer Gitarrenton in "Beneath the ice" einen kühlen Schatten auf die Country-Beschaulichkeit, und trotz des vordergründigen Fehlens eines dramtischen Narrativs verschiebt sich durch leichtes Changieren der Tonhöhen die Stimmung. Mal belastet mit all der zivilisatorischen Schwere, mal frei wie ein Windhauch, haben Samana an diesem Bergsee die Natürlichkeit ihrer grandiosen Musik offengelegt.
Highlights
- The art of revolution
- De profundis
- I'll keep you with me
Tracklist
- Before the flood
- Harvest
- The art of revolution
- The sky holds our years
- Take me in
- De profundis
- Blue requiem
- I'll keep you with me
- The lightess of being
Gesamtspielzeit: 49:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 751 Registriert seit 15.05.2013 |
2021-02-20 20:56:20 Uhr
danke für den Hinweis!Und mit Blick auf meinen Post von Dezember 2019 geht die 8/10 doch auf jeden Fall in Ordnung. Ich höre das Album immer noch sehr gern. |
cargo Postings: 730 Registriert seit 07.06.2016 |
2021-02-19 15:07:52 Uhr
Neue EP namens "Melancholy Heart" ist übrigens draußen und die ist absolut fantastisch. |
AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 751 Registriert seit 15.05.2013 |
2019-12-06 13:13:07 Uhr
Oh, jetzt erst gesehen, dass das Album hier nicht nur rezensiert war, sondern sogar Album der Woche. Ich gehe bei einer 8 von 10 vielleicht nicht ganz mit, aber das Album gefällt mir in seiner Stimmung insgesamt schon sehr gut. Und auch live - ich habe sie als Duo gesehen, sie treten aber auch zu viert auf - ganz klar zu empfehlen. |
carpi Postings: 1724 Registriert seit 26.06.2013 |
2019-05-25 22:08:54 Uhr
Sehe ich auch so, "Harvest" ist schon mal sehr schön. |
Otto Lenk Postings: 793 Registriert seit 14.06.2013 |
2019-05-23 21:07:34 Uhr
Gute Rezi! Die Songs, die ich bis jetzt hören konnte, gefallen mir ausnehmend gut. |
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Referenzen
Hope Sandoval & The Warm Inventions; Nico; Mazzy Star; Lorelle Meets The Obsolete; Mojave 3; Cocteau Twins; Slowdive; Cat Power; Broadcast; Grouper; PJ Harvey; The Clientele; Marissa Nadler; Laura Gibson; Karen Dalton; Anna Von Hausswolff; Esben And The Witch; Emma Ruth Rundle; Julianna Barwick; Julia Holter; Weyes Blood; Big Thief; Adrianne Lenker; Lucy Dacus; Tomberlin; Julie Byrne; Gia Margaret
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