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Jamila Woods - Legacy! Legacy!

Jamila Woods- Legacy! Legacy!

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 10.05.2019

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Gelebte Geschichte

Viele Künstlerinnen und Künstler machen keinen Hehl aus ihren Inspirationen, doch Jamila Woods hat sich für ihr zweites Album eine ganz besondere Art der Hommage ausgedacht. Jeder Song auf "Legacy! Legacy!" ist nach einer bedeutenden, überwiegend afroamerikanischen Figur der Kulturgeschichte benannt, seien es Miles Davis, Zora Neale Hurston, James Baldwin oder auch Frida Kahlo. Dass Woods' Ikonen unterschiedliche Felder von Musik über Literatur bis zu Malerei beackern, erscheint passend, ist die 29-Jährige doch selbst nicht nur begabte Soul-Auteurin, sondern auch Poetin, Aktivistin und Jugendförderin. Mit ihrem vielfältigen Talent füllt sie ein Album mit Leben, das in den falschen Händen auch schnell zur trockenen Geschichtsstunde mit erhobenem moralischem Zeigefinger verkommen könnte. Diese 13 Porträts sprechen gleichermaßen für sich selbst, wie sie sich zu einem vitalen Mosaik des emotionalen und politischen Innenlebens ihrer Erschafferin zusammensetzen.

Die faszinierende Ambiguität wird gleich von Beginn an deutlich. "I'm trying to fly, you insist on clipping my wings", singt Woods im Opener "Betty" und kann damit ebenso eigene Erfahrungen verarbeiten wie aus der Perspektive der hier geehrten Betty Davis texten – Miles Davis' Muse, die nach Ende der einjährigen Ehe selbst zur einflussreichen Künstlerin heranwuchs. Der Song gibt auch musikalisch die Richtung des Albums vor, wenn sein ruhiger Piano-Beginn einem rhythmisch komplexen Beat weicht. Doch Woods geht in den vielschichtigen Arrangements nie unter, sie flowt mit einer an Erykah Badu erinnernden Leichtigkeit und lässt damit dem Hörer trotz gewichtiger Themen immer alle Türen offen. So verpackt "Zora" seine Identitätsreflexion in einen warmherzigen, treibenden R'n'B-Hit und auch "Giovanni" ist ein Banger, der das herrlich überzeichnete Gitarrensolo am Schluss zum Herausstellen seiner Größe gar nicht gebraucht hätte.

Die Geister vergangener Beziehungen schweben wie ein Leitmotiv durch "Legacy! Legacy!" und Woods schöpft aus ihren Idolen die nötige Kraft, um sich ihnen zu stellen. Im Neo-Funk von "Sonia" rechnet sie mit einem destruktiven Partner ab, unterstützt nicht nur von einem galligen Rap-Part Nitty Scotts, sondern auch von den Worten der Autorin Sonia Sanchez. "Eartha" schlägt in die gleiche Kerbe, entwickelt sich ganz im Geiste Eartha Kitts zu einem Monument der Selbstakzeptanz, während "Frida" in einer interessanten Idee der Inspirations-Umkehr Sätze formuliert, die eine in der Jetztzeit lebende Kahlo so ähnlich auch an Diego Rivera richten könnte. Darüber hinaus findet Woods auch immer die passenden musikalischen Entsprechungen für die besungenen Personen. So gerät "Sun Ra" etwa mit Radiohead-Gitarre und dramatischen Streichern zum ambitioniertesten Song der Platte – die perfekte Ausdrucksform für die Virtuosität des legendären Jazz-Komponisten.

In "Muddy" brodelt eine angepisste Blues-Gitarre, mit Muddy Waters als spirituellem Begleiter klagt Woods hier gegen die fremde Aneignung schwarzer Musikkultur. Auch die Wut hat ihren Platz auf dem Album, am effektivsten in "Basquiat" – gerade deshalb so dringlich, weil sich das Stück über sieben Minuten nie einen Ausbruch gönnt und der Call-and-response-Refrain "Are you mad? Yes, I'm mad!" eher sanft resigniert als rasend klingt. Die Nähe zu Kendrick Lamars "To pimp a butterfly" wird nicht nur im ausufernden Arrangement, sondern auch in der Getriebenheit von Saba deutlich. Dieses Feature des jungen Chicagoer Rappers ist mehr als nur eine Fußnote: Es erscheint zunächst befremdlich, dass mit "Betty (for Boogie)" ein Quasi-Remix des Openers den Schlusspunkt von "Legacy! Legacy!" setzt, doch begreift man es als Verbeugung vor der House-Musik Chicagos, ergibt alles einen Sinn. Ausgehend von ihrem nächstmöglichen Einflussraum, ihrer Heimatstadt, huldigt Woods nicht einfach der Vergangenheit, sie fördert auch aktiv neue Talente und gestaltet eine klare Zukunftsvision. "Aus der Geschichte lernen" kann manchmal auch mehr als eine Floskel sein.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Zora
  • Giovanni
  • Muddy
  • Basquiat (feat. Saba)

Tracklist

  1. Betty
  2. Zora
  3. Giovanni
  4. Sonia (feat. Nitty Scott)
  5. Frida
  6. Eartha
  7. Miles
  8. Muddy
  9. Basquiat (feat. Saba)
  10. Sun Ra (feat. theMIND & Jasminfire)
  11. Octavia
  12. Baldwin
  13. Betty (for Boogie)

Gesamtspielzeit: 49:02 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-05-23 20:03:46 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Mister X

Postings: 3401

Registriert seit 30.10.2013

2019-05-17 17:21:30 Uhr
Das Ding ist verdammt gut. Die hat eine super Soul-Stimme, nen geilen Groove und das perfekte Timing fuer Rhyms.

humbert humbert

Postings: 2406

Registriert seit 13.06.2013

2019-02-09 18:34:19 Uhr
Jamila Woods bringt am 5. März ein neues Album raus. Hier ein Lied.


Und die Tracklist. Jeder Song ist irgendeinem berühmten Afroamerikaner gewidmet:

01 Betty
02 Zora
03 Giovanni
04 Sonia [ft. Nitty Scott]
05 Frida
06 Eartha
07 Miles
08 Muddy
09 Basquiat [ft. Saba]
10 Sun Ra [ft. Themind And Jasminfire]
11 Octavia
12 Baldwin [ft. Nico Segal]
13 Betty (for Boogie)
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