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Flying Lotus - Flamagra

Flying Lotus- Flamagra

Warp / Rough Trade
VÖ: 24.05.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Schwere los

Ob nun gut oder schlecht, es ist definitiv ein Zeichen, wenn man bereits vorm Hören eines Albums Schnappatmung bekommt. Flying Lotus war ja nie dafür bekannt, seine Hörer zu schonen, huschte durch wahnwitzige Breaks und Drum-Attacken und hinterher war man meist völlig fertig. "Flamagra", sein sechstes Album, macht da bereits mit seinen Ausmaßen Angst. 27 Tracks – von Songs ist bekanntlich nur vereinzelt zu sprechen –, fast 70 Minuten Spielzeit. Puh. Aber ruhig Blut: Steven Ellison weiß selbst, dass man die halsbrecherischen Jazz-Fusion-Gebilde von "You're dead!" nicht einfach auf doppelte Länge streckt. Zumindest nicht, wenn der Verstand des Publikums möglichst an seinem Platz bleiben sollte. Also täuscht "Flamagra" lediglich zu Beginn die gewohnte Hyperaktivität an, um dann mehr und mehr die Zügel schleifen zu lassen. Es ist deutlich nachvollziehbarer, entspannter und zugänglicher als seine Vorgänger geworden. Leider aber auch: gewöhnlicher.

Es hatte offenbar seinen Grund, warum kein Flying-Lotus-Album bisher die 50-Minuten-Marke knackte. Bekanntlich entscheidet die Dosierung zwischen Medizin und Gift und "Flamagra" muss sich bei aller Rücksicht auf Verdaulichkeit vorwerfen lassen, seine überlange Laufzeit nicht ausreichend zu rechtfertigen. Natürlich hat es Ellison noch drauf, herrliche Soundscapes in den Orbit zu schießen. Das launig stolzierende "Burning down the house" mit George Clinton ist da ebenso weit vorne wie das sich über sechs Minuten aufbauende "Takashi". Es flirrt über die innere Mattscheibe wie ein altes Arcade-Game, ein regelrechter Wirbelwind. Dass Flying Lotus und die Weirdo-Newcomerin Tierra Whack ein perfektes Match sind, hätte zuvor niemand angezweifelt – das abgefahrene "Yellow belly" ist der Beweis. "My shoe is untied", ruft zu Beginn jemand, "He's got titties in his face", stellt eine grotesk verzerrte Stimme später sachlich fest. Nun gut.

Seine Momente hat "Flamagra" definitiv. Dennoch begnügt es sich immer wieder lediglich mit bloßer Hintergrundbeschallung. Die womöglich interessanter wäre, wenn dies Ellisons Debütalbum wäre. Langsam kennt man jedoch seine Tricks zwischen HipHop, Elektro und Jazz mit grummelnden Basslines und nadelspitzen Beats, und zwar von den großartigen anderen Alben. Da verblassen die zahlreichen Zwischenstücke im Vergleich deutlich. Es hilft auch nicht so wirklich, dass sich der 35-Jährige hier und da um Vielfalt bemüht. "Black balloons reprise" ist ein lupenreiner Rap-Track und wirkt ziemlich fehl am Platze. Was der Vintage-Walzer "Say something" auf "Flamagra" soll, wird auch nach zahlreichen Durchgängen nicht klar. Der Gastauftritt von David Lynch mag unterdessen nicht überraschend sein, seit Ellison selbst mit der Horror-Comedy "Kuso" ins Regie-Business eingestiegen ist. Lynchs Spoken-Word-Story stört allerdings zunehmend den Ablauf und nutzt sich schnell ab.

Viele Momente wie die rührende Mac-Miller-Hommage "Thank u Malcolm" kurz vor Schluss, deren Gniedelsolo sich in schwindelige Höhen katapultiert, rufen immer wieder ins Gedächtnis, was dieser Typ doch eigentlich kann, wenn er will. "More" schielt zwar allzu sehr auf das Lob für die damalige Kendrick-Lamar-Kollaboration "Never catch me", aber zumindest ist die zweite Geige für Anderson Paak in diesem Fall auch noch drin. Und am Ende schließt der Closer "Hot Oct." mit tiefergelegten Stimmbändern und sphärischem Wabern den Kreis zum Opener. Dennoch hat sich Flying Lotus mit "Flamagra" im Gesamten ein wenig am Anspruch verhoben, ein großes, ausuferndes Werk zu schaffen. Denn mit der gleichen Menge an Ideen lässt sich nun mal nicht problemlos fast die doppelte Zeit füllen. Mag sein, dass ein paar Leute auf sein relaxteres Easy-Listening-Album gewartet haben – denen dürfte "Flamagra" sogar Willkommen sein. Die anderen hoffen nächstes Mal wieder auf einen intensiveren Nervenkitzel.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Burning down the house (feat. George Clinton)
  • Takashi
  • Yellow belly (feat. Tierra Whack)
  • Thank u Malcolm

Tracklist

  1. Heroes
  2. Post requisite
  3. Heroes in a half shell
  4. More (feat. Anderson Paak)
  5. Capillaries
  6. Burning down the house (feat. George Clinton)
  7. Spontaneous (feat. Little Dragon)
  8. Takashi
  9. Pilgrim side eye
  10. All spies
  11. Yellow belly (feat. Tierra Whack)
  12. Black balloons reprise (feat. Denzel Curry)
  13. Fire is coming (feat. David Lynch)
  14. Inside your home
  15. Actually virtual (feat. Shabazz Palaces)
  16. Andromeda
  17. Remind u
  18. Say something
  19. Debbie is depressed
  20. Find your own way home
  21. The climb (feat. Thundercat)
  22. Pygmy
  23. 9 carrots (feat. Toro Y Moi)
  24. FF4
  25. Land of honey (feat. Solange)
  26. Thank u Malcolm
  27. Hot Oct.

Gesamtspielzeit: 67:12 min.

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User Beitrag

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

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Registriert seit 26.02.2016

2019-12-04 09:47:09 Uhr - Newsbeitrag
Ratter
2019-05-27 07:32:14 Uhr
Cosmogramma 7/10
Los Angeles 10/10
1983 7/10
Flam Flam der Feuerwehrmanman
2019-05-26 22:29:07 Uhr
Flamagra 5/10
You're dead 9/10
Until the quiet comes 8/10
Cosmogramma 8/10

Old Nobody

User und News-Scout

Postings: 3656

Registriert seit 14.03.2017

2019-05-26 17:21:29 Uhr
Ich finde das Album hier unterbewertet, verstehe aber ein Stück weit warum. In der Tat hat es nicht die Dichte und Intensität wie die letzten Werke. Die Stimmung ist auch in meinen Ohren relaxter als sonst. Und der Hörer ist weniger gefordert. Aber erstens mag ich die etwas chilligere Gesamtstimmung und zweitens ist das weit von Easy Listening oder gar Hintergrundbeschallung weg. Es hat dafür zu viele berührende und packende Momente/Stücke. Mich wundert, dass Black Balloon Reprise nicht bei den Highlights ist.

Das Album wirkt auf mich als ganzes eigentlich nicht zu lang. Am ehesten aber Takashi. Nicht so, dass ich das unbedingt skippen müsste aber die Hälfte hätte es auch getan. Pilgrim Side eye,Andromeda,FF4 oder Thank you Malcolm hätten dafür länger sein dürfen, aber das ist etwas was ich mir auf jedem Album denke.


Für mich insgesamt zwar sein schwächstes Album aber mehr im Sinne von am wenigsten stark. Bin da ausnahmsweise mal nah bei pitchie, die 7,8 geben.Allerdings sehen die you're dead nur n halben Punkt besser.Ich seh da schon nen ganzen Punkt bis anderthalb zwischen.

Flamagra 7,5/10
You're dead 9/10
Until the quiet comes 9,5/10 (die zweite Hälfte ist göttlich)
Cosmogramma gute 8/10
Los Angeles knappe 8/10
1983 knappe 9/10
mich wunderts
2019-05-24 22:19:42 Uhr
leider absolut richtig bewertet...

langweilige, gefällige easy-listening-Hintergrundmusik mit überraschungsarmen Mainstream-Features, die zudem noch viel zu lange ausfällt. "You're dead" war großartig, "Flamagra" braucht kein Mensch.
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