Doomsquad - Let yourself be seen

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 10.05.2019
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Nach dem Ich
Willkommen im Spannungsfeld der Gegensätze. Trevor, Jaclyn und Allie Blumas, zusammen die Geschwistercombo Doomsquad, sind stark darin, Widersprüchen nachzugehen und diese zu einem facettenreichen Gesamtbild zusammenfließen zu lassen. Erster Punkt: Wir sind vernetzt und können nichts dagegen tun, ist das gut, ist das schlecht? Die Antwort ist natürlich ein "sowohl als auch". Auf Doomsquads drittem Album "Let yourself be seen" trifft der Identitätsverlust durch Eingemeindung in ein Social-Media-Über-Ich auf das Potenzial von Massenbewegungen, die, aus den richtigen Intentionen geboren, viel bewegen können. Für und Wider rangeln auf diesem Album miteinander und zum Glück zeigt sich dies auch in der musikalischen Ausgestaltung. Denn bei Doomsquad trifft das kollektive Erlebnis durchtanzter Nächte und Tage in einem Club auf das singulare Konzept der Popmusik, bei der eine Figur, der Popstar halt, vorne auf der Bühne steht.
Vor allem die Achtziger haben es dem kanadischen Trio angetan, Detroit Techno, Acid House, Dub und Jungle sind die Grundlage der Songs, doch immer wieder inszenieren sich die Geschwister auch als Pop-Identitäten. Trevor haut in "General hum" und "Aimless" Vocal-Passagen raus, die Ikonen wie David Byrne und Peter Gabriel gut zu Gesicht stehen würden. Jaclyn dagegen gibt im erstgenannten Song die neon-durchflutete Soul-Diva und stellt eine entscheidende Frage: "I wonder / Why I'm following you / When I should be following me?" Da fällt sie einem wieder ein, die eigene Identität, die zwar scheinbar durch Instagram und Facebook zelebriert, doch sehr oft gegen die Funktion als tumber Follower-Sklave eingetauscht wird. Da passt auch folgendes Bild gut zum Thema: "I'm speeding down the Autobahn at 210 / And my faith rests in the trust of others." Kontrollverlust, aber auch das Aufgehen in etwas, das größer und wirkungsmächtiger ist als die eigene Person.
Allesamt spannende Überlegungen – sie würden jedoch ins Leere laufen ohne die vorzügliche musikalische Umsetzung. Das unterkühlte Snare-Geschepper von "Aimless" trifft auf in die Weite ausstrahlende Synthies und herrlich künstlich klingende Holz-Percussion. Doch das Sahnehäubchen sind die wunderbaren Gesangsmelodien, die sich reizend ineinanderwinden und einen starken Charakter besitzen, eingängig und mitreißend. Das Getriebene der Rhythmik von "Let it go" bringt dagegen infektiös die Körper zum Schwitzen, arschcool überhitzt die menschliche Motorik anhand dieser Beatparade, die stoisch im logischen Fluss dahinzockelt. Der zähflüssige Dub von "Emma" vernebelt daraufhin die klaren Konturen, statt voneinander abgesetzten Tanzschritten, eins, zwei, eins, zwei, drei, geht das Stück in ein außerkörperliches Schweben über. "Dorian's closet" zieht dann lieber klare Grenzen, mit kantigen Beats, schrägen Sirenen-Wirbeln und einem grell geschminkten Gesang.
Der Titeltrack greift eine ungesunde Kühle auf, trockene Beatkaskaden, die matt von den Fliesen eines alten Schlachtraumes widerscheinen, ein industrielles Rotieren und Pochen. Hier geht der Körper in die Maschine über, der Terminator lässt grüßen. Gerettet wird man aber doch und zwar durch den leidenschaftlichen Gesang der Blumas. Als Schlussvorstellung geben Doomsquad mit "Weather patterns" eine hypnotische Abfahrt, die erneut Widersprüchliches zusammenführt, Flötentöne der Anden mit stumpfer Motorik, verspielte Melodien mit treibender Beat-Taktilität und vor allem wehklagenden Vocals, die sich einer Armee aus wogenden Gliedmaßen gegenüber sehen. Hier wird das Ich noch einmal zelebriert, bevor es in den digitalisierten Meta-Körper eingeht.
Highlights
- General hum
- Aimless
- Emma
- Weather patterns
Tracklist
- Spandrel
- General hum
- Aimless
- Let it go
- Emma
- Spandrel II
- Dorian's closet
- Let yourself be seen
- The last two palm trees in L.A.
- Weather patterns
Gesamtspielzeit: 44:23 min.
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2019-05-09 20:38:52 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Snapped Ankles; Essaie Pas; Marie Davidson; Moon King; Anemone; Talking Heads; David Byrne; Peter Gabriel; Boy Harsher; Xeno & Oaklander; Helena Hauff; Laurel Halo; Vessel; Croatian Amor; Devo; Television; Gang Of Four; New Order; The The; Gary Numan; Orchestral Manœuvres In The Dark; Soft Cell; Talk Talk; Tropic Of Cancer; Tamaryn; The KVB; All Your Sisters; Suuns; Pinkshinyultrablast; Gang Gang Dance; Rainbow Arabia
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- Doomsquad - Let yourself be seen (1 Beiträge / Letzter am 09.05.2019 - 20:38 Uhr)