Kelly Finnigan - The tales people tell
Colemine / Cargo
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Der Soul-Auteur
Man kennt die Situation vielleicht noch aus Schultagen. Der Lehrer eröffnet eine Diskussionsrunde und jeder Schüler soll seine Meinung zu einem Thema sagen. Reihum geht also das Wort und als 15. Person im Kreis soll man nun selber seinen Senf dazu geben. Teils aus Faulheit, vielleicht weil einen das Thema nicht sonderlich interessiert und selbstverständlich auch, weil es schlicht der Wahrheit entspricht, flüchtet man mit einem "Alles was ich sagen wollte, wurde schon gesagt" aus der Debatte und wiederholt einige der bereits erwähnten Thesen. Wenn man sich nun die Soul-Musik als Diskussionsrunde vorstellt, in der verschiedene Künstler Neues beitragen können, dann wäre Kelly Finnigan sicherlich der eben erwähnte 15. Schüler, der sich auf dem bereits Gesagten ausruht. Das Debüt-Album des Kaliforniers fühlt sich an wie eine Rundreise zu den verschiedenen Topoi, die sich in 70 Jahren Soul-Musik ergeben haben – im bestmöglichen Sinne.
Finnigan selber begreift sich dabei als wahrer Auteur, also als Künstler, der bei seinem Werk wahrlich alle Zügel selber in der Hand hält. Er schrieb die zehn Songs alleine, spielte einen Großteil der Instrumente ein und hat das Ganze auch noch selber produziert. Dazu gesellt sich eine lange Liste von erfahrenen Gastmusikern, die auch schon für Sharon Jones und Charles Bradley gespielt haben. Jones, Bradley und Lee Fields sind selbstverständlich auch die nächsten Bezugspunkte. Die Ideen dieser Soul-Revivalisten scheint Finnigan auf "The tales people tell" zu verdichten und im erstaunlich authentischen Retro-Sound-Kleid zu bündeln. Man könnte die Songs leicht in die 60er-Jahre sortieren, so nah sind sie am klassischen Motown-Sound.
"Since I don't have you anymore" erinnert mit seinen Streichern und Bongos an Michael Kiwanukas grandioses Album "Love & hate" und ist eines der treibendsten Stücke. Im Falsett beklagt der Sänger das Ende einer Beziehung mit typischem Soul-Vokabular. "My eyes have never wandered from you / I said: 'Baby, please, you must try and understand / I would be the last one to walk out on you'", singt er. Am Ende scheitert die Beziehung aber dennoch. Klar, die Konsequenz aus solchen Erfahrungen lautet dann "I'll never love again". Der Song ist üppig mit Bläsern, effekt-beladenen Gitarren und einer E-Orgel instrumentiert und eines der mitreißendsten Stücke des Albums. Im ruhigen "Catch me I'm falling" erinnert Finnigan an Curtis Mayfield und erklärt sich dann doch wieder bereit, sich zu verlieben: "I don't wanna hear nobody's reasons why I shouldn't fall in love, oh, I will / Catch me I'm falling".
"I called you back baby" zeigt Finnigan von seiner rausten Seite. Die ohnehin schon angezerrten Vocals übersteuern, da der Sänger seine Lyrics so druckvoll über die launigen Instrumentals streut. Der druckvolle Song erinnert mit seinen blendend aufgelegten Bläsern stark an Künstler wie Sam & Dave. Pathos, Groove, Soul. Finnigan verbindet alles immer da und gut Gewesene zu einem wunderbaren Album und es gelingt ihm, zu reminiszieren, ohne überflüssig zu klingen.
Highlights
- I don't wanna wait
- I'll never love again
- I called you back baby
Tracklist
- I don't wanna wait
- I'll never love again
- Smoking & drinking
- Every time when it rains
- Catch me I'm falling
- Since I don't have you anymore
- Impressions of you
- I called you back baby
- Freedom
- Can't let him down
Gesamtspielzeit: 36:52 min.
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Referenzen
Charles Bradley; Lee Fields; Sharon Jones & The Dap-Kings; Michael Kiwanuka; Leon Bridges; Curtis Harding; Otis Redding; Marvin Gaye; Bill Withers; Sam & Dave; Curtis Mayfield; Sly & The Family Stone; Sunny & The Sunliners; The Jack Moves; The Sha La Das; Durand Jones & The Indications; Sugaray Rayford; Jacob Banks; The Revivalists; The Teskey Brothers; St. Paul & The Broken Bones; The Temptations; The Supremes; The Four Tops; The Isley Brothers; Wilson Pickett; James Brown; The Staple Singers
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