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Sun Kil Moon - I also want to die in New Orleans

Sun Kil Moon- I also want to die in New Orleans

Caldo Verde / H'Art
VÖ: 12.04.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Männer, die auf Kühe starren

Was haben Kühe, Schreckensnachrichten im Fernsehen und Jamsessions gemeinsam? Auf den ersten Blick rein gar nichts. Auch auf den zweiten Blick nichts und doch widmet Mark Kozelek allen genannten Themengebieten Strophen seines neuen Albums. Im Kozelek-Kosmos regiert das sanftmütig vorgetragene Chaos. Leicht hat es einem der griesgrämige Eigenbrötler nie gemacht. Nachdem er für sein 2014er Album "Benji" mit Lorbeeren überhäuft wurde, hat jedermanns Lieblingsamerikaner konventionelle Songstrukturen aber endgültig hinter sich gelassen. Damit nicht genug: Kozelek pfeift seither auch auf Genregrenzen. Sun Kil Moon gibt es mittlerweile auf Beats und Ambient-Instrumentals über die auch Aesop Rock rappen könnte – so zuletzt auf "Common as light and love are red valleys of blood". 2016 wandelte er gemeinsam mit dem Briten Justin Broadrick alias Jesu in düsteren Alternative-Rock-Gefilden. Man kann es schließlich nicht allen recht machen und wenn man Mark Kozelek heißt, will man das auch gar nicht.

Kompositionstechnisch bog das Sun-Kil-Moon-Projekt in den letzten Jahren ein paar Mal scharf nach links, um dann bei voller Geschwindigkeit zu bremsen, umzudrehen und doch rechts zu fahren. Allen Genrewechseln zum Trotz stand der Spoken-Word-Vortrag immer stärker im Mittelpunkt. Mehr und mehr wurden die Alben der Band zu musikalisch unterlegten Kurzgeschichtensammlungen. Dieser Trend setzt sich auch auf "I also want to die in New Orleans" fort, wobei der entsprechende Soundtrack hier – von ein paar Abstechern in die Weiten des Jazz abgesehen – im Folk beheimatet bleibt. Interludes mit dominanter Bläsersektion, die klangtechnisch stark an Sufjan Stevens "Illinois" erinnern, führen von einem Abschnitt zum nächsten. Auf so etwas wie eine nachvollziehbare Chronologie oder einen Chorus wartet man vergebens. Kozeleks Beobachtungen plätschern hervor, wie überkochendes Nudelwasser, ganz so als säße man dem etwas schrulligen Onkel gegenüber, der nach zwei Monaten Abgeschiedenheit endlich wieder auf einen Ansprechpartner trifft. Die Erzählungen kommen derart formlos und fragmentarisch daher, dass man dem Künstler schlicht Faulheit unterstellen könnte. Hört man genau hin, offenbaren sich im endlosen Stream of Consiousness aber spannende Gedankengänge. Vor allem, weil Kozelek zusammenfügt, was vermeintlich gar nicht zusammengehört.

Alltagserlebnisse aus dem Musikerdasein folgen auf Schockereignisse aus den Nachrichten. Man bleibt eben auch dann Musiker, wenn im Vorfeld der Probe 14 Schüler und drei Erwachsene bei einem Attentat in Florida erschossen wurden und der Präsident im Anschluss dazu auffordert, künftig doch auch die Lehrkräfte zu bewaffnen. Kozelek verzichtet auf rhetorische Schnörkel. Die Dinge werden beim Namen genannt und lediglich vom sprechenden Ich zusammengehalten. Bestimmt wird man dem Amerikaner nicht überall zustimmen. Um "I also want to die in New Orleans" etwas abgewinnen zu können, muss man das auch nicht. Das Sun-Kil-Moon-Mastermind versucht gar nicht erst, auch nur den Anschein von Objektivität oder Allgemeingültigkeit zu erwecken, weswegen man sich an der ein oder anderen Stelle – etwa bei Kozeleks doch einseitiger Technikkritik – getrost zurücklehnen kann und denken: "Der schrullige Onkel eben..."

Über mehrere Minuten hinweg erzählt der Musiker auf sich ständig wiederholenden Folkpatterns. In gelungenen Momenten fordern die Songs dazu auf, abzuwarten, zuzuhören und zu sehen, wohin die Reise geht. Gelegentlich werden die präsentierten Eindrucksfetzen allerdings allzu lieblos vor die Füße geworfen. Dies betrifft insbesondere "L-48", den mit Abstand schwächsten Track des Albums. Naturgemäß bleiben auch Absurditäten nicht aus. Auf "Cows" schwärmt Kozelek sowohl vom beruhigenden und angenehmen Wesen der Kuh als auch vom atemberaubenden Geschmack des Kuhfleisches. Der Mensch ist ein kompliziertes Wesen und für manche Menschen gilt das wohl ganz besonders.

(Katharina Bruckschwaiger)

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Highlights

  • Couch potato
  • Coyote

Tracklist

  • CD 1
    1. Coyote
    2. Day in America
    3. L-48
    4. Cows
    5. I'm not laughing at you
  • CD 2
    1. Bay of Kotor

Gesamtspielzeit: 89:04 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Mark K.
2019-04-23 14:13:04 Uhr
Hey, was soll ich dazu sagen? Es ist halt ein neues Album, auf dem ich erzähle, was ich zu erzählen habe. Ich habe viel erlebt in meinem Leben, auf einiges bin ich stolz auf das meiste nicht. Aber was solls, das Leben geht weiter, immer weiter. Wie ein Fluss der sich seinen Weg durch das Hinterland Ohios bahnt und sich dabei nicht aufhalten lässt. Auch die Fische, die in ihm Leben, interessiert der Fluss nicht, sie wollen einfach leben. Dazu paaren sie sich und leben fort und fort. Irgendwann kommt ein Bär und schnappt sich einen Fisch und füttert damit seine Jungen. Die prügeln sich darum und beißen sich gegenseitig, wie wir Menschen in Amerika es tun, wenn uns etwas vor die Füße geworfen wird. Wir müssen alle Leben und leben und leben und das jeden Tag und jede Nacht. Leben wie die Kuh auf der Weide, die das Gras frisst und dabei so bezaubernd aussieht, dass man sie küssen möchte. Aber das darf man nicht, also ist man Kuhfleisch, welches wirklich so schmackhaft ist, dass man die Kuh als erhabenstes aller Tiere verehren muss, trotz der ganzen Furzerei auf der Wiese. Aber die Fürze der Kuh steigen auf in den Himmel und weiter und weiter und weiter...

Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2019-04-18 21:00:16 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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