Bear's Den - So that you might hear me

Caroline / Universal
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kannibalische Introversion
"Die Stunden machen kleine Schritte / Und heben ihre Füße kaum / Die Langeweile macht Visite / Die Tanten flüstern über Dritte / Und drüben, auf des Marktes Mitte / Schnarcht leise der Kastanienbaum." Wenn Bear's Den halbwegs Pablo Neruda zitieren, dann kontern wir mit good old Erich Kästner. "So that you might hear me" heißt die neue Platte des britischen Duos, dessen Titel sich auf ein Gedicht des chilenischen Dichters bezieht. So wie Neruda in "Para que tú me oigas" sein Herz verliert und Kästner in "Kleine Stadt am Sonntagmorgen" einem Tagtraum von der Alltäglichkeit frönt, so singen Bear's Den auf ihrem dritten Album aus dem tiefsten Inneren, verharren dabei aber im Ordinären, Unaußergewöhnlichen.
"So that you might hear me" hat viele kleine Ohrwürmchen, aber kaum einer bleibt so richtig hängen. Das Album ist voller schöner Melodien, aber als Gesamtwerk ist wohl es eine Spur zu zurückhaltend. Auf "Islands" hatten Bear's Den noch das Banjo, welches im Zweifel aufdrehte, auf "Red earth and pouring rain" war der Wille zum Pop allgegenwärtig, aber die dritte Platte der Londoner verzichtet scheinbar freiwillig auf jede Klimax. Da nützen auch die melancholischen Trompeten in "Evangeline", die vom Aufbruch innerhalb der Vergebung künden, nichts. Ebenso wenig das warmherzige Piano und der ausgreifende Gesang Andrew Davies in "Fossils" mit seiner Trennungserzählung. Auch die Single "Fuel on the fire" handelt vom Auseinandergehen, ihr elektropoppiger Unterbau ist allenfalls nett.
Apropos Singles: Neben erwähnter wurden auch noch die relativ klassische Piano-Gitarren-Ballade "Blankets of sorrow" und die synthieunterfütterte Einsamkeits-Hymne "Laurel wreath" vorveröffentlicht. Letztere liefert mit "December in my eyes" immerhin ein schönes Bild, aber dennoch – keine Hits auf "So that you might hear me". Höchstens das als Alkoholismusgeständnis aufzufassende "Hiding bottles" mit seiner herzschlagenden Percussion und reißerischen Gitarre passt in diese Kategorie. Es ist zudem der einzige Song, der musikalisch auch auf "Red earth and pouring rain" funktionieren würde. Zumindest das angenehm vor sich hin dudelnde "Conversations with ghosts" mit seinem scheppernden Tambourin und Davies vielseitiger Intonierung kann man noch in die Highlight-Liste packen.
Davie gibt an, textlich weniger auf Sinnsuche gewesen zu sein als auf den beiden Vorgängern, sich beim Songwriting mehr auf sein Unterbewusstsein verlassen zu haben. Gleichzeitig erklärt er zu Nerudas Gedicht Folgendes: "Für mich dreht es sich darum, zu versuchen mit jemanden zu kommunizieren und sich dabei zu fühlen, als würde man ihn nicht mehr erreichen können. Das hat mich ziemlich beschäftigt und wurde versehentlich zum Thema des Albums." Jetzt auf diesen Zug aufzuspringen und zu sagen, Bear's Den erreichten ihre Hörer nicht mehr, wäre zu einfach und auch falsch. Vielmehr darf gefragt werden: Wollen Bear's Den überhaupt gehört werden?
Der Zugang zu "So that you might hear me" ist nicht einfach, weil Intimität bei der Band früher anders funktionierte, aber auch weil sie hier kaum einmal aus der Deckung kommt und sich öffnet. Wenn man genau hinhört, finden sich durchaus bewegende Geschichten wie etwa in "Not every river", welches von verlorener Hoffnung erzählt, oder im herzergreifenden "Crow", das sich von Max Porters "Grief is the thing with feathers" inspirieren ließ. Die Feder ziert auch das Artwork von "So that you might hear me" und es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die ganze Platte von einer tiefen Traurigkeit geprägt ist. Schade, dass sie sich über weite Strecken in einer fast unwirklichen Eintönigkeit niederschlägt und sich in ihrer Introversion fast kannibalisiert, statt nach außen zu treten und den Hörer wirklich zu fesseln. Trotzdem ist es kein schlechtes Album, es ist einfach ein schwieriges.
Highlights
- Hiding bottles
- Conversations with ghosts
Tracklist
- Hiding bottles
- Fossils
- Fuel on the fire
- Breaker / Keeper
- Not every river
- Laurel wreath
- Crow
- Conversations with ghosts
- Evangeline
- Blankets of sorrow
Gesamtspielzeit: 41:07 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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musie Postings: 4047 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-07-23 14:53:33 Uhr
Die letzte von The National und diese hier bringe ich überhaupt nicht miteinander in Verbindung. Bei The National eher der künstlerische Ansatz mit all den Gast-Sängerinnen sowie dem begleitenden Film und dem Artwork und bei Bear's Den eher das klassische folkige Songwriting, nicht? Im letzten November und anfangs Dezember während der Deutschlandtour war ich voll in I Am Easy to Find, gab dem Album eine 10/10, jetzt im Sommer bin ich mehr bei Bear's Den. Beide Alben klasse. |
Marküs Postings: 1394 Registriert seit 08.02.2018 |
2020-07-23 14:00:07 Uhr
Dieses Album ist auch nach einem Jahr immer noch erheblich besser als die letzte The National und nahezu auf dem Niveau des grandiosen Vorgängers |
jo Postings: 6769 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-07-23 11:43:08 Uhr
Ich bin nach wie vor etwas enttäuscht von dem noch aktuellen Album. Ich fand den Vorgänger um einiges stärker. Aber einige "Hits" würde ich dem Album dennoch attestieren. Alleine "Crow" ist schon sehr stark. |
musie Postings: 4047 Registriert seit 14.06.2013 |
2020-07-23 11:39:18 Uhr
Das habe ich vor einem Jahr zur Rezi geschrieben:'Aufs erste Hören erneut ein richtig starkes Album. Ich würde nicht sagen - wie der Tenor der Rezi hier - es hat kaum Hits, sondern es hat fast nur Hits. Wieder leicht verändert zum Vorgänger, halten das Niveau aber problemlos.' Das seh ich immer noch so. Eine treffsichere 8/10 das Album. |
Michael Warer Magot Postings: 497 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-07-22 22:52:41 Uhr
Ich bin immer noch erstaunt, dass in der Rezension "keine Hits" beklagt wurden. Ich liebe "Crow", "Blankets Of Sorrow", "Conversations With Ghosts" und vor allem das fantastische "Laurel Wreath", gerade aktuell auch in der tollen Lockdown-Fan-Version. Ganz, ganz tolle Band, die ich unbedingt nochmal live sehen muss. |
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Referenzen
Doves; Snow Patrol; Bastille; A-Ha; Morten Harket; Duran Duran; Ben Howard; Bon Iver; Fleetwood Mac; Spandau Ballet; Arcade Fire; Matt Corby; Athlete; Coldplay; U2; Eskobar; Elbow; Guy Garvey; Kashmir; Thirteen Senses; Smoke Fairies; The Barr Brothers; The Low Anthem; Fanfarlo; Bowerbirds; Mumford & Sons; Sons Of Noel And Adrian; Noah And The Whale; The Band; The Felice Brothers; The National; Matthew And The Atlas; Sufjan Stevens; The War On Drugs; Tired Pony; Admiral Fallow; Band Of Horses; Great Lake Swimmers; Iron & Wine; I Like Trains; The Boxer Rebellion; Editors; Augustines; Death Cab For Cutie; OMD; Alphaville; Blaue Blume
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