The Tallest Man On Earth - I love you. It's a fever dream.

Rivers/Birds / Rough Trade
VÖ: 19.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Nur geträumt
Auf dem Cover zu seinem fünften Album "I love you. It's a fever dream." hält Kristian Matsson alias The Tallest Man On Earth seine Augen fest geschlossen. Hat er fiese Kopfschmerzen? Befindet er sich gerade in einer Phase tiefster Konzentration? Oder ist er genervt, vielleicht von den viel zu hohen Erwartungshaltungen, die man ihm gegenüber hegt? Wir wissen es nicht. Fest steht indes: Mit geschlossenen Augen lässt es sich am besten träumen und irgendwie soll es auf der neuen Platte auch um Träume gehen, um den Schwebezustand zwischen Schlaf und Wachsein. Verpackt hat Matsson seine zehn neuen Geschichten einmal mehr in melodiöse Indiefolk-Schmachtfetzen, die freilich immer noch vor allem von der grobkörnigen Stimme des Schweden leben. Die Dynamik wurde indes ein wenig reduziert, oft wirken die neuen Stücke getragener und ruhiger, gerade im Vergleich zum Frühwerk des Singer-Songwriters.
Das passt natürlich zum Schmuse-Image und zum Wohlfühlcharakter, der The Tallest Man On Earth mittlerweile ein wenig anhaftet. Seine Stücke handeln schließlich oft vom Herzschmerz, von Wehmut und anderen ähnlichen Wankelmütigkeiten. Da bildet auch Album Nummer fünf keine Ausnahme: Matsson widmet sich dem von Erosionen erschütterten Innenleben, während die Akustikgitarre den Puls erhöht und ein gelegentlich aufspielendes Klavier dramatische Kontrapunkte setzt. Der Opener "Hotel bar" setzt auf eine zusätzliche Mundharmonika, die gezupfte Gitarre erinnert an die dramatisch-schönen Stücke eines Sufjan Stevens, Matssons Stimme trägt die Nummer dann natürlich in eine andere Richtung, auch wenn hier wie dort Traurigkeit der Nährboden ist. Mit satten Pianoklängen beginnt das folgende "The running styles of New York", eine wolkenweiche Ballade, zu der man wahlweise die Bettdecke über den Kopf ziehen oder sich ins wilde Leben stürzen möchte.
Am besten wird The Tallest Man On Earth jedoch immer, wenn er wieder etwas dynamischer zu Werke geht, so wie im flotten Folkpop von "I'm a stranger now", einer frühlingsfrischen Hymne, die bei jedem guten Radiosender rauf und runter laufen sollte. Natürlich ist die Nummer durchwirkt von einer gewissen Melancholie, doch Aufbruch und Optimismus schimmern hell durch, geben Hoffnung und runden diesen wunderbaren Song letztlich ab. "My dear" überzeugt mit Fingerpickung und Matssons Stimme, die sich meist wie eine leicht kratzige Decke über die Kompositionen legt. Im abschließenden Titelsong zieht Matsson Bilanz, all seine Eindrücke schildert er über den Klang einer einsamen Gitarre, vielleicht war die ganze empfundene Liebe nur ein Fiebertraum? Ein zusammengesponnenes Konstrukt, das mit der Realität nichts zu tun hat? Gen Ende stoßen triumphale Bläser hinzu und feiern mit The Tallest Man On Earth den Zweifel. Und nun schließen auch wir unsere Augen.
Highlights
- Hotel bar
- My dear
- I'm a stranger now
Tracklist
- Hotel bar
- The running styles of New York
- There's a girl
- My dear
- What I've been kicking around
- I'm a stranger now
- Waiting for my ghost
- I'll be a sky
- All I can keep is now
- I love you. It's a fever dream.
Gesamtspielzeit: 39:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Mic |
2019-05-17 23:39:01 Uhr
10/10 war sein Debutalbum, aber nicht dieses |
Felix Arschmeier |
2019-05-17 23:37:17 Uhr
10/10 aber sowas von! |
Mic |
2019-05-17 23:23:37 Uhr
Bin auch bisschen enttäuscht vom Album. Bisher habe ich jedes Album gefeiert. Aber diesmal sind es nicht die ruhigen Songs. Sondern es sind wirklich langweilige Songs. Nicht alle. Um Gottes Willen. Aber zu viele. |
Murtaugh Postings: 2 Registriert seit 12.05.2019 |
2019-05-13 10:03:28 Uhr
@Tobi89Da sieht man mal, zum Glück, wieder wie Geschmack auseinander geht :) Gerade die von dir angesprochenen Highlights sind meine Nemesis Songs auf der Platte. Ich hab wahrlich nichts gegen ruhige Songs wenn sie denn abwechslungsreich und gut durcharrangiert sind. Und da hapert es aus meiner Sicht bei den letzten beiden Alben ein wenig. Beste Beispiele Billy Joel oder auch Rare Futures(wessen Album ich hier wirklich ganz, ganz schwer vermisse, auch wenn ein komplett anderes Gernre) deren Songs zum Großteil Versatzstücke aus mehreren Songs sind, welche ich leider bei Mattson in diesem Falle nicht finden kann. Gut, ist nicht tragisch. Ich kann einfach die alten Alben hören und mich freuen (wenn's denn dann endlich mal ein Remaster gibt. Shallow grave ist zum Teil wirklich grenzwertig). |
Tobi89 |
2019-05-13 09:44:57 Uhr
Da muss ich Murtaugh doch glatt widersprechen. Finde die 7/10 absolut gerechtfertigt und würde eher zur 8 tendieren. Auch als highlightarm würde ich das Album bei weitem nicht bezeichnen. Hotel Bar, The Running Styles of New York, Waiting For My Ghost, um einige zu nennen, sind ganz wunderbare Songs. Die Songs sind halt weniger folkig, sondern eher ruhig, was sie aber nicht schlechter macht. Mir gefällt seine Weiterentwicklung, aber wie so oft ist es halt ein subjektives Empfinden. |
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Referenzen
Bob Dylan; Eric Bachmann; Bon Iver; Neil Young; Vic Chesnutt; Bill Callahan; Micah P. Hinson; Timesbold; Justin Vernon; Smog; Iron & Wine; Sam Amidon; Johnny Flynn; Donovan Quinn & The 13th Month; Nick Drake; Bowerbirds; J. Tillman; Father John Misty; Phosphorescent; M. Ward; Langhorne Slim; Fleet Foxes; Elliott Smith; Montezumas; Fire On Fire; Sun Kil Moon; The National; Bruce Springsteen; Crosby, Stills, Nash & Young; My Morning Jacket; Mark Eitzel; Eels; Bright Eyes; Villagers; Eef Barzelay; Cat Power; James Yorkston; Alela Diane; Joanna Newsom; Bert Jansch
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