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The Coathangers - The devil you know

The Coathangers- The devil you know

Suicide Squeeze / Cargo
VÖ: 08.03.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Zeitlos

Was darf Punk? Diese Frage stellte nicht Elon Musk gegen Ende eines langen Abendessens in einem edlen Fischrestaurant im Silicon Valley, sie schwebt nur ein bisschen im Raum, wenn man sich den Werdegang von The Coathangers anschaut. Seit das Trio 2006 aus der DIY-Szene Atlantas emporstieg, veröffentlichte es mit einer konstanten Beamtenpünktlichkeit alle zwei bis drei Jahre ein Album. Darüber hinaus können The Coathangers mittlerweile nicht nur alle ihre Instrumente spielen, ihre Musik behandelt Genregrenzen auch mit der Präzision einer Abrissbirne. So beschreibt "The devil you know", Platte Nummer sechs, den bisherigen Gipfel einer Entwicklung, in der sich eigentlich alle halbwegs namhaften Vertreter einfacher Gitarrenmusik der Siebziger bis Neunziger irgendwo als Referenzen nennen lassen. Doch trotz der stilistischen Ambitionen haben The Coathangers kaum etwas an Aggression und Konfrontationsdrang eingebüßt, und auch bei den meistens unter drei Minuten bleibenden Songlängen sind sie immer noch ganz die alten Punks. "I'm short of time, like bubblegum", singt Julia Kugel passenderweise im minimalistischen "Last call". Wir haben doch alle keine Zeit.

Mit Indie-Rock-Riffs und klimperndem Piano lockt Kugels süßlicher Gesang in den Opener "Bimbo", doch die Fährte ins Lebkuchenhaus ist nicht nur im Märchen eine falsche. Schnell ist Geschichte mit der Zuckrigkeit, wenn plötzlich härtere Gitarren in den Refrain brechen und Drummerin Stephanie Luke losbrüllt. Der Kontrast zwischen den unterschiedlichen Stimmen erweist sich als eine der größten Stärken der Band, belebt etwa auch "Crimson telephone": "Hide the scars", haucht Kugel hier unheimlich, ein Konterpunkt zu den krachenden und schreienden Ausbrüchen dieses schleppenden Bassstücks. Ihre Kollegin Luke überzeugt indes auch in der Hauptrolle, trägt den großartigen Kuhglocken-Grunge von "5 farms" genauso wie die keifende Außenseiter-Hymne "Hey buddy" – ein von Homophobie bis Catcalling reichender Rundumschlag, der sowieso immer den Richtigen trifft. Ihren politischen Protest können The Coathangers allerdings auch zielgerichteter kanalisieren, der Slogan "F the NRA" gerät da recht selbsterklärend. Dass dieser Mittelfinger in Richtung der amerikanischen Waffenlobby als geradlinigster und simpelster Punk-Song der Platte an Black Flag und Co. erinnert, erscheint angebracht.

Die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und launigem Gekasper gelingt "The devil you know" immer mühelos. Auf der Jux-Seite stehen etwa "Stranger danger", eine ganz und gar merkwürdige, psychedelische Horrorshow, oder auch "Stasher" – kindliche Strophen, schon wieder Piano und nach zwei Minuten abrupt vorbei. Das andere Extrem bilden die schwebende Abschluss-Ballade "Lithium" und "Step back", in dem sich Kugel der Drogensucht einer geliebten Person stellt: "You've been gone too long / And I want you back." Spätestens, wenn der Refrain die Gitarren ganz breit auffährt und der Gesang wie aus der Geisterwelt hallt, gibt sich das Album einer melancholischen Blöße hin, mit der so nicht zu rechnen war. Erst ein paar Songs später löst "Memories" den Kloß im Hals vollständig – mit Meredith Francos bestem Bassspiel, New-Wave-Ästhetik und Bläser-Ansätzen nicht nur der musikalisch beste Song der Platte, sondern auch der, der einem Liebeslied hier am nächsten kommt: "I'll be your lighthouse in the dark." Geschenkt, dass das Meisterstück "Suck my shirt" noch etwas mehr Dreck aufwirbelte, The Coathangers geben allem Raum, worauf sie Bock haben, huldigen ihren Vorbildern und bleiben dabei immer voll auf Höhe der Zeit. Genau das soll Punk.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Bimbo
  • 5 farms
  • Step back
  • Memories

Tracklist

  1. Bimbo
  2. 5 farms
  3. Crimson telephone
  4. Hey buddy
  5. Step back
  6. Stranger danger
  7. F the NRA
  8. Memories
  9. Last call
  10. Stasher
  11. Lithium

Gesamtspielzeit: 31:22 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Görr
2019-04-11 15:22:21 Uhr
Punk ist mehr als das.
Und ich glaube du warst nie Punk und kannst das nicht beurteilen.

Das ist zu eigen Machung der Stimme einer Subkultur.
Ja echt eh
2019-04-11 15:15:57 Uhr
Der Typ der da schreibt haut jede Woche so komische Sachen in seinen Texten hier raus...

Marvin

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 67

Registriert seit 27.04.2018

2019-04-11 15:15:05 Uhr
Was ist an einem Song wie "F the NRA" denn kein Punk? Und "gemäß Rezi" stimmt so auch nicht ganz, ich schreib ja schon im ersten Absatz, dass sie was Genres und Einflüsse anbelangt, recht breit gefächert sind. Und man so einige an Gitarrenmusik-Strömungen heraushören kann, wenn man es drauf anlegt.
MarGon
2019-04-11 13:02:16 Uhr
Rock oder Garage Rock tuts doch auch mal
MarGon
2019-04-11 12:25:25 Uhr
Gemäß Rezi mal wieder Punk, was sonst!

Jede 2. Platte wird hier als Punk empfunden. Wenn ich das dann höre, frage ich mich, was denn daran nun Punk sein soll? Eine Gitarre?
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