All Your Sisters - Trust ruins
The Flenser
VÖ: 12.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Stahlbadezusatz
Manche Dinge erklären sich von selbst, ohne dass man die genauen Hintergründe kennen müsste. So liegt beim Hören von All Your Sisters' "Trust ruins" auf der Hand, dass in die Erlebniswelt von deren Mastermind Jordan Morrison viel Unangenehmes eingedrungen ist. Deshalb nur kurz, um das Bild komplett zu machen: Morrisons Schwager ist an einer Überdosis gestorben, das zum Schmelztiegel der lokalen Künstlerszene umfunktionierte Ghost-Ship-Lagerhaus in Oakland brannte ab mit vielen Todesopfern. Dazu kommt die letzte Präsidentschaftswahl in den USA. Das dritte Album von All Your Sisters zeigt nun eindrucksvoll auf, dass Wut ein entscheidender Bestandteil von Trauer sein kann. War die Musik dieses Projektes durch Goth-Anleihen, Industrial und Post Punk eh schon recht düster aufgestellt, kommt jetzt eine kompromisslose Brachialität hinzu. Die elektrischen Drums prügeln sich eiskalt und mit fataler Härte ausgestattet durch die Songs, die Synthies ziehen eine Schneise wie eine Machete durchs Unterholz, und der Gesang Morrisons gefällt sich in einer kaltblütigen Theatralik, die kaum zu versöhnen ist.
Der Drumcomputer in "Power abuse" liegt bereits im roten Bereich, wenn Morrison zu seinem gnadenlosen Mantra "Pain / Fear / Power / The bullet" ansetzt. Zu gruftigen Klavierklängen erklingt dann ein Refrain, dessen erstaunliche Beweglichkeit aus Rohstahl gegossen zu sein scheint. Dieses Album mag nämlich brutal und rücksichtslos voranschreiten, es beinhaltet aber immer wieder Melodien, die in anderem Kontext als elegant bezeichnet würden. Dennoch scheint sich in "Your way" unter der fahlweißen Schminke ein Hooligan versteckt zu haben, der in dem klanglichen Stahlgewitter des Songs nach körperlicher Betätigung sucht. Die hämmernden Beats von "Dividing lines" eröffnen da bereits das nächste Kampffeld, die Gitarre schneidet sadistisch ein paar Akkorde ins Fleisch, und der sedierte Anstrich des Gesangs erscheint augezwungen. Pünktlich zum Refrain werden die Waffen in Angriffshaltung gezückt, diese Musik reißt Wunden, bollert Kopfschmerz begünstigend die Nervenbahnen entlang und kommt erst zur Ruhe, wenn die Songkonstruktionen in sich zusammenbrechen.
Die Synth von "Self-medicating" bohrt da auch besonders unnachgiebig, während die Drums mit grober Kelle eine martialische Dynamik vermitteln. Den Gesang dazu könnte Kurgan aus der Highlander-Reihe eingesungen haben, während er sich darauf vorbereitet, seine Widersacher um ihren Kopf zu erleichtern. Ja, Wärme und Versöhnliches findet man auf "Trust ruins" eher nicht, das Sounddesign etabliert eine kalte Unnahbarkeit, die in ihrer Konsequenz ein starkes Statement darstellt. Das fatalistische Wanken durch eisigen Nebel im Titelsong ist eine exemplarische Erfahrung für dieses Album, welches erst mit "The enabler" durch zarte Klaviertöne so etwas wie einen verletzlichen Moment aufzeigt. Typisch sind aber eher die stoisch hämmernden Synths von "The deceiver", die auch hier den vergleichsweise handzahmen Gesang wie Blitze durchzucken. Man sollte sich für dieses Album warm anziehen, einen sicheren Unterschlupf suchen und vielleicht auch ein wenig auf Distanz bleiben, aber das erklärt sich nach kurzem Kontakt mit "Trust ruins" ja von selbst.
Highlights
- Power abuse
- Your way
- Trust ruins
Tracklist
- A demon left the door open
- Power abuse
- Your way
- Dividing lines
- Window
- A factory of unpleasent dreams
- Self.medicating
- Trust ruins
- The enabler
- The deceiver
Gesamtspielzeit: 35:58 min.
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