Hugh Marsh - Violinvocations
Western Vinyl / Cargo
VÖ: 15.03.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Ein Instrument
Und auf einmal hatte Hugh Marsh, seines Zeichens stark gefragter Violinist, ganz viel Zeit. Ein musikalisches Projekt in Los Angeles, an dem Marsh teilnehmen sollte, zerschlug sich kurzfristig. Nun, die Unterkunft war für ein halbes Jahr im Voraus gezahlt und das Musikstudio stand für diesen Zeitraum auch halbtags zur Verfügung. In der eigentlichen Heimat Toronto wartete nur der Scherbenhaufen einer zerbrochenen Beziehung, also blieb Marsh im "Golden State" und nahm jeden Tag ein Stück Musik auf. Seine Violine nahm dabei eine entscheidende Rolle ein, jedoch merkt man das auf dem resultierenden Album "Violinvocations" nicht direkt. Denn anstatt auf gängigen Bahnen virtuose Melodien hervorzuzaubern, sah Marsh sein Instrument eher als Grundlage für Experimente, Manipulationen und Mutation. Ja, der Hörer erkennt das Instrument oft erst mal gar nicht.
Man greife sich nur "A beatiful mistake" heraus: Statt orchestralen Schönklang zu verbreiten, wird die Geige hier zur runtergeratzten E-Gitarre umgewandelt, das knirscht und fetzt und scheint direkt aus der Vorhölle von Sonic Youth zu kommen. Die melodischen Linien vom eröffnenden "I laid down in the snow" geben sich dagegen als abgestumpftes Mückensummen, scheinen enervierend um den Hörer zu kreisen und verweigern die klangliche Ästhetik, die man allgemein mit der Violine verbindet. Selbst noch ein Außenseiter unter diesen sonderbaren Versuchsanordnungen ist "Miku murmurationen", welches Sprachschleifen morpht, verzerrt und zerhackt, nur um diese auf aufregende Weise neu zu arrangieren. Dabei erinnern die neuen melodischen Formationen dann tatsächlich an versprachlichtes Violinenspiel.
Zwei spannende Situationen bietet "Thirtysix hundred Grandview": Zum einen wird das Zupfen und Picken an den Violinensaiten hier zu einem selbstvergessenen Meditationsspiel und zum anderen kann man bei den später einsetzenden, melodischen Flächen kaum unterscheiden, ob es sich dabei um einen Synthesizer handelt, der es sich zwischen Europa und Asien bequem gemacht hat oder eben doch wieder um eine manipulierte Violine. Ausnahmsweise fast klassisch ist das Spiel zum Schluss von "Da solo non solitario", beim abschließenden "She will" nutzt Marsh sein Instrument hingegen als Grundlage für stimmungsvolle Drones, bevor er dem Hörer mit wunderbar mäandrierenden Melodien ein wenig Zucker verabreicht. Spannend bei all den Stücken ist der Umstand, dass man ihnen ihre Herkunft aus dem Experiment immer anmerkt. Marsh war von den Ergebnissen scheinbar oftmals selbst überrascht, so dass diesen Takes die Schönheit des Zufalls innewohnt. Und verblüfft darüber, was man aus einer Violine hervorholen kann, ist man obendrein.
Highlights
- Miku murmuration
- Da solo non solitario
- She will
Tracklist
- I laid down in the snow
- Miku murmuration
- Thirtysix hundred Grandview
- The rain gambler
- A beautiful mistake
- Da solo non solitario
- Across the aether
- She will
Gesamtspielzeit: 50:24 min.
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Referenzen
Black To Comm; Ian William Craig; Eli Keszler; Machinefabriek; Light Conductor; William Basinski; Abul Mogard; Joseph Shabason; Tim Hecker; Sarah Davachi; Gaussian Curve; Felicia Atkinson; Penelope Trappes; Oren Ambarchi; Evan Caminiti; Teeth Of The Sea; Supersilent; Deathprod; Yellow Swans; Simon Scott; Fennesz; Taylor Deupree; Pan Sonic; Akira Rabelais; Keith Fullerton Whitman
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