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Candlemass - The door to doom

Candlemass- The door to doom

Napalm / Universal
VÖ: 22.02.2019

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Am Abgrund

Es dürfte nur wenige Metal-Fans im Allgemeinen und Anhänger des Doom-Genres im Speziellen geben, die beim Namen Candlemass nicht in Verzückung geraten. Immerhin waren es die Schweden, die 1986 das Genre revolutionierten. Die Rede ist natürlich von "Epicus doomicus metallicus", nicht mehr und nicht weniger eines der Referenzwerke des Doom. Lediglich der damalige Sänger Johan Längquist konnte abgeblich nicht mit diesen Songs für die Ewigkeit mithalten und wurde alsbald durch den legendären Messiah Marcolin ersetzt. Schnellvorlauf, 32 Jahre weiter. Einmal mehr verkünden Candlemass die Trennung von ihrem Frontmann, dieses Mal von Mats Levén, der sich vor allem live redlich bemühte, dem Erbe der Doom-Institution gerecht zu werden. Was zunächst ob der großen Fluktuation am Mikro mit allgemeinem Gähnen quittiert wurde – doch dann schlug die Nachricht, dass Levéns Nachfolge niemand Geringerer als Johan Längquist antreten werde, wie eine Bombe ein. Erst recht vor dem Hintergrund, dass Leif Edling, Bassist und unbestrittener Bandchef, seinen schweren Burnout, der ihn über Jahre außer Gefecht gesetzt hatte, offensichtlich zu überwunden haben scheint.

Und in dem Moment, in dem "The door to doom" – so der Titel des zwölften regulären Studioalbums – von "Splendor demon majesty" geöffnet wird, weicht die bei solcherlei Vorschusslorbeeren immer angebrachte Skepsis einem zufriedenen Lächeln. Oder um es der Begrüßung des Fürsten der Finsternis aus jenem Opener gleichzutun: "Open the gates / Thy splendor demon majesty / Hear the doomsday bell / In a grand wonderful fantasy." Wer nun immer noch meint, Längquist würde in seinem Gesang das Gespür für Atmosphäre fehlen, dem sei als Anhörungsunterricht eine erhöhte Dosis von "Under the ocean" zu empfehlen. Ein leises, bedrohliches Intro explodiert in ein zähes, alles niederwalzendes Riff, während der Schwede droht, beschwört, besänftigt. Und doch die vertrauensvoll ausgestreckte Hand nur dazu nutzt, um immer weiter in den Abgrund zu ziehen. Das, liebe Neo-Doom-Bands, die Ihr derzeit so boomt, das ist die Klasse, an der Ihr Euch orientieren müsst.

Und wenn wir schon bei der Crème de la Crème des Düster-Metal sind, dann darf der Erfinder des Archetyps des entsprechenden Riffs nicht fehlen. Okay, bizarrerweise ist Tony Iommi auf "Astorolus – The great octopus" eben nicht für ein Riff, sondern für ein Solo zuständig, – dementsprechend hält sich das Spektakel dann auch in Grenzen – doch Edling, wahrlich keine kleine Figur in der Metal-Geschichte, freute sich nach eigener Aussage wie ein Schneekönig über die kleine Fingerübung des Meisters. Mehr als nur Fingerübungen sind die tieftraurige Ballade "Bridge of the blind" oder das donnernde "Death's wheel", doch wahrhaftig zum Niederknien großartig gerät "House of doom". Einsam klingt eine Glocke, bis ein fieser Headbanger den Weg zu einem epischen Refrain weist. Und als wäre das alles nicht genug, liefern sich die beiden Gitarristen im Mittelteil ein fabulöses Duell mit einer Kirchenorgel – nicht augenzwinkernd sakral wie bei Powerwolf, sondern sinister, als habe Hochwürden mehr zu verbergen als nur den Messwein.

Nein, Leif Edling hat nicht immer Glück mit seinen Vokalisten gehabt. Vom bereits erwähnten Messiah Marcolin, der zwar mit einer phänomenalen Stimme gesegnet war, aber auch dezente charakterliche Defizite aufwies, bis hin zum Amerikaner Rob Lowe, der zwar ebenfalls wahrlich kein schlechter Sänger war, aber sich partout weigerte, die Texte zu lernen – und mit Spickzettel auf der Bühne eher mittelprofessionell aussah. Johan Längquist wirkt somit wie der verlorene Sohn, der endlich zurückgekehrt ist. Doch "The door to doom" ist mehr als der neue, alte Sänger. Candlemass zeigen nicht nur dezent, dass sie wieder da sind, nein, sie rammen ein Monument in den Boden – genau so muss moderner Doom klingen. Edling hat lange gebraucht, um sich aus dem tiefen Abgrund von Depressionen und chronischem Erschöpfungszuständen zu befreien. Es ist ihm zu wünschen, dass diese Urgewalt von Platte weiter zu seiner Genesung beiträgt.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Under the ocean
  • Bridge of the blind
  • House of doom

Tracklist

  1. Splendor demon majesty
  2. Under the ocean
  3. Astorolus – The great octopus
  4. Bridge of the blind
  5. Death's wheel
  6. Black trinity
  7. House of doom
  8. The omega circle

Gesamtspielzeit: 48:43 min.

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User Beitrag

Markus

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 18

Registriert seit 12.06.2013

2019-03-23 19:01:06 Uhr
Heijeijei, Umgangsformen sind das hier...

Wie dem auch sei, das "undifferenzierte Geschwalle" stammt aus dem Pressestatement der Band nach dem zweiten Rausschmiss Marcolins 2006 und wird z.B. hier zitiert: https://vampster.com/news/candlemass-messiah-marcolin-endgueltig-raus/

Oder auch hier, falls Du Vampster nicht magst: http://powermetal.de/news/news-CANDLEMASS__Messiah_endgueltig_raus_,11239.html

Auf die Suche nach der Primärquelle bei Archive.org verzichte ich jetzt mal.
Philomena Bennarsch
2019-03-23 08:59:43 Uhr
Bellimaus schreibt in seiner Rezi, dass der ehemalige Sänger Messiah Marcolin "dezente charakterliche Defizite aufwies".

Was ist das denn für ein undifferenziertes Geschwalle? Was war denn da genau?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-03-21 20:25:18 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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