Daniel Thorne - Lines of sight
Erased Tapes / Indigo
VÖ: 15.03.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Kuscheln nach dem Urknall
Neo-Klassik ist an und für sich eine schöne Sache. Da kann man sich beim Hören den Anstrich von Hochkultur geben, diese Musikrichtung trägt ja schon in ihrer Bezeichnung das Erhabene in sich. Doch wenn man ehrlich ist, plätschern so manche Werke der Vertreter dieses Genres recht inhaltsarm vor sich hin, der Schönklang steht über allem, danke fürs Einlullen mit zarten Tonfolgen. Dieser Vorwurf hält bei dem Australier Daniel Thorne und seinem Debütalbum "Lines of sight" jedoch nicht eine Sekunde. Das ganz große Drama entfaltet sich direkt vom Start des Openers "From inside, looking out". Da befinden sich die Bläser unversehens in einem weltenbrechenden Strudel, sie hyperventilieren fast, während die Synthies noch einige Notsignale senden. Man hat hier das Gefühl, mitten im Urknall zu stecken, die Instrumente haben den Weg in den Panic-Room nicht gefunden, ja, fast wähnt man sich hier einer groß angelegten Attacke ausgesetzt. Doch da, nach und nach, schleichen sich wärmere, weichere Töne aus höheren Regionen ein, die aus dem wilden Wirbel einen eleganten Tanz machen, aus dem Chaos entsteht Wohlgeordnetes.
Dieser ständige Kampf zwischen dem zarten Wohlklang und der markerschütternden Dramatik bestimmt im Ganzen dieses Album, welches neben genüsslich ins Weite zielenden Melodiebögen eben auch oft das Eruptive und Gewaltsame in den Mittelpunkt stellt. Da greifen in "From the other side of the world" liebliche Töne in hell und dunkel manieriert und behutsam in die Weite, erforschen das Terrain mit gemäßigtem Schritt, nur um beim Beginn von "From the heavens" wieder einem mächtigen und bedrohlichen Wirbel gegenüberzustehen, aus dem wie ein Leuchtturm einige markante Synthie-Signalfeuer hinausragen. Fragmentarischer, auch ein wenig brüchiger als zu Beginn wirkt das, bis ein paar fast schon sakrale Orgeltöne dem Stück wieder Festigkeit unter den Füßen verleihen.
Die Verschiebungen und Beziehungen zwischen hell und dunkel, zwischen behutsam und aggressiv, machen aus diesem Album eine spannende Angelegenheit, so gleiten in "Pyriscence" die Bläser zunächst sanft durch den Raum, das Idyll des Schwebens im geschützten Mutterleib bietet sich als Bild an, doch nach einer Minute schleichen sich etwas bedrohlichere Töne in den Hintergrund, die wie ein aufziehendes Unheil das friedliche Treiben im Vordergrund bedrohen. Man ist gespannt, was hier die Oberhand behalten wird, doch dann wenden sich die Holzbläser einer sprudelnden Frische zu, diesmal kraftvoll und bestimmt, das Licht obsiegt. In "Threnody for a burning building" werden dann jedoch wieder die Melodien wie Trompetenstöße von den Zinnen der Mauern von Jericho ausgestoßen. Das letzte Wort haben aber die sanften Klänge. Der anfänglich so bedrohliche Tonstrudel wird unter der Ausführung von einem einzelnen Saxophon in "Fear of floating" zu einem verletzlichen Tänzeln mit großer Anmut. Daniel Thorne verhandelt eben immer die Macht seiner Musik neu aus, lässt Gebirge einstürzen, streichelt an anderer Stelle aber behutsam über zarte Melodien, nie jedoch kann das eine ohne das andere auskommen.
Highlights
- From inside, looking out
- From the heavens
- Fear of floating
Tracklist
- From inside, looking out
- From the other side of the world
- From the heavens
- Pyriscence
- Threnody for a burning building
- Fear of floating
Gesamtspielzeit: 38:24 min.
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