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Schubsen - Stühle rücken in Formationen

Schubsen- Stühle rücken in Formationen

Mono-Ton
VÖ: 01.03.2019

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Derwischmusik

Hallo, willkommen zu unserer Preisverleihung. Vergeben wird der goldene Lorant in der Kategorie Punk-Sänger national. Kurzer Exkurs: Namensgeber Werner Lorant erlangte in den Neunzigerjahren Ruhm als lustig-irrer Trainer des TSV 1860 München, abzugrenzen war er dabei vom unlustig-irren Christoph Daum. Lorant war immer notorisch schlecht gelaunt, aber auch immer für einen Gag gut, dabei jederzeit unter Strom. Kein Spiel verging, zu dem der Videotext nicht erklärte, dass Lorant einmal mehr wie "ein Derwisch an der Seitenlinie" entlangsprang. Nun aber zurück zur Sache: And the winner is ... Robert Krupar von der Band Schubsen aus Nürnberg. Der junge Mann hat sich den goldenen Lorant redlich verdient: Statt starr auf der Bühne zu stehen, marschiert er wie wildgeworden durchs Publikum, verheddert sein Kabelmikro in der Menge, schmeißt es dann durch den Raum, lässt andere weitersingen, begibt sich in die Mitte Moshpits und rastet vollends aus. So ein Schubsen-Konzert, es ist ein wundersames wie mitreißendes Treiben. Die Band macht Stimmung, sie hat Bock auf das, was sie da abliefert, und das kulminiert eben in Krupars Auftritten. Die Herausforderung: dieses Feeling auf ein Album bringen.

Auf ihrem 2016er Erstling "Neue Blessuren" gelang das noch nicht zu 100 Prozent, mit "Stühle rücken in Formationen" aber schafft der Vierer genau das: Nicht nur eine geniale Live-Band sein, sondern auch auf Platte rasieren. Schon der großartige Opener "Im Netz" zeugt davon. Das Schlagzeug macht keine Gefangenen, trommelt unverhohlen und kraftvoll nach vorne, die Gitarren oszillieren bedrohlich durch die Szenerie, zählen den Chorus an und geben das Signal zum Ellbogenausfahren, entschleunigen dann wieder und gipfeln schließlich in einem noch wilderen Wirbel, während Krupar sein Liedchen von den Fake News trällert. In "Vorzeichen" erinnert die Truppe ein wenig an Findus, weil der Sänger ähnlich intoniert wie deren Frontmann Lüam, aber auch, weil die Melodie so präsent ist. Einfach großartig, wie es die Saiten hier im letzten Songdrittel Nadelstiche hageln lassen.

Auch die erste Single, das vergleichsweise unkryptisch gesellschaftskritische "Ein Versprechen, kein Versprechen", macht großen Spaß, wenngleich auch die etwas ruhigere Herangehensweise von "P.S." sehr charmant ankommt. Auch hier gibt es wieder eine wunderbare Klimax aus Gitarrenriffs und Stimmengewirr. Ähnlich wie "Cocktails und Eiskonfekt" entschwindet der Sound zwischendurch, um noch einmal Kraft für den Ausbruch zu tanken – das wird live wiederum grandios! Auch zu "Mosaike" wird das Tanzbein geschwungen werden, zu beachten aber ist hier vor allem Krupars Performance, der sich mit den lyrischen Wirrungen wahnsinnig aufreibt: "All die Mosaike ergeben wenig Sinn", schreit er, wenn um ihn Sprechfetzen und ein Chor toben. Das abschließende "Nebelspuren" verweigert schließlich ganz und gar das Gewitter, trifft den Hörer aber umso tiefer, die Musik zieht zurückgenommen ihre Kreise und Krupar träumt vom Ankommen.

Gemeinsam mit Soundmann Hannes Plattmeier, der bereits an Veröffentlichungen von Messer, Candelilla und Jens Rachut beteiligt war, liefern die Nürnberger ein (Post-)Punk-Album ab, das sich selbstbewusst neben Genregrößen wie Turbostaat positionieren kann. Krupars Gesang, der in der Vergangenheit fast immer ein bisschen zu sehr an Jan Windmeier oder eben Jens Rachut erinnerte, hat sich genau in dieser Hinsicht weiterentwickelt, zwar keift er teilweise noch immer genauso abgehackt ins Mikro, doch lässt er sich weitaus mehr von seinen Launen treiben, wie eben auf beziehungsweise vor der Bühne. Vielleicht liegt hier das Geheimrezept des neuen Schubsen-Albums. Aber auch musikalisch hat das Quartett aufgerüstet, die Produktion findet die Nische zwischen rund und rotzig, klingt dabei deutlich voller und damit auch einnehmender als noch auf "Neue Blessuren". Einziger Wermutstropfen: Zwölf statt acht Songs, 40 statt 27 Minuten, das wäre noch größer geworden und man hätte es liebend gern gehört – aber das ist auf sehr hohem Niveau gemeckert.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Im Netz
  • P.S.
  • Nebelspuren

Tracklist

  1. Im Netz
  2. Vorzeichen
  3. Ein Versprechen, kein Versprechen
  4. P.S.
  5. Abendrot und Morgengrauen
  6. Cocktails und Eiskonfekt
  7. Mosaike
  8. Nebelspuren

Gesamtspielzeit: 27:25 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Svemi
2019-03-31 11:54:42 Uhr
Ganz furchtbare Band!
Leider nur ein ganz ganz schlechtes Rachutzitiere und Nachgemache.... langweilig und erfolgshaschend ohne eigenes Profil.
Kurzum: Belanglos!
Es war ein 21-Jähriger
2019-03-26 11:46:56 Uhr
Der U-Bahn-Schubser von St. Pauli ist gefasst

Bei der Fahndung nach einem Täter, der einen 55-jährigen Mann ins Gleisbett stieß, hat die Polizei jetzt einen 21-Jährigen aus Eidelstedt als Tatverdächtigen identifiziert.
Au ja
2019-03-02 12:18:08 Uhr
Ey, Schubsen ist voll gemein. Lass uns lieber fangen spielen.

Pascal

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 651

Registriert seit 13.02.2013

2019-03-02 00:55:19 Uhr
@bob's mulde: ja eben. wenn eine band ein 7/10 album macht, dann kommt's auch sicher rein. das ist genau, was du sagst: "entweder eine band/album ist gut oder eben nicht." irgendwo muss man ja die linie ziehen, wenn man versucht ein möglichst breites spektrum abzugrasen.

zum thema rachut-bezug: ich fand das auf dem ersten album viel präsenter als jetzt. zumal der sänger live einfach eine wucht ist und auch ganz anders auftritt als der zitierte rachut. ich finde zudem auch dass z.b. jan windmeier von turbostaat durchaus seinen eigenen stil entwickelt hat trotz klarem vorbild. und es gibt auch genug sänger aus dem spektrum, die gar nicht in der richtung unterwegs sind. zum beispiel jörkk mechenbier von love a, das ist ja doch ne ganz andere nummer (auch wegen der stimmfarbe an sich).
AlleklingenwieAlles
2019-03-01 18:51:52 Uhr
@Der Wanderjunge Fridolin

Der Gesangsstil in dem von dir verlinkten Lied erinnert mich aber eher an Hans-A-Plast als an Jens Rachut.

Von wem die wiederum beeinflusst waren weiß ich auch nicht, vielleicht von z.B. Lene Lovich?

Ich finde das, ehrlich gesagt, nicht so schlimm, wenn sich bestimmte Stile so ausbreiten. Wenn ich keine Lust darauf habe, höre ich es mir einfach nicht an.

Habe mir auch mal "Flucht" von Schubsen angehört und es hat mir gefallen.
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