Die Ärzte - They've given me Schrott! – Die Outtakes

And More Bears / Universal
VÖ: 08.02.2019
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Schluss mit Kasparmugge
Bekommt der Running Gag lahme Füße? Hören Die Ärzte diesmal wirklich auf, wie es gewohnheitsmäßig mit jedem Release mehr oder weniger tuschelnd die Runde macht? Zumindest bringt man nicht einfach so ein 33 CDs starkes Box-Set namens "Seitenhirsch" mit dem Gesamtwerk für 333 Euro auf den Markt, wenn man vorhat, dem Œuvre noch allzu viel hinzuzufügen. Ihr letztes Studioalbum "Auch" liegt außerdem stolze sieben Jahre zurück und konnte gewisse Abnutzungserscheinungen nicht verbergen. Im Interview gaben Bela, Farin und Rod gar zu, dass die zugehörige Tour für alle auslaugend war und Abstand voneinander im Anschluss dringend notwendig. Also nun das dicke Ende, um den Fans noch mal Kohle aus der Tasche zu ziehen? Nun, nur echte Sammler werden an der mit hübschen Mediabooks bestückten, allerdings auch mit einigen Fehlern versehenen Box nicht vorbei kommen. Denjenigen, die nur der musikalische Inhalt interessiert, kommen Die Ärzte mit "They've given me Schrott! – Die Outtakes" entgegen: Auf drei Silberlingen wird all das vom "Seitenhirsch" kompiliert, was bisher nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickte. "The rest of the box" sozusagen – und quasi das Pendant zu Farin Urlaubs "Berliner Schule".
Unter den chronologisch angeordneten 60 Tracks warten zahlreiche Kuriositäten: zwei Songs der Vorgänger-Band Soilent Grün, das erste Radio-Interview, kurze, maximal alberne Radio-Jingles für den Erstling "Debil", ein Quasi-a-capella-Cover von Nenas "Nur geträumt", Gequatsche von Promo-CDs, ein Song auf Basis eines Interviews von Ex-Bassist Sahnie. Die Sause beginnt sogar im Jahr 1978, mit Farin Urlaubs Kassettenaufnahme von "Der lustige Astronaut". Klanglich natürlich ein Graus, aber strukturell überraschend nah an der späteren, finalen Aufnahme für die EP "Uns geht's prima". Auch im späteren Verlauf warten zahlreiche mal mehr, mal weniger erhellende Frühversionen bekannter Songs, wobei die klangliche Qualität der Demos im Zeitverlauf stetig besser wurde. "Westerland" war im Embyro-Stadium als "Helgoland" unterwegs, "Gute Zeit" begann als platte Anbaggerei von Brigitte Nielsen und "I laugh if you die" ist ein kleines Hasslied, das später zum deutlich pointierteren "Baby" wurde. Sehr interessant ist aber, wie sehr "Yoko Ono" an Reiz verliert, wenn es mit einer zweiten Strophe und einer Bridge auf zwei Minuten gedehnt wird. Dass das spaßige "Monsterparty" 2002 zum "MTV Unplugged" ausgegraben wurde, verwundert indes nicht – sehr wohl aber, warum es nicht schon 1985 veröffentlicht wurde.
Einige Kompositionen sind bislang völlig unbekannt. Deren Qualität ist häufig von bescheidener Natur, bei "Gib mir nichts", "Verlierer müssen leiden" oder dem wenigstens eindrucksvoll betitelten "Techno ist die Hölle, mein Sohn" wird sehr schnell klar, warum sie bisher in Archiven verstaubten. Das völlig grenzdebile "Knäckebrot", welches mit der Zeile "Neulich wollte ich mit meiner Freundin ficken" beginnt, fährt wenigstens genug Gaga-Faktor auf, um zu unterhalten. "Angriff der Fett-Teenager" ist derweil gleichermaßen Nachklapp zu "Elke" wie auch als Vorgeschmack zu "Anti-Zombie" zu verstehen. Für Fans ist es ohnehin ein Spaß, die Versatzstücke aufzuspüren, welche später in anderen Songs verwurstet wurden. Eines der deutlicheren Beispiele ist die Gitarrenfigur von "Peter Parker" aus 1986, die eins zu eins der Bläsermelodie im "Schunder-Song" knapp ein Jahrzehnt später entspricht. Wer tief genug wühlt, findet zudem auch die Perlen im dem Kackhaufen, der silbrig schimmernd das Cover ziert.
Gleich auf Position vier wartet mit "Eva Braun" gewissermaßen ein Problemkind der Band. Anfang der Achtziger, als sich in der Punkszene durchaus auch Nazi-Sympathisanten tummelten, wurde die Anprrrreisung des "deutschen Mädels" nicht überall als die in ein verdammt eingängiges Korsett gegossene Satire aufgefasst, die es war. Nachdem ein paar Flachpfeifen anfingen, auf Konzerten den Hitlergruß zu diesem Stück zu zeigen, spielten Die Ärzte das Lied nie wieder und nahmen es nie offiziell auf. Trotz allem: Das Ding ist ein absoluter Hit und macht mit der ironischen Distanz mächtig Laune. Weitaus unproblematischer ist das spaßige, bläsergestützte Lament "Du und ich und Walter", das die Verhinderung des Liebesakts durch den Hund der Angebeteten anklagt: "Ziehen wir uns aus, will er Gassi gehen." Im wie immer von den Bandmitgliedern amüsant kommentierten Booklet geben sie selbst zu, sich zu ärgern, dieses Stück nie voll ausgearbeitet zu haben. Überraschend ist das von Rod kreierte Big-Beat-Instrumental "Bang Bang" aus den "13"-Sessions, das klar an The Prodigy und The Chemical Brothers zu ihrer Höhephase angelehnt ist.
Verzichtbar hingegen sind die in der zweiten Hälfte leider geballt auftretenden englischen Versionen eigener Songs. Der Wortwitz geht im bestenfalls mäßigen Angelsächsisch komplett verloren, und haut ab der Mitte dieser trotz fragwürdiger Qualität fast immer unterhaltsamen Compilation einige Längen rein. Schade auch, dass man die vielen B-Seiten, die mittlerweile kaum oder nicht mehr zu bekommen sind, nicht gleich mit auf "They've given me Schrott!" gepackt hat. Verdächtig: Die Zeitachse endet im Jahr 2003 – waren die jüngeren Outtakes zu peinlich oder wurden sie alle bereits auf Alben und Singles verbraten? Wie auch immer. Wer noch nicht mit der Diskografie des Trios vertraut ist, sollte das zum einen schnell nachholen, zum anderen diese Box hier erst ganz am Ende goutieren. Für manch klangliche, musikalische und textliche Unwägbarkeiten braucht es einen gestärkten Magen. Für Fans, deren Geldbeutel für "Seitenhirsch" zu schmal ist, bietet "They've given me Schrott!" hingegen einen willkommenen Anlass, in den Werdegang dieser faszinierenden Band abzutauchen, am besten, während man in einer Biografie blättert. Dann tun auch die Auflösungserscheinungen der letzten Jahre weniger weh.
Highlights
- Eva Braun (The Tube, BBC, 1983)
- Monsterparty (Demo, 1985)
- Rennen, nicht laufen (Demo, 1985)
- Für immer (Demo, 1986)
- Du und ich und Walter (Demo, 1987)
- Komm zurück (Demo, 1988)
- Bang Bang (Instrumental) (Demo, 1997)
Tracklist
- CD 1
- Farin Urlaub: Der lustige Astronaut (Kassettenrekorder-Demo, 1978)
- Soilent Grün: FDJ-Punx (1982)
- Soilent Grün: Erwin (1982)
- Eva Braun (The Tube, BBC, 1983)
- Claudia hat 'nen Schäferhund (Unikum-Tapesampler Nr. 2, 1983)
- Das allererste Radio-Interview (SFBeat, 1983)
- Gib mir nichts (Radio SFB, 1983)
- Nur geträumt (Radio RIAS 2, 1983)
- Die Ulkigen Pulkigen: Füße vom Tisch (1984)
- Verlierer müssen leiden (Demo, 1984)
- Die Spinne (Radio-Jingle, 1984)
- Auf dem Bauernhof (Radio-Jingle, 1984)
- Französischkurs (Radio-Jingle, 1984)
- Hörspiel (Radio-Jingle, 1984)
- Sommer, Palmen, Sonnenschein (Radio-Jingle, 1984)
- Monsterparty (Demo, 1985)
- Helgoland (Demo, 1985)
- You want to kiss me (Englische Demo, 1985)
- Rennen, nicht laufen (Demo, 1985)
- Buddy Holly's Brille (Demo, 1985)
- Norma Jean (Demo, 1986)
- Peter Parker (Demo, 1986)
- Wie am ersten Tag (Demo, 1986)
- Sweet sweet Gwendoline (Demo, 1986)
- CD 2
- Für immer (Demo, 1986)
- Ich bin reich (Demo, 1986)
- 2000 Mädchen (Demo, 1987)
- Brigitte (Demo, 1987)
- Du und ich und Walter (Demo, 1987)
- Ein Mann mit Gipsbein (Demo, 1987)
- 13 Antworten von Die Ärzte (Promo-Kassette, 1987)
- Komm zurück (Demo, 1988)
- Die Wahrheit über Mädchen (Demo, 1988)
- Schrei nach Liebe (Demo, 1993)
- Ja (Demo mit deutschem Text, 1993)
- Dumme Sache (Demo, 1993)
- Knäckebrot (Demo, 1993)
- Staub (aka 13!) (Demo, 1995)
- Let's go too far (Englische Demo, 1996)
- German punks (Englische Demo, 1996)
- Love & pain (Englische Demo, 1996)
- CD 3
- Close your eyes again (Englische Demo, 1996)
- Superman (Englische Demo, 1996)
- Hair today, gone tomorrow (Englische Demo, 1996)
- FaFaFa (Englische Demo, 1996)
- No secrets (Englische Demo, 1996)
- Ein Schwein namens Männer (Demo, 1997)
- Bingo Lady 2.0 (Demo, 1997)
- Bang Bang (Instrumental) (Demo, 1997)
- Sahnie (Ein bisschen schwierig so) (Demo, 1997)
- Angriff der Fett-Teenager (Demo, 1998)
- Attack of the fat teenagers (Englische Demo, 1998)
- Smash the system, fuck the police (Englische Demo, 1998)
- Nie wieder Krieg, nie mehr Las Vegas! (Demo, 1998)
- Eine Botschaft von Die Ärzte (Promotion-only-CD "13")
- I laugh if you die (Demo, 2000)
- Herrliche Jahre (Das Leben ist 'ne Party) (Demo, 2000)
- Yoko Ono (Demo, 2000)
- Techno ist die Hölle, mein Sohn (Demo, 2000)
- Worum es geht (Demo, 2003)
Gesamtspielzeit: 192:49 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Los Paul Postings: 195 Registriert seit 23.12.2020 |
2021-01-15 11:41:34 Uhr
Die "komm zurück" homerecording Version von Farin ist grandios. |
Efeu Brown |
2019-02-08 18:50:51 Uhr
Das Album ist viel zu gut, um als Schrott bezeichnet zu werden. |
Soilent Gelb |
2019-02-08 18:47:33 Uhr
Erwin hat keine Arme und Beine |
Flederente |
2019-02-08 16:27:10 Uhr
Ein Mann ohne Download-Code ist ein einsamer MannWeil man ohne Code nicht laden kann |
Ist Egal |
2019-02-08 15:23:07 Uhr
Packen ein DLC Code mit bei, den man noch nicht einlösen kann. SUPER. Wenn ich was am Releasetag kaufe, erwarte ich auch das es ab heute auch fubktioniert. Vielen Dank und Dankeschön. |
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Referenzen
Farin Urlaub; Farin Urlaub Racing Team; Bela B.; The Wohlstandskinder; Die Schröders; Terrorgruppe; Die Toten Hosen; Drangsal; Nena; Ideal; Donots; Montreal; Itchy Poopzkid; Joachim Deutschland; WIZO; Kraftklub; Abwärts; Heiter Bis Wolkig; J.B.O.; Prollhead; Knorkator; Die Aeronauten; Benzin; Madsen; Angelika Express; Der Junge Mit Der Gitarre; El*Ke; Junges Glueck; Killerpilze; Boxhamsters; Muff Potter; Turbostaat; Sven Van Thom; Sofaplanet; Rogers; Extrabreit; Revolverheld; Tenacious D; Bloodhound Gang; Beatsteaks; Fettes Brot; K.I.Z.; SDP; Sportfreunde Stiller; Sondaschule; Rantanplan; Foo Fighters
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