Side Effects - Some other day
Jubel / Broken Silence
VÖ: 18.01.2019
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Eine Frage der Zeit
Wer der Rockmusik im Allgemeinen eine eindeutig dem Untergang geweihte Zukunft prognositiziert, der tut dies gerne in Hinsicht auf die zahlreichen unverbesserlichen Retro-Bands, die Gitarrenmusik bis heute wie ein hängengebliebenes Abziehbild erscheinen lassen. Natürlich ist gegen Nostalgie als grundsätzliche Idee überhaupt nichts einzuwenden, und wer den Blick auch nur etwas über den Tellerrand hinauswagt, der weiß auch, dass solche Bands den Kanon des nach wie vor sehr lebhaften Rock-Genres nur vielfältiger machen, anstatt ihn in seiner Gesamtheit zu bremsen. Dennoch bilden sich in den retrospektiven Spielarten zunehmend zwei vorherrschende Fraktionen heraus, die dem Klischee des unbelehrbaren Konservatisten erschreckend gut in die Karten spielen. Zum einen wären da Kombos wie die kanadischen Monster Truck, die wirklich jedem Klischee des "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Lifestyles genügen wollen und dabei übersehen, dass ihr stets betont lärmendes und breitbeiniges Auftreten in Wahrheit nur das Maximum an Kantenlosigkeit ergibt. Die andere dunkle Seite der Retro-Macht bilden Bands wie Dreamcar, die ihre Grundlage auf nostalgische Achtziger-Synthies bauen und dabei vergessen, dass ein einziges Gimmick noch lange keine gute Musik macht.
Bessere Gegenbeispiele gibt es natürlich, aber im Vergleich zum übermächtigen Schwall der gähnend langweiligen Retro-Bands sind Gruppen wie Greta Van Fleet oder Okta Logue leider trotzdem verdammt rar gesät. Umso heilsbringerischer wirkt daher ein Album wie "Some other day", mit dem die Schweden Side Effects die Geschichte der Rockmusik nicht nur auf äußerst geschmackvolle Art und Weise zu reflektieren wissen, sondern ihr obendrein noch mit Mut zum Experiment eine eigene Note einhauchen. Bleibt man bei dem vormals aufgestellten Zwei-Strömungen-Modell, so ist das Quartett eindeutig der Fraktion der schillernden Synthie-bis-Shoegaze-Bands zuzuordnen. Dabei arbeiten die Schweden aber wesentlich mehrdimensionaler als etwa Zeitgenossen wie Blossoms, die ihre Songs weitgehend nach alterprobten Schablonen konstruieren. Starke Kontraste erreichen Side Effects so zum Beispiel zwischen einem Disco-Stampfer wie "Wanna lose you", der mit seiner scharfen Synthesizer-Einleitung wie das mit leichtem Schmunzeln zu betrachtende Ergebnis einer vergangene Zukunftsvision klingt, und dem direkt darauffolgenden "B.H.N.", das mit seinem angenehm weichen Grundmotiv fließend im Sound-Nebel dahingleitet und dabei grandios den Charme eines wohligen Stehblues einfängt.
Beeindruckend sind auf "Some other day" aber vor allem die Songs, die neue Wege gehen und sich dabei trotzdem altbekannt anfühlen. Äußerst schlau stellt das zum Beispiel "If it destroyed you" an, das mit seinen akustisch angelegten Britpop-Anleihen eigentlich einen makellosen Oasis-Track ergeben könnte, dann im Refrain aber erneut leichte Shoegaze-Elemente einstreut. Das alles sorgt nicht nur für ein frisches Klangerlebnis aus der Fusion zweier Nostalgie-Mittel, sondern macht aus "Some other day" durch seine durchweg brillierend glänzende Produktion ein stimmiges Gesamtkunstwerk. Beendet wird dieses mit dem famosen Titeltrack, dem der denkbar beste Abschluss dieses Albums gelingt. Die einleitenden Streicher scheinen mit dem begleitenden synthetischen Glockenspiel eine Reminiszenz an die Filmmusik aus den Achtzigern zu bilden, bevor Side Effects daraus eine wahrhaft eindringliche Psychedelic-Hymne und den unbändigen Hunger nach mehr erschaffen. Zum Glück existieren von dem Quartett noch einige EPs und ein Debütalbum, die bisher noch nicht den Weg über die Landesgrenzen von Schweden geschafft haben. Ein bisschen in der Vergangenheit zu kramen, kann schließlich nicht schaden.
Highlights
- B.H.N.
- Some other day
Tracklist
- Seasick
- Slip away
- I'm falling
- Wanna lose you
- B.H.N.
- Shadow
- Suffer & smile
- If it destroyed you
- Hide away
- Let me breathe
- Some other day
Gesamtspielzeit: 44:53 min.
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Referenzen
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