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Girlpool - What chaos is imaginary

Girlpool- What chaos is imaginary

Anti / Indigo
VÖ: 01.02.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Lose your illusion

In einer Welt voller Mogelpackungen und Trickbetrug entzündeten Girlpool einst ein willkommenes Leuchtfeuer der Aufrichtigkeit. Zur Eröffnung seiner Rezension zu "Before the world was big" beschrieb Kollege Holtmann, wie das Debüt von Harmony Tividad und Cleo Tucker exakt das bot, was der Bandname verspricht. Doch vier Jahre und zwei Alben später folgt die große Desillusion: Auch das war eine Täuschung. Tuckers mittlerweile vollzogenes Transgender-Outing falsifiziert nicht nur die Behauptung von zwei "Girls", auch taugt "What chaos is imaginary" nur dann als Beschallung für dösige Pool-Nachmittage, wenn man nicht allzu genau hinhört. Die Texte sind durchzogen von Angst, Trauma, Depressionen und Identitätskrisen, dazu hat auch die Musik an Dringlichkeit gewonnen und das nicht nur, weil Tuckers nach einer Hormontherapie eine Oktave tiefer gerutschte Stimme einen neuen Reizpunkt bildet. Beim Hören von Girlpools dritter Platte liegen Neunziger-Gitarrengrößen von My Bloody Valentine bis Nirvana oft näher als deren Epigonen.

Nach dem eher wenig greifbaren Opener "Lucy's" folgt mit "Stale device" direkt eines der Highlights: Als hübsch melodisches Stück verhuschter Pop-Melancholie gefällt der Song von Beginn an, doch wird er erst so richtig großartig, wenn nach einem plötzlichen Tempowechsel die Gitarren ins Kratzbürstige driften und Tividad gegen eine mächtige Wand aus Lärm ansingen muss. Generell gehen Girlpool an ihren aufs Nötigste reduzierten Pop-Rock – böse Zungen würden es "Schrammel-Indie" nennen – deutlich ambitionierter als früher heran. So überschreiten sie auf "What chaos is imaginary" regelmäßig die Drei-Minuten-Marke, hantieren neuerdings auch mit Drumcomputer und Keyboards und lehnen sich vor allem in "Where you sink" und "Minute in your mind" so stark in Richtung Shoegaze wie noch nie. "Hire" gerät indes ungewohnt aggressiv und zwingend, Tucker, dessen neue Stimme auf dem ganzen Album schon einen interessanten Kontrast zu Tividads Sanftheit bildet, kotzt sich hier am Ende so authentisch aus, dass aus dem Grunge-Himmel so einige wohlwollende Blicke nach unten fallen dürften.

Das Problem dieser Platte ist im Grunde das gleiche wie bei ihren Vorgängern. Das Songwriting gerät insgesamt zu flüchtig, zu viele der insgesamt 14 Songs gestalten sich zwar angenehm beim Hören, sind aber kurz darauf wieder vergessen. Memorablere Momente wie das sirenenartige Fuzz-Solo im sonnigen "Swamp and bay" gibt es leider ein wenig zu selten. Dass die Texte fast gänzlich ohne Sprach- oder Beobachtungswitz auskommen, gießt zwar Wasser in die Mühlen aller "Befindlichkeitslyrik!"-Schreier, doch hat das natürlich nichts mit einem validen Kritikpunkt zu tun ­– warum sollte man auch Songschreiber*innen eine ungefilterte Auseinandersetzung mit ihren Gefühlen vorwerfen? Mit Abstand am tiefsten ins Fleisch drückt das fantastische Titelstück, auch musikalisch der reifste und komplexeste Song des Duos, ausgestattet mit Orgeln, ausufernden Streichern und einem erhabenen Refrain: "Got your meds and your sky / You plant the moon in someone's eyes / I did that too / I loved him and his violence for the pretty view / Rehearsed a strange reality / What chaos is imaginary." Trotz ihrer Schwächen und vermeintlichen Täuschungsmanövern im Bandnamen sind Girlpool eines ganz sicher nicht: eine Mogelpackung.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Stale device
  • Hire
  • What chaos is imaginary
  • Swamp and bay

Tracklist

  1. Lucy's
  2. Stale device
  3. Where you sink
  4. Hire
  5. Pretty
  6. Chemical freeze
  7. All blacked out
  8. Lucky joke
  9. Minute in your mind
  10. What chaos is imaginary
  11. Hoax and the shrine
  12. Swamp and bay
  13. Joseph's dad
  14. Roses

Gesamtspielzeit: 45:33 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

MasterOfDisaster69

Postings: 936

Registriert seit 19.05.2014

2019-04-10 15:19:28 Uhr
Gefällt! kratzt meiner Meinung an einer 7/10,
und "Where You Sink" gehört in die Highlights.

https://www.youtube.com/watch?v=4T2EvZdVwPg

6.8/10
bessawissa
2019-01-24 21:45:55 Uhr
Die neue Stimme hat mich doch erstmal mächtig geschockt...da muss ich mich erst noch rantasten...

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-01-24 21:20:39 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-01-09 11:41:14 Uhr - Newsbeitrag
Bereits drei Songs hat das LA-Duo GIRLPOOL aus seinem kommenden Album „What Chaos Is Imaginary“ veröffentlicht.
Jetzt gibt es auch den Titelsong zum Longplayer zu hören, der am 01.02.2019 auf ANTI- Records erscheint.

Stream zu „What Chaos Is Imaginary“


Harmony Tividad (Bass/Vocals) über den Song:

"What Chaos is Imaginary' is a song very close to my heartmind... closer than most. I wrote it at the most vulnerable point I have ever had thus far in my life. I was living very far from 'home' and not taking the best care of myself on any level... no matter what I did, I was getting into situations that were emotionally, spiritually and physically putting me at some type of risk. These situations culminated in me having horrific PTSD (I didn't realize it was this until long after) during which I found it completely impossible to imagine living beyond the time I was in. The 'present moment' was impossible to even begin to participate in-there was very nearly a white noise over all interactions and I couldn't focus in any social situations unless I somehow found a way to be in my wrong mind. This song is about reckoning with this-trying to find a path to forgiving myself, attempts to redevelop a relationship with the world where I could find some illusion of 'safety' and belief in the fact that I could ultimately take care of myself.“


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