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Bring Me The Horizon - Amo

Bring Me The Horizon- Amo

RCA / Sony
VÖ: 25.01.2019

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Ewig missverstanden

Mit "Yeezus" und dem nicht wirklich vorhanden Plattencover hatte Kanye West 2013 das Zeitalter der CD für beendet erklärt. Sechs Jahre und ein Siegeszug der Streaming-Plattformen später schmückt ebenfalls wieder eine Compact Disc das Artwork des sechsten Albums von Bring Me The Horizon, die damit zwar nicht das Ende eines Speichermediums verkünden, aber zumindest in ihrem eigenen Kosmos für einigen Umbruch sorgen werden. Wer jedoch von "Amo" die entwürdigende Anbiederung an Radio-Standards erwartet, macht es sich zu einfach. Denn es ist keine britische Version von Linkin Parks "One more light", sondern in seiner Gesamtheit wesentlich komplexer. Anders als noch die Vorgänger "That's the spirit" und "Sempiternal" kombiniert die Band hier nämlich nicht mehr nur Alternative Rock mit Pop- und Metalcore-Einflüssen, sie löst sich vollständig von einem auch nur irgendwie fassbaren Sound und wirkt wenn überhaupt durch die durchgängige Inkohärenz schlüssig. Einige wiederkehrende Elemente bilden dabei Berliner Techno-Anleihen, ein Trap- und Drum'n'Bass-inspiriertes Schlagzeug, nach wie vor tonnenschwere Gitarrenriffs sowie eine postmoderne, zeitgenössische Attitüde, die das Album in der Rockmusik nahezu konkurrenzlos macht.

Elektronisch und synth-lastig kommt etwa das Grimes-Feature "Nihilist blues" daher, das von Underground-Bässen bis zum EDM-Drop mehrere Sparten der Club-Kultur abbildet. Auch "Fresh bruises" befindet sich mit minimalistischen Ambient-Samples, Repetitivität und abgrundtiefen Bässen in bester Techno-Tradition wieder – interessante und aus dieser stilistischen Ecke selten gehörte Sounds, die bei aller Experimentierfreude aber dennoch nicht über die recht langatmigen Songs hinwegtäuschen. Im krassen Gegensatz dazu tragen nicht wenige Tracks zumindest in gewisser Weise den Metal in sich, der das Quintett aus Sheffield eins zu Shootingstars gemacht hatte. "Wonderful life" verpackt mit eingängigem Core-Instrumental und den fast schon unangenehm eingängigen Zeilen "Alone getting high on a Saturday night / I'm on the edge of a knife / Nobody cares if i'm dead or alive / Oh what a wonderful life" ironische Positivität ins Gewand von Teenage-Angst-Lyrics und bietet überdies den härtesten Breakdown des Albums – die letzten Sekunden von "Heavy Metal" einmal ausgenommen, das nicht nur Beatboxing-Wunder Rahzel zu Gast hat, sondern auch bitterböse gegen konservative Teenie-Fans alter Tage schießt: "I'm afraid you don't love me anymore / Cause a kid on the 'gram in a Black Dahlia tank says it ain't heavy metal." Bei "Mantra" und "Sugar, honey, ice & tea" ließ sich die Band allerdings ein bisschen zu sehr von ihren Insel-Kollegen Royal Blood beeinflussen.

Thematisch beschäftigt sich Oli Sykes mit der titelgebenden Liebe sowie all ihren guten, schlechten und hässlichen Seiten. Das führt teils zu nur halbwegs gelungenen Balladen wie "Mother tongue", teils zu giftigen Anschuldigungen in Bezug auf Sykes' öffentlich verhandelte Scheidungs-Eskapaden wie das Mainstream-taugliche "Medicine" oder "Ouch", das sich textlich direkt auf ihren ehemaligen Radio-Hit "Follow you" bezieht. Wer der Band allerdings angesichts solchen Klatsches und teilweise arg poppiger Arrangements eine Abkehr ihrer ehemaligen Szene vorwirft, vergisst, dass Bring Me The Horizon mit ihrer immer weit über die Grenze der Edginess gehenden Emo-Attitüde auch schon zu Deathcore-Zeiten als Boyband des Metals verschrien waren. "Amo" ist dabei das vielleicht erste Album in ihrer Diskographie, dass sich vollständig von Genres abkehrt und höchstens einem zeitgeistigen Sound frönt – eine Ambition, die angesichts der immer nischiger werdenden Sparte Gitarrenmusik sogar wünschenswert ist. Denn die wenigsten zeitgenössisch denkenden Rockbands kriegen einen so stimmigen Trap-Drop hin wie "Why you gotta kick me when I'm down?" und schaffen es dabei noch, Halftime-Breakdowns so schlüssig in Bläser-Arrangements aufgehen zu lassen wie auf "Wonderful life". Mit simplen Synthie-Einsätzen im Alternative-Rock oder Ausverkauf-Skandalen einer Szene-Band hat "Amo" wenig zu tun – Bring Me The Horizon sind nämlich gerade im Begriff, sich bei aller Popularität ihre künstlerische Integrität zurückzuerobern und dabei vielleicht ganz nebenbei zu einer der größten Bands des Planeten zu werden.

(Julius Krämer)

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Highlights

  • Wonderful life (feat. Dani Filth)
  • Why you gotta kick me when I'm down?
  • Heavy Metal (feat. Rahzel)

Tracklist

  1. I apologise if you feel something
  2. Mantra
  3. Nihilist blues (feat. Grimes)
  4. In the dark
  5. Wonderful life (feat. Dani Filth)
  6. Ouch
  7. Medicine
  8. Sugar honey ice & tea
  9. Why you gotta kick me when I'm down?
  10. Fresh bruises
  11. Heavy Metal (feat. Rahzel)
  12. I don't know what to say

Gesamtspielzeit: 51:54 min.

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Affengitarre

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2019-11-10 21:08:01 Uhr - Newsbeitrag
Neuer Song "Ludens", erschien wohl für den Soundtrack für Hideo Kojimas neues Spiel "Death Stranding". Stilistisch irgendwo zwischen den letzten drei Alben.

Affengitarre

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2019-10-22 21:23:03 Uhr - Newsbeitrag

Affengitarre

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Registriert seit 23.07.2014

2019-06-13 14:29:17 Uhr
Sykes ist auch fürchterlich.

Architects fand und finde ich auch klar besser als BMTH, aber so richtig vergleichen kann man die beiden Bands, obwohl die ja doch zusammen groß geworden sind, kaum. Bei "Daybreaker" und "There is.." gerade so und bei "Sempiternal" hat man sich auch hörbar von Sam Carters Gesang beeinflussen lassen, aber Architects sind dann trotz größerer und kleinerer Sprünge nie zu weit weg vom ihrem Sound gegangen.

Dass die neuen Sachen so schwächeln hat sicherlich damit zu tun, dass die Band mit Tom Searle ihren ehemaligen Songwriter verloren haben. Klar, immer noch unverkennbar Architects, aber doch eher Malen nach Zahlen plus Zuckerguss darüber. Bezweifle auch, ob da noch etwas Großes kommt.

Neuer

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Registriert seit 10.05.2019

2019-06-13 12:46:04 Uhr
"Wobei ich das ja auch nie schlimm finde. Man versteift sich immerhin nicht auf ein Image oder einen Stil. Geht dann zwar oft genug nach hinten los, aber manchmal gibt es eben auch stimmige Mischungen."

Mir geht es auch gar nicht um einen festen Stil oder sowas. Ich meine die ganze Attitüde. Vielleicht ist es auch nur Sykes, der mich nervt. Einen Sinn für Abenteuer begrüße ich grundsätzlich. :)

Architects fand ich da immer viel besser, wobei die im Moment im Einheitsbrei versinken. BMTH haben aber durchaus tolle Songs geschrieben, besonders auf Sempiternal. Nur anhören mag ich mir das ganze nicht mehr, ich bin wohl in eine andere Richtung gewachsen

Affengitarre

User und News-Scout

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Registriert seit 23.07.2014

2019-06-13 12:29:06 Uhr
Es ist halt sehr zerfahren, sowohl stilistisch als auch qualitativ. Aut der einen Seite mag ich Sachen wie "Wonderful Life" oder "Heavy Metal" ganz gerne, wo die Rockelemente mit Pop im weiteren Sinne gemixt werden, aber es sind auch Scheußlichkeiten wie "In the dark" oder "Medicine", wo alles Schlimme aus der Popmusik gebündelt wurde. Die durchschnittlichen elektronischen Interludes helfen auch überhaupt nicht, das Album zusammenzuführen.

BMTH werden sich wohl immer hohl und unauthentisch anfühlen.

Wobei ich das ja auch nie schlimm finde. Man versteift sich immerhin nicht auf ein Image oder einen Stil. Geht dann zwar oft genug nach hinten los, aber manchmal gibt es eben auch stimmige Mischungen.

"Sempiternal" als poppiges Post-Hardcore/ Alternative Rock Album mag ich immer noch gerne, sowie den noch etwas brachialeren Vorgänger "There is a hell..", wo sich Songs mit netten Einfällen mit uninspiriertem Metalcorenummern abgewechselt haben.
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