Caroline Rose - Loner
New West / PIAS [Cooperative] / Rough Trade
VÖ: 23.02.2018
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Voll durchgezogen
Manche Dinge lassen sich einfach nicht übersetzen. Jede Sprache hat ihre Redewendungen, die, sofern man sie wörtlich unter die Lupe nehmen sollte, einfach quatschig klingen. Muss ja auch nicht sein, wenn man sich denn dann doch noch irgendwie mit Unterstützung von Händen, Füßen oder einem herkömmlichen Wörterbuch versteht. Aus dem Erbsenzähler wird im Englischen der nitpicker, das Fernweh zu itchy feet und die Schadenfreude, nun ja, zur schadenfreude. "A handful" ist auch so eine Phrase, die sich kaum übersetzen lässt, und doch passt sie bei Caroline Rose dann doch, und verstehen sollte man sie spätestens nach dem Hören ihres Zweitlings "Loner" auch mit Sicherheit. Denn die 28-Jährige ist nicht nur eine Handvoll, sondern gleich zwei oder drei.
Das zeigt schon der Blick aufs Cover, auf dem sich die ins Leere blickende und vermeintlich nicht wirklich gerade vom Sport kommende Rose, im sportlich-schicken und vor allem feuerroten Adidas-Jäckchen bekleidet, mal eben 24 Kippen anzündet. Jetzt einen kräftigen Zug! Der Irrsinn geht direkt weiter. Die New Yorkerin wollte eigener Aussage nach mit "Loner" die gesamte Bandbreite ihrer eigenen Persönlichkeit abdecken, von einem Extrem ins nächste, Schnörkel und Schleifen selbstverständlich inklusive. Das macht etwa im Falle des schon leicht souligen Openers "More of the same" nicht nur ziemlich gute Laune, sondern auch Lust auf mehr. Denn vorhersehbar ist hier bis auf eine pechschwarze Lunge und ein ordentlicher Hustenanfall wirklich so gar nichts.
Und weil so jemand nicht nur einfach ein vor Energie und Wahnsinn strotzendes Album aufnimmt, sondern auch einen waschechten Hit braucht, liefert Rose diesen mit "Cry!" gleich mit: Ganz und gar nicht zum Heulen ist dieser Ohrwurm – noch so ein kaum übersetzbares Wort –, was nicht zuletzt an seiner erfrischenden Mischung aus aalglattem Synthie- und rumpeligem Indie-Pop liegt, sondern vor allem an der Künstlerin selbst. Rose trägt jeder der elf Nummern so herrlich selbstironisch, so wunderbar augenzwinkernd und gleichzeitig so authentisch rüber, dass sie im Verlauf schnell zu einem Kumpel zu werden scheint.
Da rastet man gemeinsam mit ihr umso lieber zum Psychobilly-Sound von "Money" aus und überlegt sich in all der Hektik doch noch schnell, was man selbst eigentlich für eine gewisse Summe machen würde. Derweil ist Rose schon längst einige Schritte weiter, rennt im astreinen "Bikini" selbst dem Roadrunner noch davon und beweist im melancholisch-düsteren "To die today" dann doch genauso spielerisch, dass sie auch ernst sein kann. Ernstnehmen sollte man die Gute jedenfalls nicht nur trotz, sondern gerade wegen ihrer konsequent durchgezogenen Sprunghaftigkeit, worauf auch das Abschlussfeuerwerk "Animal" hinweist, indem sich die Endzwanzigerin zum Ende hin noch mal richtig verausgabt. Darauf erstmal 24 Kippen danach.
Highlights
- More of the same
- Cry!
- Bikini
Tracklist
- More of the same
- Cry!
- Money
- Jeannie becomes a mom
- Getting to me
- To die today
- Soul no. 5
- Smile! aka Schizodrift jam aka Bikini intro
- Bikini
- Talk
- Animal
Gesamtspielzeit: 35:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
jeckyll |
2019-01-09 10:20:58 Uhr
09/10, besseren Pop gab es dieses Jahr nicht! |
Thanksalot Postings: 545 Registriert seit 28.06.2013 |
2019-01-07 20:29:39 Uhr
Danke dafür!Habe mir gestern direkt die dazugehörigen Videos angeschaut und war schon neugierig, hatte aber die Befürchtung, dass es sich um übliches Indie-Rock-Geschrammel handelt. Tatsächlich sind Songs wie "Money" oder "Bikini" nur die Ausnahme und kommen im Albumkontext sogar ziemlich gut. "Jeannie Becomes A Mom" lässt da schon eher auf den Stil des Albums schließen. Was ein Song! "Cry!" ist auch toll. Andere Highlights sind schwer zu benennen, weil das Niveau konstant hoch bleibt. Die 8/10 kann man schon so vergeben. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 26212 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-01-03 20:02:13 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Als "Vergessene Perle 2018".Meinungen? |
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Referenzen
Boygenius; Phoebe Bridgers; Lucy Dacus; Julien Baker; Haley Heynderickx; Hop Along; Natalie Prass; Soccer Mommy; Snail Mail; Anna Burch; Courtney Barnett; Angel Olsen; Sharon Van Etten; Waxahatchee; Vagabon; Jessica Lee Mayfield; Wye Oak; Jessica Pratt; Cat Power; S; Jenn Champion; Torres; Grouper; Jen Cloher; Swearin'; Adult Mom; Feist; Fiona Apple; Patti Smith; Eskimeaux; Girlpool; Warpaint; Emily Jane White; Tara Jane O'Neil; Best Coast; Joanna Gruesome; Vivian Girls; Veronica Falls; Alvvays; Julia Jacklin; Phantastic Ferniture
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