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Enrico Sangiuliano - Biomorph

Enrico Sangiuliano- Biomorph

Drumcode
VÖ: 06.07.2018

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Schiebt, fackelt und hat Luft

Früher war alles besser. Okay, vielleicht nicht alles. Massentauglicher Techno aber definitiv. Schuld daran ist sicherlich das EDM-Prinzip: minimaler produktionstechnischer Aufwand, maximaler Erfolg. Hauptsache der Drop kommt pünktlich, und der Lead-Synth trötet irgendetwas Einprägsames. Das 2018 erschienene Album "Singularity" von Jon Hopkins zeigte jedoch eindrucksvoll, dass Pop-Appeal und aufwändiges Sounddesign nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen. "Biomorph" des italienischen Produzenten und DJs Enrico Sangiuliano schlägt in eine ähnliche Kerbe: Seine Tracks vereinen die strukturelle Klarheit des Techno mit der Gewieftheit des Progressive House, ohne dabei die Melodien aus dem Blick zu verlieren. Wie wichtig Verschnaufpausen sind, weiß Sangiuliano genau. Deshalb wechseln sich auf "Biomorph" geradlinige Tanzflächenfüller mit eher experimentellen Tracks ab.

So folgt beispielsweise auf das gnadenlos schiebende "Multicellular" direkt "Generative model", ein Downbeat-Track, in welchem verzerrte Basslinien auf latent dissonante Ambient-Pads treffen. Der Italiener räumt dabei den einzelnen Elementen viel Platz im Mix ein. Anstatt seine Songs künstlich zu überfrachten, konzentriert er sich auf die Basics: Spannungsaufbau, Spannungsentladung, Euphorie. Allen voran "Hidden T" veranschaulicht dieses Muster eindrucksvoll. Nach beinahe generischem Beginn fährt der Bass derart nachdrücklich ins Gebein, dass nur die huldvolle Kapitulation bleibt. Angehende Produzenten sollten hier ganz genau hinhören. Es muss nicht die Keule sein, das Skalpell ist nämlich präziser. Nach gut dreieinhalb Minuten übernehmen kristalline Arpeggios das Ruder und steuern die Track schnurstracks in Richtung Himmel. Das haben vielleicht vorher auch schon andere so gemacht, aber selten waren sie dabei so gut.

Nicht minder genial ist "Cosmic ratio", das eine deutliche Trance-Note aufweist. Auch hier überwältigt den Hörer das Sounddesign. Von der Bassdrum bis zum Filter: Alles schiebt, fackelt und hat Luft. Ein Innovator ist Sangiuliano jedoch nicht, vielmehr orientiert er sich an der goldenen Ära des Techno und verbindet klassische Elemente mit modernen Produktionstechniken. Dies ist jedoch kein Makel, sondern die große Stärke von "Biomorph". Gerade weil der Produzent seine Tracks auf einem stabilen Fundament errichtet, erreichen sie große Wirkung. Manchmal genügen eben ein straffer Vier-Viertel-Beat und allerhand subsonisches Wummern, um Glücksgefühle auszulösen. Nachzuhören in dem minimalistischen "Symbiosis", das über acht Minuten die Spannung hochhält und sich dabei fast unmerklich vom Stampfer zum Trip-Advisor wandelt.

Wer "Biomorph" über die einschlägigen Streaming-Plattformen hört, darf sich über den herausragenden Bonussong "A further existence" freuen, der in seiner Direktheit an Stephan Bodzin erinnert. Davor wartet jedoch "EOL". Schroff und abweisend klingt dieser Track, womit Sangiuliano einen geschickten Kontrapunkt zur verträumten Simplizität von "New dawn" setzt. Schon jetzt ist klar, dass sich mit dem italienischen Musiker und dem schwedischen Label Drumcode zwei gefunden haben. Denn genau wie auf anderen Releases der Plattenfirma finden auf "Biomorph" künstlerischer Anspruch und kommerzielle Verwertbarkeit perfekt zusammen. Nur weil viele Menschen diese Musik mögen, wird sie nicht automatisch schlecht. Es gibt nämlich einen verdammt guten Grund für ihre Popularität.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Cosmic ratio
  • Hidden T
  • Symbiosis
  • A further existence (Bonus track)

Tracklist

  1. Functional basic unit of life
  2. Multicellular
  3. Generative model
  4. Cosmic ratio
  5. Hidden T
  6. Arboreal
  7. Symbiosis
  8. New dawn
  9. EOL
  10. A further existence (Bonus track)

Gesamtspielzeit: 68:10 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Pippo
2019-02-07 10:03:47 Uhr
Obwohl ich mit In Silence gerade einen sehr treibenden Track von Amelie Lens höre, der in seiner Produktion stark an die härteren Sachen des Kompakt-Labels erinnert. Schon richtig, dass ihr Amelia Lens und Anna, von der ich allerdings nur Hidden Beauties kenne , in eine Reihe bei den Referenzen stellt.
Pippo
2019-02-07 09:33:01 Uhr
Habe ich auch heute morgen eher durch Zufall kennengelernt, über eine YouTube-Liste, eigentlich wollte ich was neues von Nina Kraviz hören. Bedient ja ebenso wie Amelie Lens eher die melodischere Seite von Techno, ohne jedoch in nur einer Sekunde zu drucklos oder zu kitschig zu sein.Sehr stark.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2019-01-03 20:02:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Als "Vergessene Perle 2018".

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