Lil Peep - Come over when you're sober, Pt. 2
Columbia / Sony
VÖ: 09.11.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Lean on me
Lil Peep ist tot. Was im Plattentests-Kosmos kaum registriert worden sein dürfte, bedeutete für viele jüngere Musikhörer einen herben Schlag. Gerade einmal 21 Jahre alt war Gus Åhr, als er am 15. November 2017 an einer Überdosis starb. Viel zu jung. Ihn als bloßes Zeitgeistphänomen zwischen all den anderen "Lils" abzutun, greift jedoch zu kurz. Peeps Musik wohnt ein Schmerz inne, der primär Jugendliche abholt, aber auch aus der Perspektive des erfahrenen Musikhörers Aufmerksamkeit einfordert. Diesem Mann ging es nicht gut. Nun wäre es zu einfach, die alten Plattitüden auszupacken. Warum ihm keiner geholfen hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt egal. Vielleicht wollte er keine Hilfe. Vielleicht sind derlei Überlegungen auch einfach nur vermessen. Was der Welt von Lil Peep bleibt, sind nicht die lustigen Haarfarben oder diskussionswürdigen Gesichtstattoos. Es ist seine Musik.
"Come over when you're sober, Pt. 2" ist, wie der Titel nahelegt, die Fortsetzung seines Debütalbums aus dem Jahr 2017. Wie weit die Arbeiten schon gediehen waren, zeigen die ausgereiften und differenzierten Gesangsspuren. Verantwortlich für die Produktion des Albums war Smokeasac, der auch schon bei Lil Peeps erstem Werk den Großteil der Arbeit an den Reglern verrichtete. Seinem Gespür für atmosphärische Sounds ist es auch zu verdanken, dass "Come over when you're sober, Pt. 2" ein erstaunlich homogenes und wohlklingendes Album ist. Wieder trifft Gitarrengeschrammel auf Bässe, Flächen und klirrende Hi-Hats, während Lil Peep in seinem unnachahmlichen Singsang aus seinem beschädigten Leben berichtet. Allerdings fehlen die verzerrten und schroffen Elemente, die Tracks wie "Benz Truck" auszeichneten. So geschmackvoll die Arrangements insgesamt ausfallen, so sehr werfen sie auch die Frage auf, ob Peep sie denn auch abgenickt hätte.
Titel wie "16 lines" oder "Leanin'" geben die Richtung vor, doch geht es bei weitem nicht nur um selbstzerstörerischen Drogenkonsum. Mit seiner Betäubungslust stand er ohnehin nicht alleine da. Die grassierende Opioid-Epidemie in den USA findet hierzulande ihre Entsprechung im immer weiter um sich greifenden Missbrauch von Benzodiazepinen. Die Angst vor dem Leben, den anderen und sich selbst auszuschalten, ist ein Bedürfnis, das manche nur noch per Substanz befriedigen können. Oder wollen, die Grenzen verlaufen schlingernd. Peeps fast schon exhibitionistische Texte gewähren einen tiefen Einblick in das Seelenleben eines verlorenen jungen Mannes. In "Life is beautiful" stellt er immer wieder die rhetorische Frage "Isn't life beautiful?", während er ihr Geschichten von Tod und Vergessenwerden gegenüberstellt. Eine Antwort bleibt er schuldig. Songs wie "Hate me" und "Cry alone" zeigen jedoch, welch großes Talent da zwischen all dem Genuschel verborgen war.
Fast schon primitiv muten Peeps Melodien an, das Primitive ist aber pure Absicht. Durch die Reduktion auf wenige Töne erhält die Musik einen statischen, bedrückenden Charakter. Das permanente Kreisen um die Abgründe der eigenen Psyche spiegelt sich in ihr wider. Die beiläufig dahingezupften Gitarrenmotive verleihen den Songs dabei Tiefe und Gewicht. Nun sind Zeilen wie "Everyone hates me / But nobody knows me" gewiss keine lyrischen Meisterwerke. Aber warum groß um den heißen Brei herumdichten, wenn es auch direkt geht? Lil Peeps Erfolg und Tragik fügen sich in die an Perversionen nicht arme Popgeschichte ein. Wieder war da einer, der Menschen abgeholt hat und wieder ist einer viel zu früh gegangen. Sein "I don't give a fuck" summiert das Problem: Nur weil man etwas sagt, muss man es noch lange nicht so meinen. Es ist davon auszugehen, dass Lil Peep weitaus mehr "fucks" gab, als er zuzugeben bereit war.
Highlights
- Cry alone
- Life is beautiful
- IDGAF
- Fingers
Tracklist
- Broken smile (My all)
- Runaway
- Sex with my ex
- Cry alone
- Leanin'
- 16 lines
- Life is beautiful
- Hate me
- IDGAF
- White girl
- Fingers
- Falling down
- Sunlight on your skin
Gesamtspielzeit: 44:42 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Rudi Aschlmeier, Vampirjäger |
2018-11-27 02:10:12 Uhr
RIP mein kleiner Schniedel Peep! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-11-22 21:38:24 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
XXXTentacion; Yunggoth; Lil Bo Weep; Lil Happy Lil Sad; Mysticphonk; Brennan Savage; Nothing, Nowhere; Triple One; Lil Tracy; Yung Lean; Lil Skies; Bexey; Killstation; Wicca Phase Springs Eternal; iLoveMakonnen; Sybyr; Future; Post Malone; Rae Sremmurd; $uicideboy$; GhosteMane; Syringe; Germ; Yung Bruh; Lil Xan; Pouya; Trippie Redd; Xavier Wulf; ITSOKTOCRY; Lil Uzi Vert; Smokepurpp; Chris Travis; 6ix9ine; Chief Keef; Lil Pump; Lil Yachty; Matt OX; Dylan Ross; Denzel Curry; A$AP Rocky
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- Lil Peep - Come over when you're sober, Pt. 2 (2 Beiträge / Letzter am 27.11.2018 - 02:10 Uhr)