Maarja Nuut & Ruum - Muunduja
130701 / Fat Cat
VÖ: 05.10.2018
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
In limbo
Tag und Nacht wechseln sich ab. Stoisch, gleichmütig. Dazwischen liegt ein Flimmern. Aus dem Halbschlaf erhebt sich ein Dröhnen, zunächst erklingt es fern, unerreichbar. Doch es kommt näher. Unaufhaltsam. Langsam gesellen sich Geigen und ein monotoner Rhythmus dazu. Und schließlich eine Stimme, deren Worte unverständlich bleiben. Doch das, was sie meint, das ist klar. Wenn die estnische Violinistin, Komponistin und Sängerin Maarja Nuut in "Haded kadunud", dem Eröffnungstrack ihres neuen Albums "Muunduja", zu singen beginnt, gibt es kein Zurück mehr. Das, was da aus den Lautsprechern kommt, hat man so noch nicht gehört. Gemeinsam mit ihrem Landsmann Hendrik Kaljujärv, der unter dem Alias Ruum firmiert, hat Nuut etwas erschaffen, das ehrfürchtig macht. Die sechseinhalb Minuten von "Haded kadunud" gehören zum Betörendsten, was dieses Jahr auf Platte gebannt wurde. Vergleiche zu Björk greifen – wie immer – zu kurz. Das hier ist neu.
Nuut bedient sich zu gleichen Teilen aus der Neoklassik und der estnischen Folklore. Angereichert wird diese Mixtur durch Ambient- und Elektronik-Elemente, für die ihr Partner Ruum verantwortlich zeichnet. Das Ergebnis ist eine unfassbare, eigenartige Musik, deren Wirkung mit "umwerfend" noch zurückhaltend beschrieben ist. Eine gewisse Liebe zur Monotonie sollte jedoch vorhanden sein, denn meist kreisen die Kompositionen auf "Muunduja" um simple Motive, die nicht selten einem Mantra gleich wiederholt werden. Bisweilen gehen Nuut und Ruum brachial zu Werke, allen voran "Käed-mäed" macht mit seinem maschinellen Groove keine Gefangenen. Meist dominieren jedoch die leisen Töne. So überlagern sich beispielsweise in "Mahe" einige Geigen-Arpeggios, während Maarja Nuut beschwörend einen stimmlichen Kontrapunkt setzt. Gegen Ende verdrängen elektronische Instrumente ihre natürlichen Gegenspieler, was die Intensität des Tracks noch erhöht.
Die beiden Musiker verbinden das Schroffe mit dem Angenehmen und wagen sich dabei stellenweise weit hinaus. "Miniature C" geht dabei fast schon als Industrial durch, wohingegen "Takisan" mit seinem Auf und Ab eher an die Werke von Ambient-Urvätern wie Harold Budd oder Brian Eno erinnert. Diese amelodischen Zwischenstopps sind notwendig, um die Tracks, die mit Gesang aufwarten, ins rechte Licht zu rücken. "Kuud kuulama" erinnert zunächst an ein Wiegenlied, wird dann jedoch mittels eines ebenso simplen wie genialen Pizzicato-Motivs in andere Sphären entführt. Solche Musik kann nur mit geschlossenen Augen gehört werden, das Bildmaterial liefert der Verstand von alleine. Ein Album wie "Muunduja" erscheint nicht alle Tage. Jedes weitere Wort entspricht bloß der unnötigen Ablenkung vom Wesentlichen. Es beginnt mit einem Flimmern.
Highlights
- Haned kadunud
- Käed-mäed
- Kuud kuulama
- Miniature C
Tracklist
- Haned kadunud
- Käed-mäed
- Muutuja
- Mahe
- Takisan
- Kuud kuulama
- Kurb laulik
- Miniature C
- Une meeles
Gesamtspielzeit: 40:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Randwer Postings: 3431 Registriert seit 14.05.2014 |
2020-06-30 20:08:37 Uhr
der Song gefällt mir |
Autotomate Postings: 6174 Registriert seit 25.10.2014 |
2020-06-30 11:15:40 Uhr
Neues Album "World Inverted", erscheint am 11. September 2020. Den Titelsong gibt es schon zu hören. |
AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 749 Registriert seit 15.05.2013 |
2018-12-13 11:07:39 Uhr
Sehr stimmungsvolles Konzert gestern, hat mir sehr gut gefallen. Inbesondere hat mir gefallen, dass sie eben nicht der Versuchung erlegen sind - wie es bei anderen KünstlerInnen, die klassische Elemente mit Elektronik verbinden oft passiert - zwischendurch voll den Bass und Co. aufzudrehen. So ist ein sehr stimmiges und detailliertes Set entstanden, dass sich zumindest mir nach und nach immer mehr erschlossen hat. Ich habe mir nun gestern auch das Album mitgenommen und kann mir gut vorstellen, dass es mit der Zeit noch weiter wächst. |
Autotomate Postings: 6174 Registriert seit 25.10.2014 |
2018-11-29 13:50:39 Uhr
Da bin ich aber froh sein, dass dieser Thread mit seinen ganzen "U"s hier gerade oben stand. Wirklich faszinierende Musik (und schöne Rezi auch). |
AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 749 Registriert seit 15.05.2013 |
2018-11-29 12:46:00 Uhr
Im Dezember auch noch in Deutschland unterwegs:10.12. München - Einstein Kultur 11.12. Köln - Wohngemeinschaft Theater 12.12. Leipzig - Horns Erben 13.12. Hamburg - Elbphilharmonie 14.12. Kiel - Lutterbeker 15.12. Berlin - Kantine am Berghain 16.12. Wiesbaden - Schlachthof |
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Referenzen
Christina Vantzou; Miljardid; Vaiko Eplik; Erki Pärnoja; Björk; The Dead Texan; Olan Mill; Arvo Pärt; Max Richter; Mari Kalkun; Sander Mölder; A Winged Victory For The Sullen; Lucrecia Dalt; Hildur Guðnadóttir; Richard Skelton; Library Tapes; Goldmund; Uma; Lamb; Christopher Bissonnette; Grouper; Hecq; Ex Confusion; Harold Budd; Brian Eno; Tuulikki Bartosik; Lenna; Dedekind Cut; Nils Frahm; Fennesz; Tim Hecker; Ben Frost; Vennaskond; Mikko Joensuu
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