Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Dan Mangan - More or less

Dan Mangan- More or less

City Slang / Irascible
VÖ: 02.11.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Halb und halb

Vermutlich hat's mit der Rolle als gesetzter Familenvater zu tun oder generell mit einer gewissen Reife jenseits der Mittdreißiger-Marke, Fakt ist auf jeden Fall: Dan Mangan will erst mal Ordnung haben auf seinem neuen Album "More or less", oder wie er selbst sagt, "more warmth, less chaos". Ein probates Mittel dafür scheint eine Rückbesinnung auf die Traditionen des Americana zu sein. Einige Songs erlauben sich, die ganz klassischen Kompositionsstrukturen alter Helden wie Neil Young oder Bruce Springsteen aufzugreifen. "Just fear" gefällt sich als ermüdete Folk-Rock-Hymne in aller Bescheidenheit, hat den Kampf aber scheinbar schon aufgegeben, "every road feels traveled / while we get lost in struggle". Die Kraft, sich dem entgegenzustellen, fehlt Mangan, doch herrlich traurig darüber meditieren, das geht immer. Ein wenig aufgeweckter gibt sich "Cold in the summer", die Inszenierung als Verlierertyp gelingt gleich viel nachhaltiger mit schwingendem Bass und munterem Bar-Piano, das alles könnte direkt ausgelassen genannt werden, wäre da nicht wieder die zurückhaltende Melancholie in Mangans Gesang.

Dezent rockig ist "Troubled mind", die Strophe wirkt wie eine etwas weniger leidenschaftliche Ausführung des The-Gaslight-Anthem-Songbooks, die vorsichtig ausgelegten Synthieflächen im Refrain sorgen jedoch für eine zweideutige Paranoia. Auch "Fool for waiting" zeigt, dass Mangan zu einem großen Teil der Sinn nach klassischem Songwriting stand, er legt sich zu den niedergestreckten Klaviertönen auf den Boden und sendet traurige, anschmiegsame Melodiewellen aus, die immer wieder von einer großen Erschöpfung künden.

Doch ganz auf das experimentelle Spiel mit verschiedenartigen Arrangements und Songstrukturen konnte Mangan auch diesmal nicht verzichten. Der leergeräumte, nur von einem matten Schlagzeug bewohnte Klangraum des Openers "Lynchpin" erhält durch eine einfache, aber akzentuierte Gitarrenfigur einen chromatischen Glanz, der die schattige Mattheit reizvoll kontrastiert. "Peaks and valleys" ist dann bereits auf halbem Wege zu einer Emphase-Entladung, hat mit "don't be afraid to love her madly" auch schon die passende Mumford-Formulierung dabei, doch das seltsam introvertierte Schlagzeug und der defensive Gesang Mangans wissen größere Ausbrüche zu verhindern. Das hindert den Kanadier an anderer Stelle jedoch nicht daran, extrem einprägsame Melodien an Frau oder Mann zu bringen. Würde "Lay low" nicht so verzagt im halbelektronischen Schattenraum dahingeistern, der Refrain könnte als Reim für den Kindermund herhalten, aber so? Ein einziges sich Abwenden: "I'm ok in the shadows / Every single party needs a no show."

"Can't not" mit seinem stoischen Schlagzeugtakt und den notorischen Gitarrenläufen phantasiert dagegen einen Tagtraum aus der Wüste herbei, mit arabisch anmutender Melodieverziehrung und weit ausholendem Stimmhall. Eine weitere Extravaganz ist das motorische, dennoch sehr warme Schlagzeugklöppeln in "Never quiet", begleitet von einigen dumpfen Klaviertönen und einem Gesang, der sich milde leidend wohlig in die Ritzen des Songs einschmiegt "More or less" ist damit ein Mischwesen aus klassischer Songwriterkunst und dem Mut zum vorsichtigen Experiment, wendet sich zwar dem traditionellen Liedgut deutlicher zu als der Vorgänger "Club meds", lässt aber dessen Versuchsaufbauten nicht ganz hinter sich. Wenn man nun fragt, ob Dan Mangan einen Neustart hingelegt hat, ist die Antwort wohl "mehr oder weniger", uneingeschränkt gelungen ist dieses Album jedoch auf jeden Fall.

(Martin Makolies)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Lynchpin
  • Lay low
  • Never quiet

Tracklist

  1. Lynchpin
  2. Peaks and valleys
  3. Just fear
  4. Lay low
  5. Cold in the summer
  6. Troubled mind
  7. Fool for waiting
  8. Can't not
  9. Never quiet
  10. Which is it

Gesamtspielzeit: 38:25 min.

Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)

Einmal am Tag per Mail benachrichtigt werden über neue Beiträge in diesem Thread

Um Nachrichten zu posten, musst Du Dich hier einloggen.

Du bist noch nicht registriert? Das kannst Du hier schnell erledigen. Oder noch einfacher:

Du kannst auch hier eine Nachricht erfassen und erhältst dann in einem weiteren Schritt direkt die Möglichkeit, Dich zu registrieren.
Benutzername:
Deine Nachricht:
Forums-Thread ausklappen
(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Kai

User und News-Scout

Postings: 2751

Registriert seit 25.02.2014

2020-03-18 08:50:58 Uhr
Mein lieblings Kanadier musste leider auch viele Shows absagen und hat deswegen eine "ShowToNobody" aufgenommen.

https://youtu.be/qjQ80Njm96g

Ist super!

Plattenbeau

Postings: 976

Registriert seit 10.02.2014

2018-11-03 10:36:34 Uhr
Der Vergleich mit Junip hat mich ein bisschen neugierig gemacht, allerdings konnte ich keine Ähnlichkeiten feststellen, außer das vielleicht beide grob von Folk beeinflusst sind.

Kai

User und News-Scout

Postings: 2751

Registriert seit 25.02.2014

2018-11-02 21:14:35 Uhr
Erinnert mich an Junip.
Mochte den alten Dan gern aber dashier weiß auch zu gefallen.

Patrick
2018-11-02 14:36:09 Uhr
Ich finde es gut. Und wenn man jenseits der mitdreisiger ist, dann kann man "just fear" sehr gut verstehen.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-11-01 22:20:19 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
Zum kompletten Thread

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Bestellen bei Amazon

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Plattentests.de-Forum

Anhören bei Spotify