Heim - WS

Tapete / Indigo
VÖ: 26.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

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WS? Wintersemester? Nun, sofern der Schreiber dieser Zeilen sich recht erinnert, dürfte der Termin des Releases von Heims Drittwerk zumindest halbwegs mit dem Beginn der Vorlesungszeit an den Hochschulen dieses Landes übereinstimmen. Ob die drei verwegenen Musiker aus Deutschlands Süden, die im Schweiße kleiner Klubs und Bühnen so gern und so phänomenal ihre Instrumente malträtieren, ihre Zeit in den vergangenen Monaten auch in Hörsälen verschwendeten, ist nicht sicher überliefert. Bestätigt ist indes, dass die drei sich während der Entstehungszeit des neuen Albums "WS" zumeist an unterschiedlichen Orten der Republik aufgehalten haben. Und dass sie schlicht keine Möglichkeit hatten, es wie noch den fulminant-räudigen Vorgänger "Palm beach" live einzuspielen. Wäre auch wirklich eine Kunst gewesen, so gänzlich ohne Proberaum.
Tatsächlich also streuten Heim für "WS" viele Versatzstücke und Songfragmente über diverse Kanäle untereinander und puzzelten sie via Datenautobahn an verschiedenen Orten wieder zusammen. Was man als Hörer mit Ausnahme der dementsprechend veränderten Produktionsbedingungen wiederum überhaupt nicht wahrnimmt. "Tropisch" legt mit warmen, leicht angezählten 90s-Rock-Gitarren los, eine Mischung aus hitzebedingter Resignation, Bedrücktheit und der zugleich freudig zelebrierten Freiheit des Nichtstuns stellt sich ein, und die Gitarre dudelt zum Refrain wunderhübsch verpeilt die Tonleiter rauf und runter. Der Rhythmus wird erneut auch durch die Riffings und Soli von Michael Shirer und Florian Bauer bestimmt, wenngleich sich am Bass mehr Post-Punk-Hommage durchsetzt. "WS" ist tatsächlich der erwartete Schritt zur Seite, den die Band bewusst macht – wohin könnten sich die typischen Heim-Soli aus "Wieder hier" sonst so ausgiebig verlieren?
Es gibt mehr Dampf, Gift und Galle, wo all das raus muss, "Was bleibt" einem denn sonst? Schnaufend auch der nach dem Trio benannte Track, dem sein grimmiger Basslauf und die kontraproduktive Wucht angezerrter Licks und Punk-Riffs im Finale kräftig die Suppe spuckt. Es gibt mehr Pop, wo er Glanz bringt. Wie bei "Leicht", dieser Pop-Bitch im luftigen Post-Punk-Kleid mit Refrain-Obsession, bei der sich Vokalist Denny Thasler angesichts von so vielen Unfassbarkeiten da draußen auf die Suche nach den Schuldigen begibt, sie am Ende aber nur der allgemeinen Unfähigkeit der Spezies Mensch zuschreiben kann.
Und es waltet dort mehr Nachdenklichkeit, wo sie zu wirken vermag. In "Alt" beispielsweise, bis nicht einmal die feine Hammond-Orgel kaschieren kann, dass Heim für den Reifeprozess des Homo Sapiens nur untröstliche Worte finden: "Und es bleibt von Dir nur noch ein Teil / Der mit der Zeit Stück für Stück zerfällt." Auch der erste Teil von "Ein Freund" holt tief Luft, doch vermag dieser Ansatz gegen die Experimentierfreude der Musiker am Ende meist wenig auszurichten, wenn Heim sich in beinahe jedem Stück in den Instrumental-Part hineinschwurbeln, sich mit aller Hingabe vergniedeln, aber sich (natürlich) nie in den Songs verlieren. (Nicht nur) J Mascis gefällt das.
Highlights
- Tropisch
- Leicht
- Alt
Tracklist
- Tropisch
- Leicht
- Heim
- Ein Freund
- Alt
- Wieder hier
- Was bleibt
- Alles da
Gesamtspielzeit: 35:57 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Surfing Bombay |
2019-01-30 22:25:40 Uhr
Dafür sind wir noch da! Richtig geile Rockmusik machen wir! Nur für Rocker! |
Nicht mehr da |
2019-01-30 19:43:24 Uhr
Großer Verlust, der die deutsche Musiklandschaft ein großes Stück weniger geil macht. |
Der Abschluss |
2019-01-30 01:16:50 Uhr
bestimmt *NICHT in Vergessenheit geraten! |
Der Abschluss |
2019-01-30 01:15:46 Uhr
Damit wäre der Grundstein zur Mythosbildung gelegt. Die Mucke wird bestimmt Vergessenheit geraten. Bin froh, die Band 3 mal live erlebt zu haben. |
noise Postings: 1043 Registriert seit 15.06.2013 |
2019-01-28 18:11:29 Uhr
Das ist mal ne schlechte Neuigkeit! Wie schon geschrieben, habe ich die Band vor noch nicht so langer Zeit für mich endeckt. Habe auch immer mal nachgeschaut ob die mal in meiner Nähe spielen. Das hat sich ja jetzt leider erledigt. Wirklich schade. Gute Band. |
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Referenzen
Dinosaur Jr.; Built To Spill; Sonic Youth; Die Nerven; Friends Of Gas; All Diese Gewalt; Isolation Berlin; Selig; Tocotronic; Ja, Panik; Von Spar; Lemonheads; Nirvana; Pixies; The Breeders; Pavement; Hüsker Dü; Future Of The Left; Jay Reatard; JapandScumbucket; Shellac; Blackmail; Seachange; J Mascis; J Mascis & The Fog; Sebadoh; Superchunk; Desaparecidos; No Age; Metz; My Bloody Valentine; The Replacements; Mudhoney; Fucked Up; Chavez; Screaming Trees; Modest Mouse; Yo La Tengo; Doughboys; Oxford Collapse; R.E.M.; Minutemen; Mike Watt; +/-; Woods; Hayden; Favez
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