Laura Gibson - Goners
City Slang / Universal
VÖ: 26.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Ohne mit Dir sein
Ein Dir nahestehender Mensch verschwindet aus Deinem Leben und hinterlässt neben den verschiedensten Erinnerungen womöglich auch noch einen ganzen Haufen an Fragen. Die Auseinandersetzung mit diesen kann Dein ganzes restliches Leben in Anspruch nehmen und prägt Dich in Entscheidungen und zukünftigem Handeln. Für eine Künstlerin wie Laura Gibson ist es da hilfreich, dass sie mit ihrer Musik ein Medium hat, mit dem sie reflektieren und sich ausdrücken kann. Ihr Vater starb, da war sie gerade ein Teenager, ihr neues Album "Goners" bearbeitet dieses einschneidende Erlebnis, stellt sich Fragen, kommt zu Erkenntnissen, weiß aber manchmal auch nicht weiter. Eine wichtige Tatsache kristallisiert sich für Gibson jedoch eindeutig heraus: Menschen hängen manches Mal zwanghaft aneinander, obwohl oder gerade weil sie so unterschiedlich sind. Das geht früh los: "You're birth was purchased / Mine was an accident." Und es zieht sich weiter durchs Leben: "You were made machine / I was made a child." Dennoch opfert man sich auf und leidet mit dem anderen: "You were lonely then / I was fond of loneliness / I cut your hair / I carried water to your bed." Das Gegenüber kann sich dabei allem, was einem selbst unabdingbar erscheint, entschieden widersetzen, und dennoch, den schwer erreichbaren Sehnsuchtsort findet man nur im anderen: "You're the only home I wanted."
Gibson geht musikalisch einen Doppelweg, um dies auszudrücken, stellt Intimität und ausladende Opulenz nebeneinander und erschafft trotz fest gefasster Instrumentierung eine große Bandbreite. Die eine Hälfte der Songs basiert auf dem Spiel der Akustikgitarre, die andere fußt auf Klavier. Oftmals durchwirken markante Streichereinschübe das jenseitige Klangbild, egänzt durch warme Holz- und Blechbläser. Die Stimmung schwankt dabei zwischen weichgezeichneten Schwebezuständen und einer mattdunklen Schattigkeit, der Aufstieg in körperlose Sphären findet oftmals im Grenzgebiet einer dezent angedeuteten Abgründigkeit statt. Das eröffnende "I carry water" ist als getragen-würdevolle Abschiedsmeditation mit perlendem Klaviertröpfeln und geisterhaften Stimmloops bereits in der Schwebe zwischen Leben und Tod., in der auch die Wurlitzer-Fußabdrücke von "Domestication" angesiedelt sind. Eine satt ausformulierte Streichermelodie sorgt dann jedoch für einen dramtischen Wink ins Hier und Jetzt.
Es treffen immer wieder Dies- und Jenseits aufeinander. In "Slow joke grin" ertönt das verlässliche Gezupfe einer Akustikgitarre, das letzte Wort hat jedoch ein außerweltliches Mandolinen-Tremolo. Harsch oder ruppig erscheint hingegen nichts auf "Goners". Ob der jazzige Bossa-Rhythmus in "Performers" oder die warmen Trompeten in "Thomas", überzogen von dem glockenhellen Schmelz in Gibsons Stimme erschaffen die Stücke einen Schutzraum, der jedoch durch Nachdenkliches auf textlicher Ebene ins Wanken gebracht wird. Das two-become-one-Prinzip der allumfänglichen Liebe? Da hat Gibson in "Marjorie" so ihre eigenen Erfahrungen gemacht: "What was I to think / That I could split myself in two?" "Goners" ist somit keine romantisch verklärte Erinnerungsstunde, sondern spürt die Widersprüche zwischen sich liebenden Menschen auf, lässt die Brüche offen zu Tage treten. Die musikalische Weichheit und Wärme entbindet jedoch diese Auseinandersetzung mit Verlust, Abschied und Endlichkeit von jeglichem gruftigen Hauch und lässt sie in mattem Glanz transzendent leuchten.
Highlights
- I carry water
- Slow joke grin
- Performers
Tracklist
- I carry water
- Domestication
- Slow joke grin
- Goners
- Performers
- Clemency
- Tenderness
- Marjorie
- Thomas
- I don't want your voice to move me
Gesamtspielzeit: 39:05 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Iamthesword Postings: 10 Registriert seit 26.06.2013 |
2019-05-20 11:32:45 Uhr
Wie immer: Gibson ist ein Höhepunkt des Jahres. |
+ |
2019-02-10 13:29:06 Uhr
https://www.youtube.com/watch?v=YT2U87At62c |
Wolf Bierfrau |
2019-02-10 13:20:35 Uhr
Eine Perle - das Meisterwerk 2018. |
Ed |
2019-01-13 18:49:07 Uhr
Gutes Album - definitiv eine vergessene Perle 2018 - habe das Album kaum in Listen gesehen |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27674 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-10-24 23:21:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Emily Jane White; Marissa Nadler; Joanna Newsom; Laura Veirs; Alela Diane; Feist; Cat Power; Antony And The Johnsons; Josephine Foster; Meg Baird; Cynthia Dall; Basia Bulat; Dawn Landes; Sharon Van Etten; Bowerbirds; Sera Cahoone; Tift Merritt; Neko Case; Tomberlin; Bill Callahan; Great Lake Swimmers; Bon Iver; Joan Shelley; Tiny Vipers; Nina Nastasia; Soap & Skin; Death Cab For Cutie; Sóley; Ólöf Arnalds; The Low Anthem
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