Empress Of - Us
Terrible / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 19.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Liebe ist für alle da
Auf den ersten Blick scheint alles klar: Betitelte Lorely Rodriguez, die Frau hinter dem Künstlernamen Empress Of, ihr Debütalbum noch als "Me", geht es nun um "Us" – Rodriguez hat sich und ihre Musik geöffnet, den Fokus weg von ihren eigenen emotionalen Narben hin zu mehr Universalität und Abstraktion verschoben. Doch ist es wirklich so einfach? "I feel possessed / I can't help but repress / All of the signs / Telling me I'm not fine." Nein, die Kalifornierin ist noch längst nicht fertig mit sich selbst, doch der nach wie vor zutiefst persönliche Kern steht einer umfassenderen Bezugswelt natürlich auch nicht im Weg. Ihre Geschichten von destruktiven Beziehungen, "fighting in the car" oder Annäherungsversuchen auf Großstadtdächern finden täglich millionenmal auf der Welt statt und so kann Rodriguez weiterhin ihr komplexes Gefühlsleben ungeschönt nach außen kehren, während sie gleichzeitig als Sprachrohr einer ganzen, von Herzschmerz und Sinnsuche geprägten Generation fungiert. Da kann auf einem einzelnen, banal scheinenden Satz unglaublich viel Gewicht lasten, wenn dieser Fragen, Wünsche oder Zweifel thematisiert, die jedem schon tage- bis monatelang den Schlaf geraubt haben: "I wanna know if you got love for me."
Dieses Spannungsfeld zwischen Selbstbezug und Gemeinschaftsstiftung spiegelte sich auch im Aufnahmeprozess wider. Zwar zog sich Rodriguez dafür wieder zurück, doch pendelte sie dabei zwischen diversen Studios, ihrem Zuhause und der Live-Bühne, dazu durften ein paar erlesene Kollaborateure die selbstgewählte Einsamkeit stören. So leiht Dev Hynes alias Blood Orange dem grandiosen, stoisch nach vorne treibenden Opener "Everything to me" die Stimme, an anderen Stellen liefern das L.A.-Duo DJDS oder der spanische Produzent Pional Input. Gemeinsam formulieren sie Rodriguez' Definition moderner Popmusik weiter aus: Zwischen urbanem R'n'B, der elektronischen Einfühlsamkeit von Ober-Fembot Robyn und einem Expressionismus, den sicher auch Björk und Kate Bush abgenickt hätten, erhebt sich "Us" als Konstrukt, das auch bei klarer Zeitgeist-Verankerung immer charakterstark bleibt. Trotz der stets radiotauglichen Melodien und der präzisen Arrangements erlaubt es sich dabei immer wieder ein paar Spielereien. "Trust me baby" etwa hantiert mit Dreampop-Ansätzen und rhythmischen Verschiebungen, während der zwischen Spanisch und Englisch fließende Gesang die honduranischen Wurzeln seiner Urheberin zelebriert.
In "I don't even smoke weed" fühlt sich Rodriguez bei ihrem lyrischen Du so wohl, dass ihr sogar drogeninduzierte Angstzustände egal sind, dazu gönnt sich der Song eine discotaugliche Synthie-Hook, um diese Lockerheit abzubilden. "Timberlands" tänzelt unschuldig an einem Spieluhr-ähnlichen Melodie-Loop entlang, bis der ungleich selbstbewusster und körperlicher auftretende Funk-Pop von "I got love" erahnen lässt, wie Jungle als groovendes Nebenprojekt der Disclosure-Brüder geklungen hätten. Als am hellsten strahlendes Highlight stellt sich indes "When I'm with him" dar. Luftiger als der Rest des Albums vermitteln hallende Drums und eine dezente Gitarre die Blood-Orange-Einflüsse am deutlichsten, im Refrain changiert die Kalifornierin zwischen Falsett und Bauchstimme und macht damit die Hochs und Tiefs der besungenen, kaputten, aber doch irgendwie erfüllenden Beziehung zur unmittelbar hörbaren Erfahrung. Womit man dann auch wieder am Anfang wäre: "Us" ist ein durchweg toll komponiertes und stilsicheres Pop-Album, doch seine endgültige Klasse erhält es erst durch seine Nahbarkeit, die die eigene Gefühlsflut gleichermaßen wie die des Hörers reflektiert. Wenn im finalen "Again" schließlich die Ebbe einsetzt, bleibt nur noch zu hoffen, dass sich Rodriguez auch wirklich beim Worte nimmt: "If I had the chance, I'd do it all again."
Highlights
- Everything to me
- I got love
- When I'm with him
Tracklist
- Everything to me
- Just the same
- Trust me baby
- Love for me
- I don't even smoke weed
- Timberlands
- I got love
- All for nothing
- When I'm with him
- Again
Gesamtspielzeit: 32:35 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27676 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-10-14 19:54:02 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Purity Ring; Robyn; Grimes; Blood Orange; Solange; Christine And The Queens; La Bagatelle Magique; Sinah; CSS; Holly Herndon; Katy B; FKA Twigs; Leyya; Austra; Moderat; Gazelle Twin; Sia; M.I.A.; Charli XCX; Sky Ferreira; Banks; Zola Jesus; Kelela; Bat For Lashes; Björk; Shamir; Hercules And Love Affair; Peaches; Stromae; Chvrches; Tove Styrke; Delorian; Braids; Blue Hawaii; Doldrums; Mozart's Sister; Pure Bathing Culture; Yumi Zouma; Tei Shi; Georgia; Diana; Deradoorian; Hundred Waters; Chairlift; Jessy Lanza; Kate Bush
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Empress Of - I'm your Empress Of (1 Beiträge / Letzter am 22.04.2020 - 21:14 Uhr)
- Empress Of - Us (1 Beiträge / Letzter am 14.10.2018 - 19:54 Uhr)
- Empress Of - Me (3 Beiträge / Letzter am 05.11.2015 - 02:21 Uhr)